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Elf Jahre lang saß Ute Granold für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Zweimal zog sie über die Landesliste Rheinland-Pfalz ein, doch bei der letzten Bundestagswahl 2009 errang sie das Direktmandat ihres Wahlkreises Mainz-Bingen. Mit Ablauf dieser Legislaturperiode verlässt die 58-jährige Juristin den Bundestag und wird in Zukunft – neben zahlreichen anderen Aufgaben – vermutlich hin und wieder nach New York fliegen, denn dort lebt ihre erwachsene Tochter Susanne. Und diese hat im Oktober das erste Enkelkind der Politikerin auf die Welt gebracht – ein kleines Mädchen.
In all den Berliner Jahren hatte die Parlamentarierin, die seit über 40 Jahren Mitglied der CDU ist – sie trat schon als Schülerin 1972 in die Junge Union sowie in die CDU ein – mehrere anstrengende Jobs gleichzeitig. Jobs, die einzeln gesehen, bereits eine Vollzeitbeschäftigung sein könnten. Und so antwortet Ute Granold seit Bekanntgabe ihres Rückzugs aus dem Bundestag auf die sich wiederholende Frage nach einem eventuellen Ruhestand: "Wieso Ruhestand? Ich bin Anwältin, Bürgermeisterin und sitze seit vielen Jahren im Kreistag. Ich mache das alles weiter. Ich gehe nur nicht mehr nach Berlin, denn sechs Jahre im Landtag und elf Jahre in Berlin – das geht ganz schön an die Substanz. Ich habe hier wahnsinnig viel gearbeitet."
Schmunzelnd erzählt Ute Granold, dass man in Mainz zunächst nicht glauben wollte, dass sie wirklich aufhört. "Die haben das dort lange ignoriert. Bis ich gesagt habe: ‚Ich mache garantiert nicht mehr weiter. Fertig. Aus.‘ Dann haben sie es halt akzeptiert. Und es wird überall bedauert, was einem ja auch gut tut."
Neben dem Bundestagsmandat arbeitet die Politikerin seit über 30 Jahren als Rechtsanwältin für Familienrecht. Dieser Aufgabe in ihrer eigenen Kanzlei will sie sich jetzt wieder vermehrt widmen. Wenn Ute Granold davon spricht, spürt man, wie sehr die Arbeit sie umtreibt. "Ich hatte gerade eine Scheidung zwischen einer Frau aus Saudi-Arabien und einem Mann aus dem Jemen. Es ist schon sehr interessant, sich immer wieder auf etwas Neues einzustellen."
Als Frau aus der Praxis konnte sie ihre Erfahrungen im Rechtsausschuss des Bundestages perfekt einbringen. "Die Verknüpfung zwischen Praxis und Gesetzgebung ist immer wichtig", so Granold. "Wir machen Gesetze für die Menschen. Wenn diese Gesetze akzeptiert werden, sind es gute Gesetze. Und diese Gestaltung hat mir immer Spaß gemacht."
Als Lokal- und Landespolitikerin blickt Ute Granold auf eine langjährige Amtszeit zurück: Sie gehört seit 1984 dem Gemeinderat ihrer Heimatgemeinde Klein-Winternheim an, in den vergangenen 23 Jahren war sie sogar ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin. Auch an dieser Aufgabe wird sie nach dem Abschied aus Berlin festhalten. Dem Kreistag Mainz-Bingen gehört die Juristin seit 1994 an, und vor der Wahl in den Bundestag war sie von 1996 bis 2002 Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag.
Nebenbei zog die CDU-Politikerin zwei Kinder groß und engagierte sich unter anderem im Deutschen Anwaltsverein, im Deutschen Juristinnenbund, beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), im Kolpingwerk und in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
"Hier im Bundestag hat mich besonders die Vielfältigkeit der Aufgaben und die vielen Kontakte, die man knüpfen kann, beeindruckt", erzählt Ute Granold munter. "Ich war ja vorher im Landtag, aber das ist eine ganz andere Dimension hier. Man kann vor allem viel selbst gestalten. Man hat sehr viel Freiheiten, aber auch Verantwortung."
Die Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hinterlässt in Berlin ein besonderes Projekt: den Stephanuskreis. Dieser wurde im April 2010 auf Initiative der engagierten Katholikin innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegründet. Der Arbeitskreis trägt seinen Namen in Erinnerung an den ersten christlichen Märtyrer, dessen sowohl Katholiken als auch Protestanten gedenken. Der Kreis stellt die Religionsfreiheit ins Zentrum seiner Arbeit und widmet sich insbesondere der Lage verfolgter Christen in aller Welt.
Anstoß für diese außergewöhnliche Initiative war ein Gespräch mit einem syrischen Bischof in Damaskus, erzählt Ute Granold tief bewegt. Dieser habe resigniert gefragt: Wo ist denn die Solidarität der Christen, unserer Glaubensbrüder und -schwestern in Europa? Wir werden hier diskriminiert und umgebracht, und es gibt allenfalls eine kleine Notiz in der Zeitung. "Das hat mich sehr betroffen gemacht. Das fand ich schlimm", erinnert sich die Noch-Bundestagsabgeordnete.
"Ich habe dann überlegt, was man machen kann, und wir haben den Stephanuskreis gegründet." Seitdem läuft der Arbeitskreis. Jeden Monat kommt er zu einer Sitzung zusammen. Insgesamt waren es laut Granold, die Sprecherin des Kreises ist, bereits 27. "Der Parlamentskreis wird weiter bestehen". Da ist sich die engagierte Christin sicher. "Wir suchen noch einen Nachfolger, denn das ist eine Herzensangelegenheit von mir."
Der Gruppe haben sich bereits 58 Abgeordnete der Unionsfraktion angeschlossen, darunter auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, die ehemaligen Bundesminister Dr. Franz Josef Jung und Prof. Dr. Annette Schavan sowie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Jenseits der Ausschussarbeit bildet der Kreis ein überkonfessionelles Gremium, das allen Unionsabgeordneten, denen das Thema Religionsfreiheit besonders am Herzen liegt, offensteht. Die Initiativen des Arbeitskreises fließen dann auch in die parlamentarische Arbeit der Fraktion ein.
Zentrale Instrumente der Arbeit des Stephanuskreises sind persönliche Gespräche mit Betroffenen und Veranstaltungen, um die Öffentlichkeit stärker für das Thema Religionsfreiheit zu sensibilisieren. Der Kreis steht außerdem in regelmäßigem Kontakt zu den beiden großen Kirchen, christlichen Hilfswerken und Nichtregierungsorganisationen.
Doch auch nach ihrer Zeit im Bundestag wird Ute Granold das Thema Religionsfreiheit nicht loslassen. "Ich möchte dies außerhalb der Politik gerne fortführen und in meiner Heimatstadt Mainz einen Verein gründen, der sich mit dem Thema auseinandersetzt." Die Politikerin denkt dabei an "eine interreligiöse Gruppe, die sich das Thema ,Freiheit der Religion‘ setzt – egal ob Muslime, Christen oder welche Religion auch immer. Dafür kämpfen wir".
Doch zunächst geht es zum Großmutter-Dienst nach New York. Denn die Kleine ist nach Aussage von Ute Granold: "Ganz die Oma!" (ah/29.07.2013)