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Die Rolle der Trösterin blieb Kaziwa Qader am Wahlabend zu ihrem eigenen Erstaunen erspart. Als Teilnehmerin am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Bundestages für arabische Staaten erlebte die Kurdin aus dem Irak gemeinsam mit ihrem "Patenabgeordneten" Hagen Reinhold (FDP) in dessen Wahlkreis Rostock das Ende der FDP als Bundestagspartei. "Ich hatte schon gedacht, ich müsste ihn trösten", sagt sie. "Aber eigentlich haben es alle ganz gefasst aufgenommen und überlegt, wie es nun weitergehen könnte."
Für Kaziwa Qader geht das Leben nach dem Abschluss des vierwöchigen IPS-Programms in ihrer Heimat, der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, weiter. Die 28-jährige Bauingenieurin nimmt viele interessante Erfahrungen und Erkenntnisse mit nach Hause.
Unter anderem die Einsicht, dass es noch eine paar Jahre dauern wird, ehe in ihrem Heimatparlament über Rentenpolitik oder erneuerbare Energien diskutiert wird, wie es im Deutschen Bundestag an der Tagesordnung ist. "Wir haben derzeit noch viel größere Probleme und Sorgen", sagt sie. Gleichzeitig macht die Kurdin deutlich, dass die Situation im Nordirak eine andere ist als in Bagdad. "Bei uns im Kurdengebiet verläuft das Leben schon seit Jahren ganz normal und ruhig."
Die Sicherheitslage sei stabil, die Wirtschaft boome, sagt sie. "Es wird sehr viel gebaut, was für mich als Bauingenieurin natürlich gut ist." Bei der Berufswahl ist Kaziwa Qader in die Fußstapfen ihres Vaters, der selber Ingenieur ist, getreten. Genauso übrigens wie ihre Schwester, die Architektin ist und ihr Bruder, der ebenfalls als Ingenieur arbeitet.
Mögen die Perspektiven der Kurden im Irak derzeit auch positiv sein – unter Saddam Hussein war das ganz anders. "Wir konnten uns wirtschaftlich nicht weiterentwickeln, weil nur sehr wenig Geld aus Bagdad bei uns ankam", sagt sie.
Doch Saddam Hussein ging auch militärisch gegen die Kurden seines Landes vor. Da waren der Giftgasangriff im Jahre 1988 und der Angriff der irakischen Armee 1991. Damals flüchtete die Familie von Kaziwa Qader und kam 1997 nach Deutschland. "Ich habe hier mein Abitur gemacht", sagt die 28-Jährige, die hervorragend Deutsch spricht.
Nach Saddams Tod ging es 2004 zurück in die Heimat. "Das war für uns gar keine Frage", macht sie deutlich. "Wir Kurden haben vom Sturz Saddam Husseins besonders profitiert", sagt Kaziwa Qader und verweist auf die gute wirtschaftliche Entwicklung der Kurdenregion, des "Staates im Staat", wie sie sagt.
Sieht sie sich nun eigentlich eher als Kurdin oder als Irakerin? "Ich bin eine Kurdin aus dem Irak", stellt Kaziwa Qader klar.
Sind die Kurden also George Bush dankbar dafür, dass er diesen umstrittenen Krieg ohne UN-Mandat geführt hat? "Ja das waren wir", räumt sie ein. "Jetzt ist es aber an der Zeit, dass wir unser Land selber aufbauen." Die Amerikaner würden aber noch immer viele Veränderungen blockieren.
"Sie sind gar nicht daran interessiert, dass wir einen Frieden finden und sich die Lage stabilisiert", wirft sie den USA vor, die noch immer großen Einfluss im Land hätten, auch wenn sie ihre Soldaten 2011 abgezogen haben. "Sie haben es versäumt zu einer Befriedung im Land beizutragen. Auch zehn Jahre nach dem Sturz Saddams bringen sich Sunniten und Schiiten in Bagdad noch gegenseitig um", lautet ihr Fazit.
Warum kommen die verschiedenen ethnischen Gruppen im Land nicht miteinander klar? Das habe mit der geschichtlichen Entwicklung zu tun, meint sie. Unter Saddam Hussein wurden die Kurden ebenso wie die schiitische Mehrheit von den Sunniten unterdrückt. Jetzt seien die Schiiten der Meinung, als Mehrheit müssten sie das Land regieren.
Auch hier kommen wieder die USA ins Spiel. "Als Saddam weg war, hätte es eine Chance gegeben, das Problem zu lösen", sagt Kaziwa Qader. Doch hätten die Amerikaner einen großen Fehler gemacht, wie es inzwischen auch alle Iraker einschätzen würden. "Sie haben Sunniten, Schiiten und Kurden einzeln angesprochen, anstatt sie alle als Iraker zu behandeln."
So habe man mehr Wert auf die Rechte der einzelnen Gruppen gelegt, anstatt eine gemeinsame Verantwortung für das Land zu schaffen und zu einer Aussöhnung zu kommen.
Bei Letzterem helfen und zugleich für die Demokratie werben könnten aus ihrer Sicht auch die politischen Stiftungen Deutschlands, die sich im Rahmen des IPS-Programms den Stipendiaten vorgestellt haben. Allerdings: "Keine Einzige davon ist im Irak aktiv", bedauert Kaziwa Qader. Als Grund habe man ihr die unsichere Sicherheitslage genannt, sagt sie.
"Aber bei uns im Nordirak gibt es diese Probleme, die es in Bagdad noch gibt, nicht." Selbst das Auswärtige Amt – das grundsätzlich von Reisen in den Irak abrät – halte die Lage in der Kurdenregion für unproblematisch. "Die Stiftungen könnten eine wichtige Rollen bei der politischen Bildung der Menschen bei uns spielen", ist sie sich sicher.
Kaziwa Qader ist bereit dabei mitzuhelfen. "Es geht darum, den Jugendlichen die Augen zu öffnen", sagt sie und verweist auf das tradierte Wahlverhalten in ihrer Heimat. "Oft wird nach Tradition gewählt. Nach dem Motto: Das hat mein Vater schon so gemacht. Dann mache ich das auch so", kritisiert sie. Eine gewisse Veränderung zeichnet sich aber offensichtlich ab.
Bei den Regionalwahlen in der autonomen Region Kurdistan erlitten die beiden großen, traditionellen Parteien vor Kurzem Stimmverluste. Die erst vor Monaten entstandene Oppositionsbewegung Goran (Wechsel) erhielt hingegen auf Anhieb 24 Prozent. Sehr zur Freude von Kaziwa Qader. "Ich bin zwar parteilos, unterstütze aber die Chance-Bewegung", macht sie deutlich. (hau/04.10.2013)
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