Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die Bundesregierung möchte die Regeln zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft bundesweit einheitlich gestalten und festschreiben. Mit der im Kabinett beschlossenen Bundeskompensationsverordnung sorge die Koalition für ein "effektiveres, transparenteres Ausgleichsverfahren" sowie "qualitativ bessere Kompensationen", so Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der die Kernpunkte der Verordnung in der etwa 40-minütigen Regierungsbefragung am Mittwoch, 24. April 2013, vorstellte. "Damit leisten wir einen Beitrag zu einer naturverträglichen Energiewende", sagte Altmaier.
Eine bundeseinheitliche Regelung von Kompensationen sei gerade vor dem Hintergrund der Energiewende dringend geboten: "Der Ausbau von Windkraftanlagen und Hochenergie-Freileitungen hat große Auswirkungen auf Tiere und Natur, außerdem erhöht er den Druck auf bislang land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen", sagte der Umweltminister. Doch ohne Eingriffe sei die Energiewende nicht zu bewerkstelligen.
Bis um 50 Prozent werde allein der Ausbau von Windanlagen an Land in diesem Jahr zunehmen. Auch der Ausbau der Leitungen werde bald beginnen, so Altmaier. Daher brauche es dringend eine bundeseinheitliche Kompensationsverordnung, damit nicht beim Bau einer Leitung quer durch das Land viele unterschiedliche Erlässe, Normen oder Vorschriften zum Tragen kämen.
Ziel des unter der Federführung seines Ministeriums zusammen mit dem Bundesverkehrs- sowie mit dem Landwirtschaftsministerium erarbeiteten Verordnungsentwurfs sei es daher, Ansprüche und Kompensationen zu standardisieren, sagte der CDU-Politiker. Damit sollen die Voraussetzung geschaffen werden, den Vollzug der Eingriffsregelung gemäß des 2009 novellierten Bundesnaturschutzgesetzes in Deutschland wirksam und für alle Bundesländer einheitlich zu gestalten. Noch vor der Sommerpause solle die Verordnung in Bundestag und Bundesrat "hoffentlich" verabschiedet werden, sagte Altmaier zum Schluss seiner Vorstellung, bevor er sich den Fragen der Abgeordneten widmete.
Dr. Matthias Miersch, umweltpolitischer Sprecher der SPD, wollte wissen, wie der Umweltminister beurteile, dass Bayern gerade erst eigene Regeln beschlossen habe. "Wie sehen Sie das, gerade vor dem Hintergrund der Wichtigkeit bundeseinheitlicher Regeln?" Altmaier sagte, Bund und Länder seien sich grundsätzlich einig in der Auffassung, dass es einheitlicher Regeln bedürfe. Insofern sehe er es als einen "Wettbewerb" zwischen Bund und dem Land Bayern, "wer als erster fertig ist". "Ich hoffe aber, dass unser Vorschlag die Mehrheit findet."
Alexander Süßmair, Sprecher für den ländlichen Raum und Beauftragter für Tierschutz der Fraktion Die Linke, erkundigte sich, ob der Verordnungsentwurf auch Forderungen der Umweltverbände nach "multifunktionalem Ausgleich" berücksichtige. "Wird das künftig noch möglich sein?" Diese Frage bejahte der Minister: "Ich gehe davon aus."
Undine Kurth, Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für Umwelt- und Tierschutz, begrüßte ausdrücklich den Entwurf zu einer bundesweit einheitlichen Kompensationsverordnung. "Bislang war das doch sehr schwierig." Kurth äußerte allerdings Bedenken, dass geplant sei, Abweichungen zur Beurteilung von Biotopen zuzulassen. "Wird das nicht die Einheitlichkeit wieder gefährden, wenn jedes Land solche Abweichungsmöglichkeiten hat?"
Diese Gefahr sah der Umweltminister nicht: "Wir mussten die Balance finden zwischen der Notwendigkeit für einheitliche Regeln und der Rücksicht auf spezifische Probleme vor Ort", erklärte er. In der Verordnung werde es einen "abweichungsfreien Kernbereich" geben und eben einzelne Abweichungsmöglichkeiten. "Das halte ich auch für richtig", bekräftigte Altmaier. Er geht zudem davon aus, dass sich "gute Lösungen" in Zukunft durchsetzen und die "Gleichförmigkeit" zunehmen werde.
Hans-Michael Goldmann, tierschutzpolitischer Sprecher der FDP und Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hingegen kritisierte insbesondere die Pläne zur Kompensation von landwirtschaftlichen Flächen: "Ist das nicht an der Grenze des Entsetzens, was wir hier machen?", fragte er. "Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, wie viele Flächen für den Ausbau der regenerativen Energien gebraucht werden?"
Altmaier wies den Vorwurf zurück: "Wir teilen sicher viele gemeinsame Auffassungen – aber ihr Entsetzen teile ich nicht." Mancher Flächenverbrauch gehe zudem auch auf Forderungen der FDP zurück.
"Viele Landwirte übernehmen auch gern die Funktion des Energiewirts." Dann müssten sie aber auch bereit sein, "verbrannte Flächen" für Maßnahmen zur Entsiegelung und Wiedervernetzung freizugeben. (sas/24.04.2013)