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Der Umfang der Minderheitenrechte im Bundestag während der laufenden Wahlperiode und die Art ihrer Sicherung bleibt zwischen Koalition und Opposition weiter umstritten. Dies wurde am Donnerstag, 13. Februar 2014, bei der ersten Plenardebatte über zwei gemeinsame Vorlagen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sowie einem Koalitionsantrag zu dem Thema deutlich. Die Oppositionsfraktionen stellen in der laufenden Legislaturperiode lediglich rund ein Fünftel der Abgeordneten, während für die Wahrnehmung bestimmter Minderheitenrechte derzeit mindestens ein Viertel der Parlamentarier erforderlich ist.
In ihrem Gesetzentwurf (18/380) schreiben Die Linke und die Grünen, die Geschäftsordnung des Bundestages und zahlreiche gesetzliche Regelungen seien nicht auf eine Situation ausgerichtet, in der die Koalitionsfraktionen über mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze verfügen. Zahlreiche Kontrollrechte drohten ihre Wirksamkeit zu verlieren, "weil die gegenwärtige Große Koalition über eine solche übergroße Mehrheit" verfüge. Den beiden Oppositionsfraktionen zufolge beseitigt ihr Gesetzentwurf "die Probleme, soweit sie durch Gesetzesänderungen zu lösen sind". Grundprinzip sei dabei, "dass die jeweilige Rechtsposition den beiden Oppositionsfraktionen des 18. Deutschen Bundestages zur gemeinsamen Ausübung zur Verfügung gestellt wird".
In ihrem Antrag (18/379) dringen die beiden Oppositionsfraktionen zudem auf eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages. Danach sollen Rechte, die die Geschäftsordnung einer qualifizierten Minderheit verleiht, auch "von zwei Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", gemeinsam ausgeübt werden können. Dies solle für Ausschussberatungen entsprechend gelten.
Der Antrag von CDU/CSU und SPD (18/481) sieht vor, die Geschäftsordnung durch einen neuen Paragrafen 126a zu ergänzen. Danach soll etwa ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden können, wenn alle Mitglieder der Oppositionsfraktionen dies beantragen. Zudem ist vorgesehen, für die Dauer der aktuellen Wahlperiode den sogenannten Oppositionszuschlag auf den Betrag für jedes Mitglied einer Oppositionsfraktion von zehn auf 15 Prozent zu erhöhen. Die Geldleistungen für die Fraktionen aus dem Bundeshaushalt setzen sich aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem weiteren Zuschlag für Oppositionsfraktionen zusammen, dem Oppositionszuschlag.
Der Antrag enthält ferner eine Regelung zur Verteilung der Redezeiten auf die Fraktionen. Danach soll die Opposition je nach Debattendauer über 24 bis 32 Prozent der Redezeit verfügen können.
Für Die Linke sagte ihre Parlamentarische Geschäftsführerin Dr. Petra Sitte, der Koalitionsantrag zeige, dass man sich grundsätzlich "in vielem einig" sei. Auseinander gingen die Meinungen in der Frage, wie man die Minderheitenrechte verlässlich regeln könne. Nur ein Teil der Oppositionsrechte werde in der Geschäftsordnung geregelt, ein anderer Teil finde sich dagegen in verschiedenen Gesetzen wieder. Auch dort müssten die Minderheitenrechte geregelt werden.
Linke und Grüne hätten dazu als Kompromiss vorgeschlagen, dass die zwei Oppositionsfraktionen ihre Minderheitenrechte in der laufenden Wahlperiode nur gemeinsam geltend machen können. Nachdrücklich beharrte Sitte auf dem Recht, beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen einzureichen. Dieses Recht werde von manchen Juristen als "Königsrecht der Opposition" bezeichnet.
Der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, hielt dem entgegen, dass die Normenkontrollklage kein Minderheitenrecht sei. Zugleich verwies er darauf, dass die Rechte der Opposition in keinen anderen Land Europas so gut ausgebaut seien wie in Deutschland. Zudem kontrollierten auch die Koalitionsfraktionen die Regierung.
Er versicherte, dass die Koalition eine "hörbare und sichtbare Opposition" und ein "lebendiges Parlament" wolle. Daher sei Schwarz-Rot der Opposition etwa bei den Redezeiten schon klar entgegengekommen und ihr einen "exzellenten Vorschlag" vorgelegt, fügte Grosse-Brömer hinzu.
Seine Geschäftsführer-Kollegin Britta Haßelmann von den Grünen bewertete es positiv, dass die Koalition mittlerweile bereit sei, in der Frage der Minderheitenrechte die Geschäftsordnung ändern. Wichtig sei aber auch, etwa das Untersuchungsausschussgesetz zu ändern.
Mit Blick auf die Redezeit der Fraktionen argumentierte Haßelmann, jedes lebendige Parlament brauche auch im Interesse der Regierung in den Debatten das Prinzip von Rede und Gegenrede. In vielen Landtagen werde dieses Prinzip unabhängig von der Stärke der Fraktionen gepflegt. In Hessen habe beispielsweise jede Fraktion die gleiche Redezeit.
Die Parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Dagmar Ziegler sagte, die Koalition wolle der Opposition mehr parlamentarische Rechte zugestehen, als ihr von den Wählern zugestanden worden seien. Schwarz-Rot wolle dazu die Geschäftsordnung ändern, halte es aber nicht für erforderlich, umfassende Gesetzesänderungen vorzunehmen.
Auch hätten die "Väter und Mütter unseres Grundgesetzes" und Verfasser der Geschäftsordnung aus gutem Grund die Einhaltung von Quoren für "tiefgreifende Eingriffe" in die Abläufe und Verfahrensweisen des Bundestages festgeschrieben und dabei "die Weimarer Republik und die Erfahrungen damit im Hinterkopf gehabt". Der Koalitionsantrag sei eine "faire Handreichung der Mehrheitsfraktionen an die Kollegen aus den Minderheitenfraktionen" , fügte Ziegler hinzu und appellierte an die Opposition: "Gehen Sie einfach durch diese Tür durch." (sto/13.02.2014)