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Die Erwerbsquote von Frauen soll nicht zuletzt wegen des demografischen Wandels und der damit verbundenen Reduzierung der Zahl von Arbeitskräften ausgebaut werden. Dieses Ziel gehört zu den zentralen Forderungen des am Montag, 18. März 2013, von der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" einstimmig verabschiedeten Konzepts über eine am Prinzip der Nachhaltigkeit geprägte Arbeitswelt. Zu diesem Zweck soll der betriebliche Alltag stärker an der Notwendigkeit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgerichtet werden.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern soll auch ein Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung. Kritisiert wird in dem Bericht, der von der Projektgruppe "Arbeitswelt, Konsumverhalten und Lebensstile" unter Leitung von Sabine Leidig (Die Linke) vorgelegt wurde, der "Mangel an Ganztagsbetreuung". Die Enquete-Kommission verlangt eine Ausweitung der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren sowie eines Erweiterung des Angebots an Ganztagsschulen und Horten.
Um die Arbeitswelt zukunftsfähig zu gestalten, ist aus Sicht des Bundestagsgremiums die Verbesserung von Bildung und Ausbildung nötig, die den Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit stärker als bislang integrieren müsse. Das von den 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftlern unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) beschlossene Papier richtet den Aufruf an die Politik, in Zukunft eine intensive Debatte über eine am Grundsatz der Nachhaltigkeit orientierte Arbeitswelt zu führen, und will mit ihren Analysen eine fundierte Basis für diese Diskussion liefern.
Angesichts der politischen Gegensätze zwischen den Fraktionen war jedoch ein Konsens über konkrete Forderungen wie etwa der Appell zur Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen nur in wenigen Fällen möglich.
Hätte man Fragen wie etwa Mindestlöhne oder die Ausgestaltung der Mitbestimmung näher diskutiert, so Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) als stellvertretender Vorsitzender der Kommission, dann wären Konflikte aufgebrochen, "und das hätte uns nicht gut getan". Der verabschiedete Bericht präsentiert drei unterschiedliche Modelle einer "zukunftsfähigen Arbeit", an denen sich die Debatte künftig orientieren soll.
Der erste Entwurf, der vor allem Union und FDP zuzuordnen ist, hält vor dem Hintergrund von demografischem Wandel, Globalisierung und Fachkräftemangel eine Ausdehnung der Erwerbsarbeit etwa durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit für nötig und plädiert auch für Flexibilisierung im Berufsleben.
Die SPD favorisiert das zweite Konzept, das auf "Vollbeschäftigung in qualitativ hochwertiger Arbeit" zielt, eine Ausweitung des gesamten Arbeitsvolumens ablehnt und eine ausgeglichnere Verteilung der Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen befürwortet. Anklang besonders bei der Linken und bei den Grünen findet ein drittes Modell unter dem Motto "Das Ganze der Arbeit zukunftsfähig gestalten": Dieser Entwurf will unter anderem unbezahlte Tätigkeiten wie bürgerschaftliches Engagement oder soziale Sorgearbeit stärker in den Begriff von Erwerbsarbeit integrieren.
Vor der Verabschiedung des Berichts von Leidigs Projektgruppe, der auch Vorschläge für eine nachhaltige Ausrichtung des Konsumverhaltens und von Lebensstilen macht, wurde in der Debatte auch Kritik laut. So bedauerte der Sachverständige Prof. Dr. André Habisch, dass die drei Konzepte über eine "zukunftsfähige Arbeit" letztlich einfach nur als verschiedene Alternativen präsentiert werden.
Der Sachverständige Dr. Norbert Reuter von der Gewerkschaft Verdi monierte, dass sich im Text nichts Konkretes zum Mindestlohn finde, "einem gesellschaftlichen Thema ersten Ranges". In der Tat heißt es in dem Bericht nur knapp, die Frage von Lohnuntergrenzen sei debattiert worden, "ohne allerdings neue Befunde und Erkenntnisse zu ergeben".
Der Sachverständige Dietmar Hexel vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, das Papier setze sich nicht mit dem Problem auseinander, dass viele Arbeitnehmer nicht von ihrer Berufstätigkeit leben könnten und arm blieben. Hexel beklagte zudem, dass Konzepte zur Mitbestimmung nicht näher erläutert würden.
Zum Auftakt der Beratungen hatte Projektgruppenleiterin Sabine Leidig dazu aufgerufen, Entwicklungen intensiver zu fördern, die in diese Richtung zielen. Im Abschlussbericht von Leidigs Team finden sich unter anderem die Forderung nach einer Verbesserung der Produktinformation, nach einer Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und im Verkehr nach einem Ausbau des Carsharings.
Leidig nannte drei wesentliche Ziele einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Politik. Den Berufstätigen solle die Ausübung einer "qualitativ hochwertigen Arbeit" ermöglicht werden. Alle Verbraucher müssten die Chance haben, einen nachhaltigen Konsum zu praktizieren.
Schließlich sollten allen Bürgern "attraktive Lebensstile" ermöglicht werden, die allerdings die Belange anderer nicht beeinträchtigten dürften, etwa kommender Generationen oder der Bewohner von Entwicklungsländern. Leidig räumte ein, dass die Entscheidung über Lebensstile eine individuelle Angelegenheit sei, auf deren Ausprägung der Staat aber über die Schaffung von Rahmenbedingungen Einfluss nehme.
Die Projektgruppe plädiert für die Einberufung eines Runden Tisches, der über Selbstverpflichtungen der Beteiligten bis 2025 eine Halbierung der Lebensmittelverluste erreichen soll. Aufklärungsarbeit der Regierung soll dazu beitragen, die Entscheidung der Verbraucher für "saisonale Produkte und fair gehandelte Produkte" zu befördern.
Positiv bewertet werden in dem Papier "veränderte Ernährungsgewohnheiten", vor allem durch "geringere Anteile tierischer Produkte". Indirekt wird für eine Verteuerung von Fleisch plädiert, indem etwa auf die Möglichkeit verwiesen wird, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Fleischprodukte aufzuheben.
Verkehrspolitisch plädiert Leidigs Team für die Stärkung des Carsharings, so durch eine Bevorzugung solcher Fahrzeuge bei Parkplätzen. Zudem sei denkbar, dass neben dem öffentlichen Personennahverkehr auch solche Autos verkehrsberuhigte Zonen nutzen. Fahrzeuge mit ökologischem Antriebssystem könnten über Sonderfahrspuren privilegiert werden. Der Bericht spricht sich auch dafür aus, die Entfernungspauschale neu zu regeln, ohne dies allerdings zu präzisieren.
Um den Konsum nachhaltiger zu gestalten, solle dieses Thema stärker in die Lehrpläne von Schulen integriert werden. An die Unternehmen appelliert die Projektgruppe, nachhaltigere Produkte zu entwickeln und deren Reparatur- und Recyclingmöglichkeiten zu erweitern. Gefördert werden solle eine kritische Debatte über das Konsumverhalten. (kos/19.03.2013)