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Beim Streit um ein NPD-Verbot hat Daniela Kolbe (SPD), Mitglied des Innenausschusses des Bundestages, die Haltung des Bundestags kritisiert, keinen gemeinsamen Verbotsantrag vorzulegen. "Die ablehnende Haltung in der Bundesregierung hat ein Stück weit dazu geführt, dass tatsächlich der Verbotsantrag der Länderkammer geschwächt dasteht", sagt sie in einem am Montag, 29. April 2013, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament". Man müsse daran erinnern, dass der Verbotsantrag im Bundesrat mit einer breiten Mehrheit von 15 Ländern beschlossen worden sei. Das Interview im Wortlaut:
Der Bundestag hat die Forderung Ihrer Fraktion abgelehnt, einen eigenen NPD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Wieso hat die SPD überhaupt ein Votum des Parlaments in dieser Frage gefordert, obwohl absehbar war, dass ihr Antrag keine Mehrheit hat?
Als SPD finden wir es wichtig, dass sich der Bundestag in dieser Frage positioniert. Wir sind eines von drei Verfassungsorganen, die einen Verbotsantrag stellen können, und hatten uns als einziges dieser drei Organe noch nicht positioniert. Wir als Sozialdemokraten tun gut daran, hier eine feste Haltung einzunehmen und damit klare Kante zu zeigen.
Schwächt es nicht den Bundesratsvorstoß zum NPD-Verbot, wenn sich weder Bundesregierung noch das Parlament der Länderkammer anschließen?
Die Gesamtsituation ist jetzt mehr als bedauerlich. Denn die ablehnende Haltung in der Bundesregierung hat ein Stück weit dazu geführt, dass tatsächlich der Verbotsantrag der Länderkammer geschwächt dasteht. Ich finde es allerdings wichtig, nochmals daran zu erinnern, mit welcher breiten Mehrheit der Verbotsantrag im Bundesrat gefällt wurde – 15 Länder haben ihm zugestimmt und das 16. hat sich enthalten.
Was sind für Sie die stichhaltigsten Gründe für ein NPD-Verbot?
Aus meiner Sicht geht von der NPD eine klare Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und für bestimmte Bevölkerungsgruppen in bestimmten Regionen aus. Ich sehe im Umfeld meines eigenen Wahlkreises eine manifeste Bedrohung – körperliche Bedrohung für Menschen mit Migrationshintergrund oder mit anderen politischen Einstellungen, aber auch Bedrohung von Eigentum. Grundlage dafür ist die enge Vernetzung von NPD-Funktionären mit den "Freien Kameradschaften" von Neonazis. Eine solche Bedrohung möchte ich nicht stehenlassen und sehe in einem NPD-Verbotsantrag das geeignete Mittel, diese Strukturen zu zerschlagen.
Aber ein Verbot der Partei bedeutet doch nicht das Ende rechter Gewalt...
Dass sich das Problem des Rechtsextremismus damit nicht erledigt, ist klar. Ich komme aus Sachsen und sehe, wie sich die NPD dort als "Kümmerer-Partei" darstellt. Ihr ideologischer Kern wird dort damit für viele Menschen zur Normalität. Von dieser Kümmerer-Mentalität geht für mich noch eine weitere Bedrohung aus: dass sich menschenverachtende und teilweise volksverhetzende Inhalte in der Mitte der Gesellschaft normalisieren. Ich denke daher, ein Verbot ist mehr als geboten. Natürlich darf das nicht das einzige Mittel sein.
In der Be- oder Verurteilung der NPD sind sich alle Parteien einig. Haben Sie noch Verständnis für die Abgeordneten, die gegen das Verbot gestimmt haben?
Natürlich gibt es legitime Gründe, zu einer anderen Haltung zu kommen, also auch zu sagen, dass ein Verbotsantrag nicht klug oder politisch nicht der richtige Weg ist. Bedauerlich finde ich aber, dass im Parlament keine offene Meinungsbildung stattgefunden hat. Das halte ich angesichts der Bedrohung durch die NPD nicht für angemessen.
Bei der Bundestagswahl 2009 hat die NPD nur noch 1,5 Prozent erreicht. Kritiker des Verbots sagen, es sei aufgrund der geringen Wählerzahl nicht verhältnismäßig, die Partei zu verbieten. Und auch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat auf die hohen Hürden eines Parteienverbots hingewiesen...
Die Hürden sind hoch. Das ist auch gerechtfertigt, weil ein Verbot ein starker Eingriff in demokratische Rechte ist. Aber gerade gegen diese verstößt die NPD, weil sie sich nicht an die demokratischen Spielregeln hält. Im Gegenteil, sie will sie nutzen, um ein anderes Gesellschaftsmodell durchzusetzen. Die NPD ist immer noch in zwei Landesparlamenten vertreten und erzielt in bestimmten Regionen deutlich stärkere Ergebnisse – gerade auch auf kommunaler Ebene. Sie agiert damit innerhalb des demokratischen Systems und hat gleichzeitig Verbindungen zu gewaltbereiten Neonazi-Strukturen. Der Schutz durch die Parlamente und die Finanzierung durch den Steuerzahler sind dabei eine ungute Konstellation.
Übt nicht gerade ein mögliches Verbot einen besonderen Reiz auf bestimmte rechtsextreme Gruppen wie die Freien Kameradschaften aus und schafft eine Art Märtyrertum?
Ich glaube nicht an diese Märtyrerrolle. Die Frage ist doch, wie man es schafft, dass wir weniger aktive Neonazis in diesem Land haben, die Menschen bedrohen. Zentral ist für mich, die Zugänge zur NPD zu erschweren, so wie man sie auf Volksfesten oder bei Wahlkampfveranstaltungen findet. Ihr Angebot ist dort relativ niedrigschwellig. Darüber hinaus muss man aber auch mit Repressionen arbeiten. Wenn Nazis ständig einen Druck spüren, dass Organisationen beschnitten, Konzerte aufgelöst und Demonstrationen eng geführt werden, sieht man, dass sich auch ihre Aktivitäten verringern.
Wie groß ist die Gefahr, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein von Karlsruhe verhängtes NPD-Verbot wieder einkassiert?
Die Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs ist natürlich nicht vorhersehbar, weil er eine andere Tradition der Rechtsprechung hat, was Parteienverbote angeht. Ich bin gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht mit dieser Sachlage umgeht. Ich fände es gut, wenn die Karlsruher Richter erst prüfen, inwieweit eine Entscheidung vor europäischen Gerichten Bestand hätte.
Kritiker sagen ohnedies, eine Demokratie sollte sich mit Argumenten und nicht mit Verboten verteidigen?
Mit Neonazis ist ein parlamentarischer Diskurs nicht möglich, weil sie mit anderen Spielregeln spielen. Sie versuchen die Demokratie für sich zu nutzen, um sie zu unterwandern und zu destabilisieren. Wichtig ist die Debatte innerhalb der Gesellschaft. Das bedeutet, Menschen stark zu machen, sich mit solchen Phänomenen auseinanderzusetzen.
Anfang April musste die NPD die Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle entlassen. Hoffen Sie, dass die NPD schlicht pleitegeht und sich das Problem auf diese Weise löst?
Wenn darüber eine weitere Marginalisierung der Partei stattfindet, fände ich das gut. Wenn es sich aber nicht von alleine erledigt, fände ich es wichtig, dass das Signal von staatlicher Seite ausgeht.
Die NPD ist seit 2004 im sächsischen Landtag. Wie hat sich die Partei dort entwickelt?
Es ist ein Abwärtstrend zu erkennen, aber es ist nicht ausgemacht, dass das immer so weitergeht. Von Seiten der NPD-Fraktion gibt es immer wieder massive Provokationen im Landtag. Wir sehen auch, dass in dieser Fraktion sehr viele organisierte und einschlägig bekannte Neonazis in Lohn und Brot stehen.
Auch wenn es zum Verbot der NPD käme, wäre das Problem des Rechtsextremismus nicht vom Tisch. Was ist für die Bekämpfung des Rechtsextremismus besonders wichtig?
Wenn man den gewaltbereiten Rechtsextremismus, die Neonazis, bekämpfen möchte, kommt es darauf an, dass man stark auf repressive Mittel setzt und die Polizeipräsenz in den entsprechenden Gebieten stärkt. Es geht darum, die Räume einzuschränken, in denen sie sich bewegen können. Der Staat muss außerdem eine vernünftige Jugendarbeit anbieten und sich nicht immer zurückziehen und den Nazis damit wieder neue Freiräume lassen. Außerdem brauchen wir eine Zivilgesellschaft, die unterstützt und nicht wie durch die Extremismusklausel gegängelt wird.
(as/sto/29.04.2013)