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Konstantin von Notz macht auf das Schicksal des kubanischen Bloggers Antonio Rodiles aufmerksam. © DBT/Photothek.net
Der eine ist studierter Physiker und Blogger und landete im November 2012 in Haft: Antonio Rodiles. Der andere ist Anwalt und Abgeordneter des Bundestages: Dr. Konstantin von Notz. Ein verfolgter kubanischer Netzaktivist und ein deutscher Netzpolitiker – da verwundert es nicht, dass von Notz im Februar 2013 eine Patenschaft für Rodiles übernommen hat. Damit ist der innen- und netzpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen einer von über 40 Abgeordneten, die sich im Rahmen des bundestagseigenen Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" für bedrohte und inhaftierte Politiker und Menschenrechtsaktivisten einsetzen.
"Aufmerksam gemacht hat mich auf das Programm Tom Koenigs, der Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist", erinnert sich von Notz. Und weil der 42-Jährige nur zu gut um Repressionen weiß, der Menschen ausgesetzt sein können, die über Weblogs oder den Textnachrichtendienst Twitter in autoritären Regimen ihre Meinung sagen, entschied er sich schnell zu handeln und für Antonio Rodiles offiziell eine Patenschaft zu übernehmen.
"Kuba wird gern idealisiert. Dabei übersehen aber viele, dass auch dort die Meinungsfreiheit bedroht ist – und mit ihr diejenigen, die ihre Meinung öffentlich sagen", sagt von Notz. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" zähle nicht umsonst die kubanische Regierung regelmäßig zu den "Feinden der Pressefreiheit".
Bedroht ist auch Antonio Rodiles: Der 42-Jährige Kubaner gehört zu den international bekanntesten Dissidenten im karibischen Inselstaat und hat mit seiner 2010 gegründeten Internetseite "Estado de Sats" auch international für Aufmerksamkeit gesorgt, weil dort in Video-Interviews und –Diskussionen Regimekritiker zu Sprache kommen.
In Kuba, wo das Internet kontrolliert und der Zugang zudem sehr teuer ist, verbreiten sich die Videoclips dennoch – wenn auch auf ungewöhnlichen Wegen: Die Menschen gaben sie per USB-Stick weiter.
Schon der Name des Internetprojekts ist Programm: "Estado de Sats" (im Anlauf zum Sprung sein) ist eigentlich eine aus dem Schwedischen übernommene Formulierung, die im Theater gebräuchlich ist, um den Moment der Konzentration vor der eigentlichen Bewegung zu beschreiben. Das Ziel ist der Website ist damit klar: Ein Forum bieten für politisch Andersdenkende, Diskussion anstoßen – und damit auch demokratische Veränderungen im kommunistischen Kuba.
Als Initiator der Initiative "Bürger fordern ein anderes Kuba" kämpft Rodiles zudem dafür, dass die Regierung unter Fidel Castros Bruder Raúl den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert, die das Land 2008 unterzeichnet hat.
Am 7. November 2012 jedoch nahm die Polizei Antonio Rodiles auf offener Straße fest. Sein Vergehen, so schilderte es Amnesty International in einem Aufruf zu einer Eilaktion am 15. November: Er habe zusammen mit seiner Frau und anderen Regierungskritikern gegen die plötzliche Inhaftierung der Journalistin und Anwältin Yaremis Flores demonstriert und sei daraufhin von Polizisten auf den Boden geworfen, geschlagen und abtransportiert worden.
Der Vorwurf: Widerstand gegen die Staatsgewalt. Mehr als drei Wochen später gelangte Rodiles zwar wieder auf freien Fuß, und von einer offiziellen Anklage sahen die Behörden ab – doch sie warnten den Blogger: Wenn er nicht seine Aktivitäten sofort einstelle, drohten ihm Anklage und Gefängnisstrafe.
Eine Gefahr, die Rodiles seitdem ernst zu nehmen scheint: Die Website "Estado des Sats" ist zwar weiterhin online, doch Konstantin von Notz hat Veränderungen bemerkt: "Es ist offensichtlich, dass seit den Repressionen die Aktivitäten auf der Seite abgenommen haben."
Hinter den Kulissen bleibt Rodiles dennoch aktiv: Im Mai berichtete der "Miami Herald" etwa von einem Besuch in Florida, wo er den Schulterschluss mit Exil-Kubanern suchte, um den Demokratisierungsprozess in Kuba voranzutreiben. Wenige Wochen später nahm Rodiles in Stockholm an dem Netzaktivistentreffen "Internet Freedom für Global Change" teil, schreibt Yoani Sanchez, die international bekannte kubanische Bloggerin, in der "Huffington Post".
Hat sich Rodiles Situation plötzlich entspannt? Sein Pate, der deutsche Abgeordnete von Notz, ist skeptisch: "Die kubanische Regierung hat schon öfters dem Treiben eine Weile zugeschaut und dann ein Zeichen gesetzt." Wie das Leben des Aktivisten in Kuba derzeit aussieht, weiß er nicht. "Die meisten Informationen beziehen wir über Amnesty International, denn noch konnte ich nicht direkt mit sprechen", sagt von Notz bedauernd.
Ein Telefonat oder eine Skype-Schaltung zu organisieren, sei bislang noch nicht möglich gewesen. Er will es weiter versuchen. Bis es soweit ist, nutzt der Grünen-Politiker offizielle Kontakte – zum Beispiel zum kubanischen Botschafter in Deutschland, Becerra Egana: In einem Schreiben an ihn Ende Juni fordert von Notz Informationen über Rodiles‘ Fall und mahnt die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten an. "Ich möchte der kubanischen Regierung so signalisieren, dass wir die Entwicklung um ihn aufmerksam verfolgen."
Um Netzaktivisten zu schützen und die Meinungsfreiheit im Internet zu stärken, fordert von Notz vor allem, Exporte von Überwachungs-und Zensursoftware stärker zu reglementieren: "Deutsche Unternehmen verkaufen solche Programme an schlimmste Regime, mit denen diese dann den demokratischen und oppositionellen Protest aushebeln und politisch Andersdenkende in die Folterkeller bringen können", empört sich der Abgeordnete.
Einen Verbotsantrag seiner Fraktion hat im Bundestag aber keine Mehrheit gefunden. "Die Bundeskanzlerin und der Außenminister betonen stets, dass sie die Demokratiebewegung unterstützen wollen. Mit einem solchen Verbot könnten sie ein wichtiges Zeichen setzen, das international Beachtung fände – aber sie setzen es nicht."
Von Notz hofft, dass er nach der Bundestagswahl in den Bundestag zurückkehren und die Patenschaft weiterführen kann: "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Trotz mancher Kritik – der Rahmen, in dem wir hier in Deutschland Politik machen und unsere Meinung sagen können, ist ein Privileg." Dies sei auch Motivation, sich für Menschen wie Antonio Rodiles einzusetzen, deren Engagement für Demokratie und Menschenrechtemit ungleich höheren Risiken verbunden sei.
"Es ist gut, dass es "Parlamentarier schützen Parlamentarier" gibt. Solche Programme lenken die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, universelle Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit, auch international zu verteidigen. (sas/13.08.2013)