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Kinderrechte ins Grundgesetz: Ein viel diskutiertes Thema, das auch bei der Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 20. Februar 2013, auf der Tagesordnung stand. Bei einem öffentlichen Expertengespräch unter Vorsitz von Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen) wogen fünf Sachverständige das Für und Wider einer Verfassungsänderung ab. Diskutiert wurde auch, in welchem Artikel des Grundgesetzes die Kinderrechte aufgenommen werden könnten.
"Was hält uns davon ab, Kindern das zu geben, was ihnen zusteht?", fragte Dr. Reinald Eichholz, National Coalition für die Umsetzung der UN-Konventionen, in der Sitzung der Kiko. Für ihn stelle die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein politisches Signal dar. Kinder in der Verfassung speziell zu betonen, habe einen ganz eigenen Wert, meinte der Experte und ergänzte: "Für mich ist es allmählich auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit."
Dem stimmte Prof. Dr. Jörg Maywald vom Aktionsbündnis Kinderrechte zu. Kinder seien nämlich eben nicht kleine Erwachsene, sondern sie hätten spezielle Bedürfnisse, so der Sachverständige. "Dies bedarf der rechtlichen Verankerung." Artikel 2 des Grundgesetzes, welcher jedem das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit zuschreibt, sei für ihn der passende Artikel, um speziell die Kinderrechte zu verankern.
Auch Prof. Dr. Manfred Liebel von der Freien Universität Berlin findet Artikel 2 geeignet. Er hält es für unabdingbar, die soziale und rechtliche Rolle von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Dabei müsse jedoch allumfassend gedacht werden und Rechte auf Selbstbestimmung, Förderung, Mitwirkung und Teilhabe ins Grundgesetz aufgenommen werden.
Eine genaue Festlegung auf bestimmte Rechte, die für die Phasen der Kindheit und Jugend spezifisch sind, hält auch Prof. Dr. Reinhard Wiesner von der Freien Universität Berlin für sinnvoll. Dabei geht es in seinen Augen vor allem um die Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte. "Eine Ausgestaltung der bereits normierten Grundrechte als spezifische Kinderrechte wäre eine bloße Wiederholung und ließe den verhängnisvollen Umkehrschluss zu, Kinder seien im bisherigen Katalog nicht erfasst (gewesen)", schrieb der Sachverständige in seiner Stellungnahme.
Davor warnte auch Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig von der Universität Kiel. "Dies würde die Sache einigermaßen bagatellisieren und kontraproduktiv wirken", so der frühere Bundesjustizminister und ergänzte: "Alle Grundrechte, Menschenrechte ebenso, gelten prinzipiell auch für Kinder." Dennoch sieht auch er das politische Signal, wenn sich Kinderrechte in irgendeiner Form im Grundgesetz wiederfinden. Deshalb schlug er eine Staatszielbestimmung im Artikel 6 vor. Diese könnte in seinen Augen wie folgt lauten: "Generell untersteht das Wohl des Kindes der besonderen Fürsorge des Staates."
Einem bloßes Verankern von Kinderrechten in der Verfassung stand er kritisch gegenüber: "Ein Hinschreiben ins Gesetzblatt alleine reicht nie. Täglicher Einsatz an der Vollzugsfront ist gefragt." Denn wichtig sei, was wirklich stattfindet. Dazu müssten Kinderrechte stärker im konkreten Recht vor Ort verankert sein. Mit einer polemischen Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz tue man sich keinen Gefallen. (ldi/21.02.2013)