Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Nach Ansicht von Marco Buschmann stellt die Strafprozessordnung im Prinzip sicher, dass polizeiliche Funkzellenabfragen bei Handys nicht massenhaft Unbeteiligte treffen. Ein Vorgang in Dresden im Jahr 2011, bei dem Zehntausende Bürger erfasst wurden, ist für den FDP-Obmann im Rechtsausschuss ein extremer Einzelfall, bei dem gegen die gesetzliche Vorschrift verstoßen worden sei. Der Rücktritt des Polizeipräsidenten signalisiere, so Buschmann im Interview, "dass eine Verletzung geltenden Rechts durch Behörden in unserem Rechtsstaat nicht akzeptiert wird". Am Freitag, 22. Februar 2013, debattiert der Bundestag über einen aus Anlass des Dresdner Falls von den Grünen vorgelegten Antrag (17/7033), der die Anwendung der Funkzellenabfrage mit Hilfe einer Ausweitung des Richtervorbehalts und der richterlichen Begründungspflicht bei der Anordnung einer solchen Maßnahme erschweren will. Das Interview im Wortlaut:
Wie das Beispiel Dresden zeigt, können von Funkzellenabfragen bei Handys durch die Polizei Zehntausende betroffen sein, die mit dem Anlass dieser Überwachungsmaßnahme gar nichts zu tun haben. Ist der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt?
Im Dresdner Fall ging die Polizei eindeutig zu weit. Daher ist der zuständige Polizeipräsident auch zurückgetreten. Funkzellenabfragen dürfen laut Strafprozessordnung nur bei Verdacht auf Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Dabei handelt es sich insbesondere um schwere Straftaten wie Mord oder Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats. Bei Verdacht auf solche Straftaten ist die Funkzellenabfrage angemessen. Wenn aber im Einzelfall zu viele Unbeteiligte betroffen sind, dann muss eine solche Maßnahme schon nach geltendem Recht eingeschränkt werden oder unterbleiben.
Die in Dresden über die Funkzellenabfrage ermittelten Daten wurden auch für Ermittlungsverfahren genutzt, derentwegen sie gar nicht erfasst wurden. Ein solches Vorgehen kann doch kaum legitim sein.
Das ist richtig, und im Prinzip darf nach geltendem Recht so etwas auch nicht geschehen. Die einzige Ausnahme bilden andere Ermittlungsverfahren, bei denen es ebenfalls um den Verdacht auf Straftaten von erheblicher Bedeutung geht. In solchen Fällen wäre ja auch eine eigene Funkzellenabfrage legal. Ein weitergehender Einsatz oder eine Verwendung etwa zur Ermittlung von Zeugen sind hingegen unzulässig.
Die Kritik, das Grundproblem liege in der zu weiten Fassung der geltenden gesetzlichen Regelung zur Funkzellenabfrage, scheint einiges für sich zu haben.
Das war auch mein erster spontaner Eindruck, als ich von den Vorgängen in Dresden erfuhr. Eine Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Bundestag kam jedoch zum Ergebnis, dass die Strafprozessordnung die Möglichkeit zur Anordnung einer Funkzellenabfrage in ausreichendem Maße einengt. Es kommt im Einzelfall auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme an. Der Vorgang in Dresden war ein extremer Einzelfall, bei dem teilweise rechtswidrig gehandelt wurde.
Sehen Sie Reformbedarf? Oder sollte man die aktuelle Regelung so belassen und vielleicht bei der praktischen Handhabung der Funkzellenabfrage Änderungen vornehmen?
Dresden hat eine breite Diskussion über die Funkzellenabfrage ausgelöst. Die nähere Prüfung hat indes ergeben, dass bei diesem Vorgang eben nicht die gesetzliche Vorschrift, sondern der Verstoß gegen geltendes Recht in einem Einzelfall das Problem war. Daher war der Rücktritt des Polizeipräsidenten richtig und signalisiert, dass eine Verletzung geltenden Rechts durch Behörden in unserem Rechtsstaat nicht akzeptiert wird.
Die Grünen wollen die Anwendung der Funkzellenabfrage erschweren und dazu den Richtervorbehalt sowie die richterliche Begründungspflicht bei der Anordnung einer solchen Maßnahme ausweiten. Eine gute Idee?
Bei den Vorschlägen der Grünen kann ich keine substanzielle Verbesserung erkennen. Schon heute unterliegt die Funkzellenabfrage dem Richtervorbehalt. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem mehrfach klargestellt, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung richterlicher Beschlüsse zu stellen sind. Insofern muss jedem Richter klar sein, was er zu prüfen hat und welche Ausführungen er zu seiner Entscheidung zu machen hat.
Wie würden Sie persönlich reagieren, wenn Sie erfahren würden, dass Ihr Handy im Zuge einer Funkzellenabfrage erfasst wurde?
Ich wäre natürlich skeptisch und würde mich fragen, warum ich als unschuldiger Bürger von einer solchen Ermittlungsmaßnahme erfasst werde. Daher würde ich wahrscheinlich prüfen lassen, ob dies mit rechten Dingen zuging.
(kos/15.02.2013)