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Ernst Uhrlau soll vor NSA-Ausschuss aussagen

Auf der Zielgeraden vor dem Beginn der Sommerpause erhöht der 1. Untersuchungsausschuss („NSA“) das Tempo. Für die zweite und dritte Juniwoche ist neben der regulären öffentlichen Anhörung jeweils noch eine Sondersitzung anberaumt. Am Donnerstag, 11. Juni 2015, will der Ausschuss erstmals drei ehemalige Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes als Zeugen hören, die im Zeitraum vor 2011 mit Fach- und Rechtsaufsicht über die Geheimdienste befasst waren.

Am Freitag, 12. Juni 2015, sollen Ernst Uhrlau, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), und Dieter Urmann, ehemaliger Leiter der Abteilung Technische Aufklärung beim BND, aussagen. Die öffentlichen Sitzungen beginnen jeweils um 11.30 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin. Der Ausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) untersucht seit dem Frühjahr 2014 die Ausforschungspraktiken amerikanischer und britischer Geheimdienste in Deutschland. 

Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes als Zeugen

Bei den für den 11. Juni geladenen Zeugen handelt es sich um die früheren Referatsleiter im Kanzleramt Thomas Kurz und Guido Müller sowie um deren damaligen Vorgesetzten als Gruppenleiter Hans Josef Vorbeck. 

Kurz war von 2005 bis 2008 zuständig für das Referat 605 (Allgemeine Lageinformation, Auftragssteuerung, Archivwesen des BND), Müller von 2007 bis 2011 für das Referat 603 (Proliferation, Cybersicherheit, internationale organisierte Kriminalität). Vorbeck war von 2003 bis 2011 als Gruppenleiter mit der Koordination der Nachrichtendienste des Bundes befasst.

Ausspähung von Unternehmen und Behörden

Das Hauptaugenmerk des Ausschusses richtet sich derzeit auf den Vorwurf, der BND habe wissentlich oder unwissentlich den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) bei der Ausspähung von Unternehmen und Behörden in Ländern der Europäischen Union unterstützt. Entsprechende Hinweise waren im April durch Berichte in Medien öffentlich geworden. Demnach befanden sich unter den Suchmerkmalen, den sogenannten „Selektoren“, die der BND im Auftrag der NSA in sein weltweites Überwachungsnetz einspeist, jahrelang auch IP-Adressen und Telefonnummern europäischer Firmen wie EADS und Eurocopter sowie von Regierungsstellen etwa in Frankreich.

Erst nach den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über millionenfache Ausforschung von Telekommunikationsdaten auch in Deutschland wurde im BND die Liste der Selektoren überprüft. Dabei wurden im August 2013 zunächst 2000 verdächtige Suchmerkmale identifiziert und aussortiert. In einem weiteren Durchgang wurden bis zu 40.000 Selektoren ermittelt, deren Verwendung zu Spionagezwecken im Widerspruch zu deutschen und europäischen Interessen stand.

Verwendung problematischer Selektoren

Der Ausschuss hat sich vorgenommen, bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause am 6. Juli zu klären, welche deutschen Verantwortlichen auf welcher Ebene zu welchem Zeitpunkt von diesem Missbrauch informiert waren. Aufschlüsse darüber erwarten die Parlamentarier von den drei ehemaligen Mitarbeitern des Kanzleramtes, die am Donnerstag aussagen sollen: Hatten sie in den Jahren vor 2011 Kenntnis von der Verwendung problematischer Selektoren durch den BND, und wie beurteilten sie damals die Rechtslage?

Nach bisherigem Stand der Ermittlungen hat die Abteilung Technische Aufklärung im BND, die die Abhöranlage in Bad Aibling betreibt, im Jahr 2013 die Erkenntnis für sich behalten, dass dort auch fragwürdige Selektoren eingespeist worden waren. Sie habe die NSA lediglich gebeten, mit dieser Praxis aufzuhören. Nicht einmal BND-Präsident Gerhard Schindler will davon früher erfahren haben als im März 2015, wie er bei seiner Vernehmung am 21. Mai dem Ausschuss berichtete. Freilich sollen Mitarbeiter des BND bereits 2008 auf verdächtige Suchmerkmale gestoßen sein, ohne dass daraus etwas folgte. Im Kanzleramt sollen 2010 entsprechende Hinweise vorgelegen haben.

BND-Präsident von 2005 bis 2011

Einen hochkarätigen Zeugen erwartet der Ausschuss in der Sondersitzung am 12. Juni: Ernst Uhrlau war unter der rot-grünen Bundesregierung bis 2005 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt und anschließend bis 2011 Präsident des BND. Er kennt also beide Seiten, die politische Überwachung und Steuerung von Geheimdiensten ebenso wie das operative Geschäft. Uhrlau hätte bereits am 23. April angehört werden sollen. Doch an diesem Tag machten Medienberichte über die missbräuchliche Verwendung von Selektoren erstmals Furore und veranlassten den Ausschuss, die vorgesehene Tagesordnung abzusetzen.

Der frühere Chef der BND-Abteilung Technische Aufklärung Dieter Urmann hatte am 5. März 2015 schon einmal als Zeuge ausgesagt. Allerdings war damals von der Selektoren-Affäre noch nichts bekannt. Unter anderem zu diesem Thema wollen die Parlamentarier ihn am Freitag erneut befragen. (wid/01.06.2015)

Zeit: Donnerstag, 11. Juni 2015, 11.30 Uhr
Ort:  Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Liste der geladenen Zeugen

Zeit: Freitag, 12. Juni 2015, 11.30 Uhr
Ort:  Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Liste der geladenen Zeugen