Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Gruppenbild mit Parlamentspräsident Guy Nzouba-Ndama (vorne in der Mitte); rechts daneben Delegationsleiter Hartwig Fischer, links daneben die Abgeordneten Martin Neumann (hinten), Ute Kumpf und Bettina Herlitzius (vorne). © Büro Fischer
Außenpolitik ist nicht ausschließlich eine Angelegenheit der Regierung. Auch die Parlamentariergruppen des Bundestages pflegen die außenpolitischen Beziehungen – insbesondere zu den Parlamenten anderer Staaten. Regelmäßig sind deshalb ausländische Abgeordnete im Bundestag zu Gast oder deutsche Parlamentarier auf Delegationsreise. Wie zuletzt in Gabun: Fünf Tage, vom 3. bis 8. Februar 2013, besuchte eine Delegation der Parlamentariergruppe französischsprachige Staaten West- und Zentralafrikas die Republik an der westlichen Atlantikküste Zentralafrikas.
Unter der Leitung des Vorsitzenden Hartwig Fischer (CDU/CSU) waren die Abgeordneten Ute Kumpf (SPD), Andreas Lämmel (CDU/CSU), Prof. Dr. Martin Neumann (FDP) und Bettina Herlitzius (Bündnis 90/Die Grünen) vor allem in der Hauptstadt Libreville sowie in Lambaréné unterwegs , wo der deutsche Arzt Albert Schweitzer vor genau 100 Jahren 1913 sein Urwald-Hospital gegründet hatte.
Das Jubiläum des berühmten Albert-Schweitzer-Hospitals ist allerdings weniger der Anlass für die aktuelle Reise der Gruppe gewesen als das Interesse der gabunischen Staatsführung, neue Wirtschaftspartner zu gewinnen: "Der 2009 gewählte Präsident Ali Bongo Odimba hat es sich zum Ziel gesetzt, Gabun bis 2025 zum Schwellenland zu machen. Dafür sucht er strategische Partner, die beim Aufbau des Landes helfen", erklärt Hartwig Fischer.
Seit 2005 ist der Göttinger Abgeordnete Vorsitzender der Parlamentariergruppe, die sich in der aktuellen 17. Wahlperiode um die Beziehungen zu insgesamt 14 zentral- und westafrikanische Staaten kümmert, darunter neben Gabun auch zum Beispiel Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), Gabun, Kamerun, Senegal, Togo und Mali.
Besonders hoch im Kurs als strategische Partner stehen die Deutschen. Das liegt nicht nur an Albert Schweitzer, der das Bild der Deutschen schon früh positiv prägte, sondern aus Sicht Fischers besonders an der bis 2010 währenden Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Gabun: "Wir haben dort einen hervorragenden Ruf, weil wir als Partnerland unter anderem beim Aufbau einer forstlichen Fakultät in Fragen der Biodiversität eine Rolle gespielt haben. Zudem gab es eine ganze Reihe von deutschen Unternehmen, die nicht nur in Gabun investiert, sondern junge Gabuner ausgebildet haben."
Die Folge des wachsenden Deutschlandinteresses: Immer mehr Gabuner lernten die deutsche Sprache, erzählt Fischer.
So hoch die Erwartungen an die Deutschen als potenzielle strategische Partner sind, so hochkarätig besetzt war auch die Liste der Politiker, mit denen die fünf deutschen Parlamentarier in Libreville zusammengetroffen sind. So tauschte sich die Delegation nicht nur mit gabunischen Abgeordneten, dem Parlamentspräsidenten Guy Nzouba-Ndama sowie dem neuen Premierminister Raymond Ndong-Sima aus, sondern kam auch zu einer Unterredung mit Staatspräsident Ali Bongo Ondimba zusammen.
Für den Afrika-Experten Fischer das wichtigste Gespräch der Reise: "Wir haben über zwei Stunden mit dem Präsidenten zusammengesessen und vor allem über seine Wünsche zur strategischen Partnerschaft mit Deutschland sowie über die Stabilisierung der Demokratie mithilfe des Parlaments diskutiert."
Fischer sieht zwar die Gabunische Republik nach den von Wahlbeobachtern als frei und fair eingestuften Parlamentswahlen im Jahr 2011 prinzipiell auf einem guten Weg. Die Bevölkerung sei weitgehend zufrieden mit der politischen Führung, so der Abgeordnete.
"Der Lebensstandard ist vergleichsweise hoch, und die Menschen merken, dass der Präsident in die afrikanische Verantwortungsgemeinschaft eingebunden ist." Jedoch, schränkt Fischer ein, gebe es Berater, die die Präsidenten offensichtlich nicht ausreichend informierten.
"Wir haben bei unserem Treffen angemerkt, dass bestimmte Ausschreibungskriterien bei der Vergabe von Projekten zur Infrastruktur und Industrialisierung nicht transparent sind. Und: Wir haben deutlich gemacht, dass wir nur als strategischer Partner zu Verfügung stehen können, wenn solche Grundprinzipien gelten."
Problematisch zudem: Die Opposition ist im Parlament kaum vorhanden. Nur sechs Sitze in der Nationalversammlung haben zurzeit Vertreter von Oppositionsparteien inne. Der Grund: Die meisten Oppositionsparteien hatten die Wahlen boykottiert.
Sie protestierten damit gegen die Weigerung des Präsidenten, auf die Installation eines neuen biometrischen Systems zur Wählererfassung zu warten. Dieses sollte einen besseren Schutz gegen Wahlbetrug bieten. "Die Opposition war zudem so zerstritten, dass sie sich den Wahlen verweigert hat", sagt Fischer.
Dass aber eine funktionierende Opposition zur Demokratie dazu gehört, ist eine Grundsätzlichkeit, die die Mitglieder der Parlamentariergruppe immer wieder – und auch in Gabun – in ihren Gesprächen betonen: "Es ist unsere Aufgabe, die Parlamente zu unterstützen, dass sie arbeitsfähig sind und die demokratischen Grundsätze verinnerlichen", betont Hartwig Fischer. "Dazu gehört die Normalität des Regierungswechsels und die Akzeptanz der Opposition."
Dafür geben die deutschen Parlamentarier selbst ein gutes Beispiel ab: Schließlich besteht jede Delegation sowohl aus Mitgliedern der Koalitionsfraktionen als auch aus Mitgliedern der Oppositionsfraktionen. "Wir zeigen so sehr deutlich, dass es wichtig ist, dass die Opposition voll eingebunden ist in alle Meinungsbildungs- und Parlamentsprozesse."
Bei ihren Gegeneinladungen besteht die Parlamentariergruppe zudem darauf, dass die Delegationen auch aus Oppositionsabgeordneten bestehen.
Das parlamentarische Know-how der Deutschen ist willkommen, das hat der CDU-Politiker, der seit 2002 Mitglied im Bundestag ist und sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sitzt, in Gabun erneut erfahren: "In der letzten Woche haben wir uns mit gabunischen Abgeordneten drei Mal getroffen, um ganz grundsätzliche Fragen in persönlichen Gesprächen zu vertiefen. Das waren Fragen wie: Wie fördert man das demokratische Bewusstsein von jungen Menschen? Wie bereitet man junge Politiker auf ein Mandat vor? Wie sieht in Deutschland politische Nachwuchsförderung aus? Unsere Erfahrungen wurden gerne aufgenommen", sagt Fischer.
Dass sie auch übernommen werden, hat er ebenfalls erlebt: "Auf einer Reise nach Benin habe ich festgestellt, dass in den Schulen neuerdings Schülervertreter gewählt werden."
Es ist aber nicht nur der Rat in parlamentarischen Fragen, mit dem die deutschen Abgeordneten ihre gabunischen Kollegen unterstützen. Mit Kontakten zu Hochschulen, Unternehmen oder der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) wollen sie zudem Bildung und wirtschaftliche Entwicklung in Gabun fördern.
"Die Gabuner sind sehr interessiert an unserem dualen Ausbildungssystem. Immer wieder haben wir den Wunsch gehört, mit Deutschland und deutschen Unternehmen auf der Ebene der dualen Ausbildung zusammenzuarbeiten." Auch sehr erwünscht: deutsche Expertise in nachhaltige Forstwirtschaft, Biodiversität und erneuerbare Energien.
Welche Kontakte sie in Deutschland zugunsten Gabuns aktivieren, werden die Parlamentarier jetzt nach ihrer Rückkehr in der Gruppe im Einzelnen besprechen. Für Fischer jedoch ist schon jetzt klar, dass er sich für ein Anliegen einsetzen wird, dass Deutsch-Studenten ihm gegenüber geäußert haben: "Sie kritisieren, dass es so umständlich ist, ein Visum für Deutschland zu bekommen."
Deutschland unterhalte nämlich in Gabun keine eigene Visastelle, so Fischer. "Wir werden also mit der Regierung sprechen, ob es nicht möglich ist, künftig von der deutschen Botschaft Visa für den Schengen-Raum zu bekommen."
Die Gabuner, die Deutsch studierten, sollten auch eine Chance erhalten, nach Deutschland zur Fortbildung zu kommen, findet er. Auch für die eine Zusammenarbeit in der dualen Ausbildung will sich Fischer zusammen mit den anderen Mitgliedern der Parlamentariergruppe stark machen.
Geht es doch dabei um etwas Elementares: "Der Austausch mit jungen Leuten ist doch das Wichtigste, damit sie sich qualifizieren und dann eigenverantwortlich in ihrem Land ihr Wissen einsetzen und weitergeben können. So können sie zum Aufbau des Landes beitragen." (sas/12.02.2012)