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Sönke Rix war zuletzt Mitglied im Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement". © Merlin Nadj-Torma
Ehrenamtliche Arbeit macht Spaß und sorgt für Befriedigung. Diese Einschätzung vertritt der SPD-Abgeordnete Sönke Rix in einem Interview zum Tag des Ehrenamtes am 5. Dezember. Um noch mehr Menschen für ein freiwilliges Engagement zu begeistern, müssen sich nach Meinung des Sozialdemokraten, der in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied im Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" war, die Strukturen in den großen Organisationen ändern. "Die Untersuchungen zeigen mehr und mehr, dass die Leute sich projektorientiert engagieren wollen." Rix räumt zugleich ein, dass "ehrenamtliches Engagement immer eine Gratwanderung zwischen Arbeitsmarkt und tatsächlichem freiwilligen Engagement ist". Das Interview im Wortlaut:
Herr Rix, am 5. Dezember ist der Tag des Ehrenamtes. Was antworten Sie den Menschen auf die Frage, warum sie sich freiwillig engagieren sollten?
Ganz einfach: Geben gibt. Das Ehrenamt hilft ja schließlich nicht nur anderen, sondern auch dem Engagierten selbst. Außerdem macht ehrenamtliche Arbeit Spaß und sorgt für Befriedigung. Dazu kommt, dass man in diesem Bereich auch vieles ausprobieren kann. Es lohnt sich also, mitzumachen.
Sind Sie selbst neben ihrer Abgeordnetentätigkeit ehrenamtlich engagiert?
Ich bin zum einen ehrenamtlich in meiner Partei, der SPD, engagiert. Aber auch bei der Feuerwehr in Eckernförde, wo ich förderndes Mitglied bin. Dazu engagiere ich mich noch in mehreren Vereinen, die Brauchtumspflege betreiben, um die Tradition weiterleben zu lassen.
In Deutschland sind laut dem Freiwilligensurvey 2009 36 Prozent der Menschen – ebenso viele wie bei der letzten Erhebung 2004 - freiwillig engagiert. Gestiegen ist hingegen die Zahl derjenigen, die grundsätzlich zu einem Engagement bereit sind. Was muss getan werden, um diese wachsende Gruppe zu tatsächlich Engagierten zu machen?
Das Bürgerschaftliche Engagement entwickelt sich immer weiter. Es gehören inzwischen auch Selbsthilfegruppen oder auch Bürgerinitiativen dazu. Die Untersuchungen zeigen mehr und mehr, dass die Leute sich projektorientiert engagieren wollen. Die klassischen Organisationen müssen sich darauf besser einstellen. Sie sollten deutlich machen, dass der Interessierte sich nicht 20 Jahre binden muss, um auch mal in Projekten arbeiten zu können. Einige der großen Organisationen sind da noch nicht soweit. Manche Vereinsstruktur wirkt zudem nicht so einladend. Da kann man noch viel verbessern.
Ist das auch der Grund dafür, dass es bei der Gruppe der Migranten einen besonders großen Nachholbedarf in Sachen freiwilligem Engagement gibt?
Das mag teilweise so sein. Dazu kommt, dass die Strukturen in den Herkunftsländern nicht so sind wie bei uns. Allerdings muss man vorsichtig sein, was die Zahlen in dem Bereich angehen: Ich bin mir nicht sicher, ob da wirklich alles erfasst ist. Schließlich engagieren sich die Menschen mit Migrationshintergrund oft nachbarschaftlich, in der Selbsthilfe oder in ihren Moscheen. Gleichwohl wäre es auch wichtig, wenn sie sich in den Bereichen engagieren würden, wo man die Mehrheitsbevölkerung und die Minderheitsbevölkerung zusammenbringen kann. Aber auch dazu müssen sich die Strukturen in den Organisationen noch weiter verändern.
Bei allen positiven Effekten birgt das bürgerschaftliche Engagement auch Risiken in sich. Wie bewerten Sie die Gefahr, dass der Staat angesichts leerer Kassen das freiwillige Engagement ausnutzt, um eigene Aufgaben kostengünstig auszulagern?
Ehrenamtliches Engagement und insbesondere das, was die Freiwilligendienste anbieten, ist immer eine Gratwanderung zwischen Arbeitsmarkt und tatsächlichem freiwilligen Engagement. Man könnte im Grunde jede Arbeit, die ein Ehrenamtlicher übernimmt, auch von einem bezahlten Mitarbeiter durchführen lassen. Das ist aber – nicht nur aus finanziellen Erwägungen – in vielen Fällen nicht gewollt. Die Grenzen sind daher immer fließend, und es wird immer Diskussionen darüber geben. Wir müssen aufpassen, dass die Dinge, die derzeit gegen Bezahlung gemacht werden, nicht über das Ehrenamt erledigt werden und so reguläre Jobs kaputtgehen. Dafür muss die Politik Regeln schaffen. Zugleich muss die Gesellschaft aber auch selbst aufpassen.
Seit 1. Juli 2011 gibt es den Bundesfreiwilligendienst (BFD). Sie haben anfangs an der Ausgestaltung des BFD starke Kritik geübt. Wie stellt sich die Situation derzeit dar?
Als Argument für die Einführung des BFD wurde immer wieder genannt, dass nach dem Wegfall des Zivildienstes aufgepasst werden müsse, dass der Pflegenotstand nicht größer wird. Dabei sollte ja eigentlich schon der Zivildienst arbeitsmarktneutral sein. Beim BFD gibt es nun – anders als beim Zivildienst – eine kleinere Vergütung. Daher ist es umso wichtiger, den Unterschied zu regulären Jobs zu betonen: Die jungen Menschen absolvieren den BFD freiwillig und können auch jederzeit damit aufhören. Der Dienst ist zudem zeitlich begrenzt. Außerdem gibt es zwischendurch auch Bildungselemente. Da wird nicht ein Jahr lang eine 38,5 Stunden-Woche geschoben. Zwar sollen von dem Angebot der Freiwilligendienste auch die Anbieter profitieren. Die Hauptprofiteure sollen aber die jungen Menschen sein. Die derzeitige Entwicklung entspricht dem meiner Ansicht nach auch. Der BFD geht in Richtung der Jugendfreiwilligendienste – mit einem starken Bildungsanteil und auch teilweise von der Zivilgesellschaft organisiert.
Also ist alles gut?
Nein, denn das Grundproblem bleibt: Es ist ein staatlich organisierter Freiwilligendienst. Und staatlich organisiert und freiwillig – das ist ja schon ein Widerspruch in sich.
Wollen Sie den BFD wieder abschaffen?
So weit will ich nicht gehen. Aber man sollte stärker darauf dringen, dass er zivilgesellschaftlich organisiert wird. Der BFD ist keine Ersatzleistung für den weggefallenen Zivildienst und schon gar nicht eine ergänzende Leistung zum Auffangen des Pflegenotstandes.
Spielt das Thema Bürgerschaftliches Engagement in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen eigentlich eine Rolle?
Durchaus. Wir versuchen schon, in einigen Passagen deutlich zu machen, in welche Richtung es gehen soll. Das Problem ist nur, dass es da zwischen Union und SPD Unterschiede gibt. Die Knackpunkte sind eben Fragen wie: Kann ich noch deutlicher die Arbeitsmarktneutralität herstellen? Wie kann man beim BFD die Zivilgesellschaft mehr einbeziehen? Da müssen wir Kompromisse finden, die wohl nicht jedem schmecken werden.
Am Ende der vergangenen Legislaturperiode herrscht im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement Einigkeit in der Forderung nach Schaffung eines regulären Ausschusses. Wird es den geben?
Wir sind uns in der Forderung weiterhin einig. Es geht auch darum, deutlich zu machen, dass der Themenbereich ein Querschnittsthema ist und nicht nur den Bereich der Familienpolitik berührt. Welche Ausschüsse es aber schließlich geben wird, entscheidet der Bundestag.
(hau/28.11.2013)