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Eine Wahl mit Rekorden – mit positiven, aber vor allem negativen. Die SPD verliert Stimmen im zweistelligen Prozentbereich – so viele Prozente hat noch nie eine Partei bei einer Bundestagswahl verloren. Die Unionsparteien müssen ihr zweitschlechtestes Ergebnis überhaupt hinnehmen. Gewinner der Bundestagswahl sind die kleineren Parteien, die FDP mit dem besten Ergebnis seit ihrem Bestehen. Und schließlich ist die Wahlbeteiligung im Jubiläumsjahr des deutschen Parlamentes historisch niedrig. Erstmals spielt der Online-Wahlkampf eine maßgebliche Rolle.
Am 27. September 2009 ist die zweite Große Koalition auf Bundesebene Geschichte. Trotzdem kann die wiedergewählte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der neuen, 17. Wahlperiode mit ihren Wunschpartnern CSU und FDP regieren. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt: "Kanzlerin von Guidos Gnaden." Denn dank des hervorragenden Ergebnisses der Liberalen kann das neue Regierungsbündnis Schwarz-Gelb heißen.
Der Kanzlerkandidat der SPD und Herausforderer von Amtsinhaberin Merkel war Dr. Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition. Laut Umfragen wurde von ihm in der Sache, wenn er Kanzler wäre, nicht viel anderes erwartet, doch im Detail galt die Kanzlerin als glaubwürdiger und durchsetzungsfähiger, um Deutschland aus der Finanz-und Wirtschaftskrise zu führen.
Selbst bei der sozialdemokratischen Wählerklientel kam er nicht überragend an. Analysen gehen von nur gut 20 Prozent Steinmeier-Anhänger unter den SPD-Wählern aus. Doch auch Wahlverweigerung bescherte der SPD diesen massiven Einbruch. An der niedrigen Wahlbeteiligung lässt sich ablesen, dass rund zwei Millionen potenzielle SPD-Wähler nicht zur Wahl gingen.
Die Union erzielt mit 33,8 Prozent der Zweitstimmen (minus 1,4 Prozent gegenüber 2005) ihr schwächstes Resultat nach 1949. Die SPD fällt mit 23 Prozent (minus 11,2) auf ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt.
Die kleinen Parteien sind in der Summe so stark wie noch nie in der bundesdeutschen Geschichte. Die FDP erreicht 14,6 Prozent, 4,7 Prozent mehr als bei der Wahl 2005, die Linkspartei erhält 11,9 Prozent der Zweitstimmen (plus 3,2 Prozent) und Grüne 10,7 Prozent (+2,6). Die CSU mit ihren 6,5 Prozent CSU verliert -0,9 Prozent der Zweitstimmen.
Rund 62,2 Millionen Bürger sind 2009 wahlberechtigt, aber nur etwa 44 Millionen geben ihre Stimme ab. Damit beträgt die Wahlbeteiligung 70,8 Prozent, knapp sieben Prozent weniger als bei der Bundestagswahl 2005, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern liegt sie sogar unter 63 Prozent.
Das ist die bisher geringste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl. Mehr als ein Fünftel der Wähler wählt per Briefwahl, auch diese Zahl war noch nie so hoch.
Insgesamt hatten sich 3.655 Kandidaten in den 299 Wahlkreisen und auf Landeslisten um einen Sitz im 17. Deutschen Bundestag beworben. 28 Parteien haben Kandidaten aufgestellt.
Die Union erhält 22 Überhangmandate. Von den 622 Sitzen im 17. Bundestag entfallen 204 auf Frauen. Im Durchschnitt ist ein Abgeordneter 49 Jahre.
Diese Wahl markiert einen historischen Tiefpunkt für die SPD. Die angestammte Wählerschaft der SPD straft ihre Partei immer noch für die Agenda 2010 ab. Fast zwei Drittel gaben in Umfragen an, die Sozialdemokraten hätten mit Hartz IV und der Rente mit 67 ihre Prinzipien aufgegeben. Sie verlieren in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen Stimmen, auch bei ihrer klassischen Klientel – den Arbeitern, Angestellten und Gewerkschaftsmitgliedern, aber auch bei den Jüngeren. Besonders die Linkspartei profitiert davon und gewinnt Arbeiter und Arbeitslose hinzu.
Die zentrale Stütze des Wahlsieges der CDU/CSU sind wieder die älteren Wähler. Höchste Stimmenanteile holten die Unionsparteien bei über 60-jährigen Frauen, Katholiken und Rentnern. Auch die SPD erzielt mit 28 Prozent bei den über 60-Jährigen noch ihr bestes Ergebnis.
Das wichtigste Thema in Deutschland ist immer noch die Arbeitslosigkeit. Für die Mehrheit steht es in Meinungsumfragen an erster Stelle, wobei die Wirtschaftslage und die Bankenkrise als politische Topthemen an Bedeutung seit 2005 gewonnen haben. Die Neuverschuldung der Bundesrepublik ist nach der 2008 einsetzenden globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 auf ihrem Höchststand seit 1949.
Mit dem großen Erfolg der kleineren Parteien setzt sich ein Basistrend fort, der laut Forschungsgruppe Wahlen von allen Parteien zukünftig mehr Flexibilität auf dem Koalitionsmarkt erfordert. Die drei kleinen Parteien kommen bei den Jüngeren besser an, so etwa die FDP bei jungen Männern, die Grünen bei jungen Frauen.
In den sechziger und siebziger Jahren kamen Unionsparteien und SPD noch auf 90 Prozent der abgegebenen Stimmen. 2002 entschieden sich 77 Prozent für die beiden großen Volksparteien. Bei der Wahl 2009 waren es noch knapp 57 Prozent. Viele Beobachter sehen schon das Ende der traditionellen Parteiendemokratie. Die Ursache liege in der Auflösung gesellschaftlicher Milieus und darin, dass dauerhafte Grundüberzeugungen schwinden.
Auch erwarteten immer mehr Bevölkerungsgruppen von den Volksparteien keine wirksame Politik gegen Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Für jüngere Menschen scheinen zudem politische Aktivitäten in sozialen Netzwerken attraktiver als die Großorganisation "Partei".
Im Vergleich zu vorherigen Wahlkämpfen hat sich der deutsche Online-Wahlkampf im Wahljahr 2009 modernisiert und professionalisiert. Die politischen Akteure nutzen Netzwerke für die Kommunikation mit den Bürgern, sie twitterten und stellten professionelle Videos ein. So warben mehrere Parteien größere Spenden über das Internet ein. Bei Plakatspendenaktionen konnten die Bürger über das Internet Standorte von Wahlplakaten bestimmen.
Geprägt war der Online-Wahlkampf 2009 zudem vom Phänomen der Piratenpartei und einer kontroversen netzpolitischen Debatte. 2006 gegründet, entwickeln sich die Piraten im Laufe des Wahljahres zu einer Größe im Online-Wahlkampf. Innerhalb weniger Monate treten mehrere Tausend Personen der Partei bei, ihre Mitgliederzahl wächst auf über 10.000 kurz vor der Bundestagswahl an.
Am Ende war das Internet nicht wahlentscheidend, aber es hat gezeigt, dass es immer bedeutender wird für die direkte Information, Interaktion und Mobilisierung. (sq/09.09.2013)