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Berlin: (hib/EIS) Grün und gerechter soll die Landwirtschaft in Europa werden. Doch wie dieses Ziel konkret zu erreichen ist, darüber scheiden sich die Experten. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft wurde anlässlich der Beratungen über das Gesetz zur Durchführung der Direktzahlungen (18/908) deutlich, dass die Brüsseler Vorgaben zur Koppelung der Agrarunterstützung an besondere Umweltleistungen durch die Landwirte von den Sachverständigen kritisch gesehen werden. Die im Jahr 2013 auf EU-Ebene beschlossene Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) gibt vor, dass die Landwirte 30 Prozent der Direktzahlungsmittel nur dann erhalten sollen, wenn Leistungen wie der Erhalt von Wiesen, der Anbau vielfältiger Feldfrüchte sowie die Einrichtung von ökologischen Vorrangflächen erbracht werden. Zudem sollen in der kommenden Förderperiode ab 2015 jährlich 4,5 Prozent der nationalen Obergrenze für die Direktzahlungen als Förderung für die ländliche Entwicklung umgeschichtet werden. Diese Mittel betragen für den gesamten Zeitraum über eine Milliarde Euro. Die Festlegungen gelten für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2015. Auf Deutschland entfallen jährlich rund fünf Milliarden Euro EU-Agrarfördermittel im Bereich der Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebsinhaber, um finanzielle Verluste aufgrund hoher Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards in der EU auszugleichen.
Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Folkhard Isermeyer bezeichnete es als unglücklich, dass die EU-Vorgabe ausschließlich Grünlandflächen innerhalb sogenannter Natura-2000-Flächen als sensibel definiert. Natura-2000-Flächen umfassen Schutzgebiete in Europa, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) oder der Vogelschutzrichtline ausgewiesen wurden. Isermeyer: „Viele sensible Grünlandflächen liegen außerhalb solcher Flächen.“ Zur einfacheren Handhabung schlug der Wissenschaftler vor, dass es im Interesse des Grünlandschutzes und damit der Artenvielfalt sei, generell ein Umwandlungsverbot von Grünlandflächen zur Umnutzung als Ackerflächen zu erlassen. Werner Hilse vom Deutschen Bauernverband stellte fest: „Dauergrünland ist nicht gleich Dauergrünland.“ In einigen Regionen Deutschlands seien viele neue Grünlandflächen entstanden, sodass die jetzige Abgrenzung nicht den Kern treffe und zu viele Schutzgebiete nach unterschiedlichen Kriterien erstellt würden. Aus Sicht der Bauern müsse eine Grünlanderneuerung im Sinne einer kostendeckenden Bewirtschaftung und der Umbruch der Grasnarbe weiter möglich sein, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Der Landwirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU), unterstützte die Position, indem er ausführte, dass der Grünlandumbruch unter anderem erforderlich ist, wenn falsche Pflanzengesellschaften vorliegen würden. „Wir müssen uns daran orientieren, was für die Praxis zuträglich ist“, sagte er. Milchviehbetriebe seien auf leistungsfähige Grünlandbewirtschaftung angewiesen. Landwirte sollten diese Bedingungen durch Bewirtschaftung beeinflussen können. Aeikens hielt deshalb die Beschränkung eines Grünlandumbruchverbots auf FFH-Gebiete für sinnvoller, statt auf die umfassende Ausweitung auf Natura-2000-Flächen zu setzen.
Ein Punkt, den der Einzelsachverständige Jochen Dettmer nicht teilte, denn er hielt die Vorschrift für sinnvoll, das gesamte Grünland in Natura-2000-Gebieten zu umweltsensiblen Grünland zu erklären. Dettmer wollte dadurch Vogelschutzflächen mit inbegriffen wissen. Auch wenn er sich in diesem Punkt für den Gesetzentwurf aussprach, forderte Dettmer mehr Umweltschutz und Unterstützung des ländlichen Raumes beim Strukturwandel mithilfe der Mittel für die Direktzahlungen. Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte den Gesetzentwurf der Bundesregierung als zu wenig ambitioniert. „Denn wir haben insgesamt schon genug Dauergrünland verloren“, sagte er und forderte, dass jede geplante Umwandlung von Grünland unter einem Genehmigungsvorbehalt gestellt werden sollte. “Der Rückgang der Artenvielfalt hält weiter an.“ Die Kriterien sollten Jaspers Ansicht nach schärfer gefasst und nur solche Flächen als ökologische Vorrangflächen zur Förderung anerkannt werden, die einen Beitrag zum Stopp und zur Umkehr des anhaltenden Verlustes der Artenvielfalt leisten.
Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Johannes Isselstein machte deutlich, dass für Grünland eine unterschiedliche Wertigkeit gelte und damit auch ein differenzierter Umgang in der Frage nach einer Erlaubnis für den Umbruch. Ältere Grasnarben seien ökologisch viel wertvoller als jüngere. Die Neuaussaat nach dem Pflügen lasse diese durch den Umbruch zerstörte Vielfalt nicht kurzfristig wiederherstellen. Für den Landwirt sei aber solch eine Behandlung des Grünlandes von Vorteil, weil dadurch die Ertragsfähigkeit und die Futterqualität kurzfristig deutlich verbessert werde. Dass der Erhalt von jeglichem Grünland von Bedeutung sei, stellte der Wissenschaftler außer Frage, denn generell biete es eine dreifach höhere Vielfalt an Flora und Fauna im Vergleich zum Ackerland. Günther Czerkus vom Bundesverband Berufsschäfer hob die Bedeutung der Direktzahlungen für die Schäfer und Ziegenhirten hervor. „Ohne die Agrarunterstützung können wir bei der Bewirtschaftung von Extensivgrünlandstandorten nicht bestehen“, sagte er. Die Leistung der Pflege des Grünlandes für die Gesellschaft sollte in Zukunft deshalb stärker aus den Fördermitteln des ländlichen Ruumes honoriert werden. Laut EU-Vorgaben sei dies jedoch bisher nicht möglich, sollte für die Zukunft aber berücksichtigt werden, wenn die Schafherden dem Strukturwandel nicht zum Opfer fallen sollen.
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