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Die Oppositionsfraktionen haben der Koalition vorgeworfen, die Finanzmarktregulierung nur halbherzig anzugehen. Dagegen meinte der CDU/CSU-Finanzexperte Ralph Brinkhaus am Donnerstag, 21. Februar 2013, bei der ersten Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz, 17/12294): "Wir werden damit Rechtsgeschichte schreiben."
Beim AIFM-Umsetzungsgesetz handelt es sich nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk (CDU/CSU), um ein neues Kapitalanlagegesetzbuch, mit dem sämtliche Arten von Investmentfonds und deren Verwalter einer Finanzaufsicht unterstellt werden sollen. Koschyk erneuerte das Ziel der Bundesregierung, kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt dürfe unreguliert bleiben. Zugleich unternehme man einen weiteren Schritt zur Einengung des grauen Marktes.
"Mit großem Gestus" trete die Bundesregierung auf, aber in Wirklichkeit mache sie nichts anderes "als europäische Vorgaben umzusetzen, und die setzt man auch noch schlecht um", empörte sich Dr. Carsten Sieling (SPD). Die Regierung habe nach dem EU-Beschluss 20 Monate gebraucht, um das Gesetz vorzulegen. Man habe jetzt nur wenig Zeit zur Umsetzung, bedauerte er. Sieling verlangte, spekulative Elemente zu begrenzen und exzessive Gewinne zu verhindern. Dazu müsse die Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.
Es sei falsch, dass überwiegend Kleinanleger davon betroffen sein. 85 Prozent der betroffenen Umsätze würden Finanzinstitute untereinander machen. Da werde kein Kleinanleger betroffen sein. Ein Kleinanleger, der 10.000 Euro anlegen wolle, müsse zehn Euro Steuer bezahlen, aber die Gebühren der Banken und Fonds würden 200 Euro ausmachen können. Daran sehe man die "Dimension der Angstmacherei" der Koalition.
Björn Sänger (FDP) vereidigte den Entwurf als "wichtigen Schritt im Bereich Anlegerschutz". Andererseits sollte man sich vor dem Hintergrund der Bankenregulierung unter dem Stichwort Basel III vor Augen führen, "dass wir alternative Investmentformen möglicherweise stärker brauchen, um unsere Volkswirtschaft zu finanzieren".
Die Regulierung müsse daher die Risiken eindämmen, gleichzeitig aber Investments ermöglichen. Zur Debatte um geschlossene Fonds sagte Sänger, dies sei kein Segment für Kleinanleger. Dagegen seien offene Immobilienfonds ein wichtiges und wertvolles Anlageinstrument gerade für Kleinanleger. Den Kleinsparern müsse dieses Segment erhalten bleiben.
Die Koalition lege ein "dürftiges Gesetz" vor, das sie als Meilenstein der Finanzmarktregulierung zu verkaufen versuche, empörte sich Dr. Axel Troost (Die Linke). Ziel der Hedgefonds und Private Equity Fonds sei es, möglichst viel Rendite zu machen. "Anders gesagt: Sie sind reine Melkkühe ohne volkswirtschaftlichen Nutzen", kritisierte Troost. Diese Fonds würden die Finanzstabilität bedrohen.
Hedgefonds hätten das rapide Wachstum der Märkte der toxischen Wertpapiere befeuert, bis 2008 die Immobilienblase geplatzt sei. Deshalb müssten diese Fonds schärfer reguliert werden, forderte Troost, der der Koalition eine zu schwache Gesetzgebung unterstellte.
Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an die jüngste Durchsuchung bei einem Fondsunternehmen, das in angeblich sichere Immobilien investiert habe, wo aber nun der Verdacht auf ein Schneeballsystem bestehe. Der Schaden für mehrere tausend Anleger liege wohl im dreistelligen Millionenbereich. Es zeige sich hier wieder, dass Anleger glaubten, in sichere Anlagen zu investieren, aber die Gelder in Wirklichkeit woanders landen würden.
Der Finanzmarkt müsse daher "möglichst sicher" gestaltet werden, verlangte Schick. Geschlossene Fonds hätten sich zum gängigen Anlageprodukt entwickelt. Aber Anleger hätten oft ein finanzielles Desaster erlebt: "Bei den geschlossenen Immobilienfonds waren die Immobilien oft in baufälligem Zustand." Es gehe um Vernichtung von Anlegergeldern "in immenser Höhe".
Brinkhaus widersprach unter Hinweis auf die zahlreichen Regulierungsmaßnahmen der Koalition: "Keine Bundesregierung hat so viel an den Finanzmärkten reguliert wie die christlich-liberale Koalition. Niemals ist so viel geregelt worden wie in den letzten dreieinhalb Jahren."
Auch die Finanztransaktionssteuer werde es geben. Sie werde hilfreich sein, aber bei Weitem nicht so viel bringen wie sich die Opposition davon verspreche: Dass gleichzeitig die Finanzmärkte stabilisiert und auf der anderen Seite so viele Einnahmen generiert würden, dass wahlweise die Armut in dieser Welt, der Hunger, der Klimawandel und die Staatsverschuldung bekämpft werden könnten.
Der Entwurf wurde nach der einstündigen Debatte an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Ein wichtiger Einzelpunkt ist das Verbot von Hedgefonds für Privatanleger. Damit sollen Kleinanleger vor besonders risikoreichen Anlagen geschützt werden. Mit dem AIFM-Umsetzungsgesetz wird auch auf die Lage bei offenen Immobilienfonds reagiert, die zum Teil mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und geschlossen werden mussten, weil zu viele Anleger ihre Anteile zurückgeben wollten.
In Zukunft sollen Anteile an offenen Immobilienfonds nur noch einmal im Jahr zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgegeben werden können. Dem Anleger müsse bewusst sein, dass er in eine langfristige Anlage mit illiquiden Vermögensgegenständen investiere. Auch Publikumsfonds werden Anlagebeschränkungen unterworfen.
Bei geschlossenen Fonds, die in Unternehmensbeteiligungen wie zum Beispiel Immobilien oder Schiffe investieren, soll es Änderungen geben. Wie bei offenen Fonds wird künftig auch bei den geschlossenen Fonds eine Risikomischung der Investitionen gefordert. Erst bei höheren Anlagesummen ab 20.000 Euro kann von dieser Regelung abgewichen werden. Die Möglichkeit der Kreditaufnahme durch geschlossene Fonds wird begrenzt. Durch die umfassende Regelung der geschlossenen Fonds werde der graue Kapitalmarkt weiter verengt, erwartet die Bundesregierung.
Die erweiterte Regulierung betrifft alternative Investmentfonds wie Private Equity Fonds, deren Verwalter einer Zulassungspflicht und einer dauerhaften Aufsicht unterworfen werden. Fondsverwalter müssen ein angemessenes Risiko- und Liquiditätsmanagement einrichten, über besondere Sachkenntnis, Erfahrung und Zuverlässigkeit verfügen. Sie haben außerdem umfangreiche Berichtspflichten gegenüber der Finanzaufsicht. Auch für Manager von Hedgefonds gelten besondere Transparenzpflichten. (hle/21.02.2013)