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Scharfe Kritik an der erfolglosen Suche nach dem Anfang 1998 untergetauchten Jenaer Trio, aus dem später der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) wurde, übt der Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem NSU angelasteten Mordserie durchleuchten soll. Bei der Vernehmung des Zielfahnders Sven Wunderlich vom Thüringer Landeskriminalamt (LKA) kritisierte SPD-Obfrau Dr. Eva Högl am Donnerstag, 31. Januar 2013, dass der Informationsfluss seitens des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) wie innerhalb des LKA völlig unzureichend gewesen sein, man habe Wunderlich und dessen Team "dumm gehalten".
Aus Sicht von Unionssprecher Clemens Binninger kann von einer ernsthaften Zielfahndung "keine Rede sein". FDP-Obmann Hartfrid Wolff ortete in Thüringen ein "erhebliches Chaos" bei der "stümperhaften" Suche nach der Jenaer Zelle.
Petra Pau (Die Linke) zeigte sich "entsetzt", dass die LKA-Zielfahndung aufgrund einer Vorgabe des Geheimdiensts nicht in der rechtsextremen Szene nach der Gruppe geforscht habe. Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) monierte, dass die Leitung der Ermittlungen faktisch beim LfV gelegen habe.
"Einer hat gelogen": So kommentierte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) die sich widersprechenden Angaben Wunderlichs und des ehemaligen LfV-Vizechefs Peter Jörg Nocken zum Informationsaustausch zwischen Geheimdienst und Fahndern.
Edathy erinnerte an Nockens Ausführungen Mitte Januar im Ausschuss, wonach das LfV die Polizisten umfassend über seine Erkenntnisse zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unterrichtet habe. "Diese Aussage ist falsch", konterte jetzt Wunderlich.
Die Informationen des Geheimdiensts nannte er "gering, dünn und spärlich". Die Herren vom LfV seien "sehr nett und freundlich" gewesen, doch "man hat uns ausgetrickst". Nützliche Hinweise für die Suche nach dem Trio habe man nicht erhalten.
Scharf kritisierte Wunderlich vor allem, dass der Geheimdienst die Zielfahnder nicht über das Bemühen der verschwundenen Zelle unterrichtet habe, sich Waffen zu beschaffen: "Dies hätte für uns tödlich sein können."
Die Fahnder seien nämlich davon ausgegangen, dass es sich bei der Gruppe lediglich um junge Leute handele, "die in Garagen Blödsinn gemacht haben". Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren untergetaucht, als die Polizei im Januar 1998 in einer Jenaer Garage ihre Bombenbastler-Werkstatt entdeckt hatte.
Wiederholt betonte der Zeuge, er habe von 1998 bis 2001 nichts von einer bei der Garagendurchsuchung gefundenen Liste mit Telefonnummern zahlreicher Rechtsextremisten erfahren. Aus Sicht von Grünen-Obmann Wolfgang Wieland wäre diese Aufstellung ein "Sechser im Lotto für die Zielfahnder" gewesen.
Wunderlich sagte, er könne es sich "nicht erklären", warum die LKA-Ermittler ihn darüber nicht in Kenntnis gesetzt hatten. Erstmals habe er dieses Papier in den Medien gesehen: "Das war schon interessant."
Vor wenigen Tagen habe er bei einer erneuten Durchsicht seiner zwischen 1998 und 2001 angelegten Akten plötzlich doch die Adressenliste aus der Garage entdeckt. Edathy und mehrere Obleute äußerten den Verdacht, diese Akten könnten nachträglich "frisiert" worden sein.
Zum Erstaunen der Abgeordneten erläuterte Wunderlich, das LfV habe den LKA-Fahndern zu verstehen gegeben, sie sollten im rechtsextremen Milieu "nicht für Unruhe sorgen". Er bestätigte eine Vermutung Edathys, bei solchen Personen "hatte der Verfassungsschutz den ersten Schuss, und erst dann haben sich die Fahnder eingeschaltet".
Der Zeuge räumte ein, auch von zwei Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) nichts gewusst zu haben, die nach dem Abtauchen des Trios das LKA in Erfurt unterstützten. Binninger kritisierte, dass Wunderlich seinerzeit die von ihm für glaubwürdig erachtete Aussage des Vaters von Mundlos, Zschäpe sei eine "Quelle" des LfV, nicht gründlich überprüft habe.
Der Geheimdienst hatte eine solche Tätigkeit Zschäpes bestritten. "Für eine Fahrt in die Schweiz bekam ich keine Genehmigung": So begründete der Zeuge, warum nach einem im April 1998 abgehörten Telefonat aus der Schweiz, bei dem es um das Jenaer Trio ging, BKA-Beamte und nicht er selbst im Nachbarland recherchierten.
Wunderlich berichtete von einem Gespräch Mitte des vergangenen Jahrzehnts am Rande eines Festes mit dem ehemaligen LKA-Chef Egon Luthard. Dabei habe Luthard gesagt, man hätte die Untergetauchten wohl aufspüren können, "wenn alle an einem Strang gezogen hätten" – vielleicht hätten sie aber auch nicht gefunden werden sollen. (kos/31.01.2013)