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Berlin: (hib/KOS) Konflikte zwischen grenzübergreifend aktiven Unternehmen sollen vor deutschen Gerichten künftig auch in englischer Sprache verhandelt werden können. In einem Gesetzentwurf (18/1287) schlägt der Bundesrat vor, bei Landgerichten Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, bei denen Englisch als Verfahrenssprache gewählt werden kann – was dann auch für höhere Berufungs- und Revisionsinstanzen gelten soll. Voraussetzung müsse zum einen ein internationaler Bezug des jeweiligen Rechtsstreits sein, dass also etwa Verträge zwischen den Firmen auf Englisch verfasst sind. Zum andern soll es erforderlich sein, dass sich beide Parteien für Englisch entscheiden.Mit ihrem Vorstoß greift die Länderkammer eine seit Jahren geführte Debatte auf. Das Gerichtsverfassungsgesetz schreibt vor, dass hierzulande Deutsch Gerichtssprache ist. Das Verwaltungsgericht Aachen hat geurteilt, dass im Geltungsbereich des Grundgesetzes Deutsch offizielles Verständigungsmittel sei und dass sich staatliche Instanzen untereinander wie gegenüber den Bürgern in deutscher Sprache zu verständigen hätten. Allerdings schreitet die Globalisierung zügig voran, in deren Gefolge Englisch zunehmend das Wirtschaftsleben durchdringt. In der Gesetzesvorlage des Bundesrats heißt es, dass sich hiesige Unternehmen, die international tätig seien, und ihre Interessenverbände dafür stark machten, deutsche Gerichtsverfahren auch auf Englisch abwickeln zu können.Die Ländervertretung betont, dass das deutsche Recht und die hiesige Justiz international hohes Ansehen genössen. Doch leide der Gerichtsstandort Deutschland darunter, dass nur Deutsch als Sprache zulässig sei. Ausländische Vertragspartner und Prozessparteien schreckten davor zurück, ihre Anliegen vor der Justiz in einer fremden Sprache zu verhandeln. Deshalb würden „bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen – zum Nachteil des Gerichtsstandorts Deutschland und deutscher Unternehmen“, so der Gesetzentwurf. Kammern für internationale Handelssachen mit Englisch als Prozesssprache könnten hingegen solche Verfahren anziehen, meint der Bundesrat. Der Justizstandort Deutschland würde so „in hohem Maße an Attraktivität gewinnen“. Aus Sicht der Länderkammer wird auch das deutsche Recht international aufgewertet, weil es vermehrt auf grenzübergreifende Wirtschaftsbeziehungen angewandt werden dürfte. Im internationalen Wirtschaftsverkehr sei es üblich, zu vereinbaren, welches Recht für das Vertragsverhältnis zwischen den jeweiligen Unternehmen gelten soll. Dabei stehe die „Einheitlichkeit von gewähltem Recht und Gerichtsstandort im Vordergrund“, erläutert die Gesetzesvorlage. Komme nun wegen der Möglichkeit, in der Bundesrepublik auf Englisch zu prozessieren, verstärkt das hiesige Recht zum Zuge, so könnten sich deutsche Firmen auf das das ihnen vertraute Justizsystem stützen - ein „wertvoller Vorteil“, der für die Betriebe die Rechtssicherheit erhöhe.Der Bundesrat zeigt sich optimistisch, dass deutsche Richter in der Lage sind, auf Englisch Prozesse zu führen und Urteile zu formulieren? Natürlich dürfe die Qualität der Rechtsprechung nicht unter einer unzureichenden Fremdsprachenkompetenz des Justizpersonals leiden. Doch es gebe zahlreiche Richter, die Englisch „hervorragend beherrschen“, und dies einschließlich des juristischen Fachvokabulars.Der Gesetzentwurf setzt sich auch mit dem Problem auseinander, dass Gerichtsverhandlungen öffentlich sein müssen – um eine Kontrolle des Verfahrensablaufs und der Prozessparteien zu sichern. Die Nutzung einer fremden Sprache erschwere es Zuhörern, einer Verhandlung zu folgen, räumt die Ländervertretung ein. Da aber laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung des Englischen „einigermaßen gut“ mächtig seien, müssten Richter und andere Verfahrensbeteiligte auch dann mit einer Kontrolle durch Zuschauer rechnen, wenn Englisch gesprochen werde. Nicht entscheidend sei indes die Frage, ob jeder einzelne Zuhörer alles verstehe. Im Übrigen werde die Transparenz bei Prozessen heute vor allem durch Medien gewährleistet. Auch hier gibt sich der Bundesrat optimistisch: „Kenntnisse und Verbreitungsgrad der englischen Sprache dürften bei Journalisten jedenfalls nicht geringer sein als in der Gesamtbevölkerung.“
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