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Zum Start in die Sommerpause sieht sich der Untersuchungsausschuss, der den Spähskandal um den US-Geheimdienst NSA durchleuchten soll, mit einer überraschenden Entwicklung konfrontiert: Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) soll ausgerechnet dieses Gremium ausspioniert haben, mutmaßlich für die CIA. Noch ist dieser Vorfall nicht vollständig erhellt, doch manches spricht dafür, dass sich der Verdacht bestätigen dürfte. Fraktionsübergreifend ist man von dieser Affäre natürlich nicht erbaut.
Christian Flisek (SPD) spricht von einem „gezielten Angriff gegen die parlamentarische Demokratie“. Man arbeite daran, das beschädigte Vertrauen zwischen Berlin und Washington wieder aufzubauen, „doch diese Bemühungen werden unterminiert“, klagt der SPD-Obmann.
Nach bisherigen Erkenntnissen seien offenbar keine sensiblen Daten übermittelt worden, sagt Roderich Kiesewetter (CDU/CSU), „das berührt nicht den Kern unserer Arbeit“. Der Unionssprecher fordert aber eine Entschuldigung Washingtons, die USA müssten „etwas für die Vertrauensbildung tun“.
Der Ausschuss genieße anscheinend eine „gewisse Aufmerksamkeit“, kommentiert Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) mit sarkastischem Unterton die Spähattacke. Die USA wollten wohl erfahren, welche Informationen der BND an das Bundestagsgremium weiterleite und welche nicht, meint der Obmann der Grünen. Kritik übt auch Martina Renner (Die Linke), die ankündigt, zu gegebener Zeit werde der Ausschuss diese Spionageaffäre ebenfalls auf seine Tagesordnung setzen.
Diese Turbulenzen überlagern den Blick auf die Startphase der achtköpfigen Abgeordnetenrunde. Geprägt wurden die vergangenen Wochen durch Anhörungen von Sachverständigen über rechtliche und technische Hintergründe des Überwachungsskandals und die erste Zeugenvernehmung mit den ehemaligen NSA-Experten William Binney und Thomas Drake.
Binney und Drake hätten bezeugt, dass die Vorwürfe Edward Snowdens, der mit seinen Enthüllungen die NSA-Affäre ins Rollen gebracht hat, „glaubwürdig sind“, betont Notz. Aus Sicht des Grünen-Politikers belegen die Hearings mit den Sachverständigen, dass die Verschlüsselung im Internet ein „wichtiger Baustein“ für Abwehrstrategien gegen eine Ausforschung sei. Renner weist besonders auf die Kritik von Verfassungsrechtlern hin, wonach auch die Abhörpraxis des BND im Ausland rechtswidrig sei.
Für Kiesewetter war vor allem die Diskussion mit IT-Technikern ertragreich: Datensicherheit sei am besten zu bewerkstelligen, so der CDU-Parlamentarier, wenn der Datenfluss innerhalb eines unabhängigen europäischen Netzes organisiert werde.
Für Flisek haben die Anhörungen gezeigt, dass die rechtlichen Grundlagen, auf der die deutschen Geheimdienste tätig sind, einer „umfassenden Prüfung“ bedürfen. Auch müsse die mittelständische Wirtschaft stärker dafür sensibilisiert werden, im Internet Verschlüsselungstechnik einzusetzen.
Übereinstimmend berichten die Obleute von einer vorwiegend konstruktiven Kooperation in der praktischen Ausschussarbeit. Allerdings gibt es eine Ausnahme, und das ist der Zoff um die Zeugenvernehmung Snowdens. Linke und Grüne wollen den Whistleblower im Bundestag anhören, was die Union kategorisch ablehnt. In einem solchen Fall droht Streit um eine Überstellung Snowdens an die USA. Kiesewetter: „Dann haben wir eine Auslieferungs- und nicht mehr eine Aufklärungsdebatte.“ Die Opposition hingegen verlangt, die Regierung könne und müsse einen Aufenthalt des Ex-NSA-Mitarbeiters in der Bundesrepublik gestatten, da das, was ihm in den USA vorgeworfen werde, politisch motiviert sei. Snowden selbst lehnt die von der Koalition angestrebte Vernehmung per Videoschaltung aus Moskau ab.
Kiesewetter wirft Linken und Grünen vor, diesen Konflikt zum „Skandal machen zu wollen“ und Scheingefechte zu führen. Der CDU-Parlamentarier findet Snowdens Ablehnung einer Befragung per Video „nicht nachvollziehbar“, da er dazu etwa beim Europarat bereit gewesen sei: „Snowden hat sich verrannt“. Flisek fände es „unverantwortlich“, den Whistleblower angesichts des Auslieferungsabkommens mit den USA derzeit nach Berlin kommen zu lassen. Angesichts von Snowdens Nein zu einer Videovernehmung werde es auf absehbare Zeit wohl zu keiner Befragung kommen. Indes sagt der SPD-Obmann: „Die letzte Messe ist noch nicht gesungen“.
Aus Renners Sicht hat die Regierung Amtshilfe zu leisten, um eine Anhörung Snowdens im Bundestag zu ermöglichen. Die Opposition habe einen Anspruch darauf, in dieser Angelegenheit mitbestimmen zu können. Die Linken-Sprecherin kündigt an, ihre Fraktion werde zusammen mit den Grünen nach der Sommerpause nach Karlsruhe ziehen, um eine Vernehmung in Berlin durchzusetzen. Auch Notz betont: „Snowden muss nach Deutschland kommen.“
Ein Dorn im Auge ist Renner das „Geheimhaltungsregime“ der Regierung bei den Akten, die dem Ausschuss übermittelt werden, über 50 Prozent der Dokumente seien geschwärzt: „Da müssen wir fraktionsübergreifend aktiv werden.“
Mit Blick auf den Herbst will Kiesewetter die Sitzungsfrequenz erhöhen. Nötig sei „mehr sachliche Aufklärung und weniger Dramatisierung“. Flisek macht sich dafür stark, ein „strukturiertes Arbeitsprogamm“ zu entwickeln, das Gremium dürfe sein Vorgehen nicht von medialen Schlagzeilen diktieren lassen und „von Thema zu Thema hüpfen“.
Hat der kleine Ausschuss gegenüber Geheimdiensten und Regierungen überhaupt eine Chance? Flisek ist vom Erfolg des Gremiums überzeugt, das sei „einer der wichtigsten Untersuchungsausschüsse, die es jemals im Bundestag gab“. Man könne eine grundlegende Debatte über den Umgang mit IT-Daten befördern. Kiesewetter plädiert dafür, nicht erst am Ende der Legislaturperiode, sondern schon zuvor konkrete Initiativen zu ergreifen, etwa für mehr Datensicherheit durch einen Ausbau der Verschlüsselung im Netz.
Renner: „Wir gehen mit Elan an die Arbeit.“ Notz glaubt, dass der Ausschuss das Zeug hat, „etwas für den Rechtsstaat zu leisten“. Das Rad der Überwachung müsse wieder zurückgedreht werden: Es könne nicht sein, „dass man in den Wald gehen und das Handy ausschalten muss, um vertraulich kommunizieren zu können“. (kos/14.07.2014)