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Das von der Koalition geplante Präventionsgesetz (17/13080) stößt bei Experten am Mittwoch, 15. Mai 2013, auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich begrüßten sie in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD) die Anstrengungen, Präventionsleistungen auszubauen. Für besondere Kritik aber sorgten Pläne zur Finanzierung der Leistungen, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung künftig erbringen soll.
Der Einzelsachverständige Ulf Fink, ehemaliger Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin, lobte die Pläne von Union und FDP: In den vergangenen zehn Jahren habe es viele vergebliche Versuche gegeben, die Prävention zu stärken. Trotz vieler Proklamationen habe es aber keine konkreten Wirkungen gegeben.
Besonders positiv hob er hervor, dass die Krankenkassen 150 bis 180 Millionen Euro mehr als bisher für Prävention aufwenden sollen, dies sei "ein höchst erfreuliches Signal". Die geplante Ständige Präventionskonferenz sei "von besonderer Bedeutung", um das gemeinsame Handeln aller Akteure auf diesem Themenfeld weiterzuentwickeln.
Für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) stellte Gernot Kiefer fest, die Konferenz könne ein geeignetes Instrument sein, um dem Thema zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, es müsse aber die entsprechende Arbeitsweise gewählt werden.
Auch Dr. Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband betonte, wichtig sei, was sich in der Realität verändere. Sie betonte, es reiche nicht aus, die Akteure auf Bundesebene zu vernetzen. Deren Arbeit müsse auch mit der regionalen Arbeit in den Bundesländern verknüpft werden.
Deutliche Kritik am Gesetzentwurf übte für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Prof. Dr. Rolf Rosenbrock: Er lasse gewachsene Strukturen vollkommen außer acht und entspreche in keiner Weise den gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Zudem sei das gewählte Präventionsmodell "verengt", weil es lediglich auf Verhaltensänderungen im Hinblick auf den Einzelnen setze. Dies sei "völlig unplausibel" im Bereich der sozial Benachteiligten; da gehe es um strukturelle Veränderungen.
Zudem vernachlässige der Entwurf die Prävention in den Lebenswelten, die nur als "Interventionsorte" angesehen würden. Die "Essenz des Lebenswelten-Ansatzes" aber gehe immer mit Partizipation und Strukturveränderung einher – hier werde einem "großen Etikettenschwindel" Vorschub geleistet.
Dem stimmte für den Deutschen Hausärzteverband Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow zu und ergänzte, es sei "sehr befremdlich", dass mit der entsprechenden Kommission beim GKV-Spitzenverband ein Gremium abgeschafft werden solle, das "13 Jahre erfolgreich gearbeitet" habe.
Auf besondere Kritik stieß das Vorhaben der Koalition, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Mittel der Krankenkassen zuzuweisen, damit sie kassenübergreifend Leistungen zur primären Prävention durchführen kann. Das, so Gernot Kiefer, sei "ordnungspolitisch völlig verfehlt". Dass ein Sozialversicherungsträger finanzielle Mittel "für nicht klar definierte Ziele" an eine nachgeordnete Bundesbehörde zur Verfügung stellen müsse, sei "ausgesprochen fragwürdig" – die Regelung gehe "völlig in die falsche Richtung".
Es sei zweifelhaft, dass die Bundeszentrale "in jedem Fall ein geeigneter Partner" sein könne. Auch Ulrich Mohr vom Verband der Ersatzkassen formulierte rechtliche Bedenken. Es sei nicht klar, warum in vielen Bereichen das Vergaberecht angewandt werde und hier "Millionenbeträge an einen gesetzlich vorgeschriebenen Anbieter" fließen sollten.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sagte Anne Scholz, dies sei ein "Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen", die selbst über die Verwendung ihrer Beiträge entscheiden sollten. (suk/15.05.2013)