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Tabea Rößner, Ute Bertram, Siegmund Ehrmann (Ausschussvorsitzender), Tibor Navracsics (EU-Kommissar), Martin Dörmann, Marco Wanderwitz, Ulle Schauws (v.l.n.r.) © DBT/Melde
Europa befinde sich derzeit in einer besonderen Situation, die es gebiete, sich auch über kultur- und medienpolitische Themen auszutauschen, beispielsweise darüber, wie sich kultur- und kreativwirtschaftliche Potenziale entwickeln ließen, stellte eingangs zur Begrüßung des hochrangigen Gastes der Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Siegmund Ehrmann, MdB, fest. Die Frage des Urheberrechts sei dabei von besonderer Bedeutung, rufe sie doch geradezu nach Angleichung. Da es unterschiedliche Rechtstraditionen gebe, seien an eine mögliche Harmonisierung allerdings hohe Anforderungen zu stellen.
Tibor Navracsics (EU-Kommissar) betonte, dass ihm der Meinungsaustausch über den Zustand der Europäischen Union, ihre Perspektiven und Entwicklungen wichtig sei. Sein sich von Bildung über Kultur und Jugend bis Sport erstreckendes Aufgabengebiet sei zwar sehr weit gefasst, die einzelnen Bereiche seien bei näherer Betrachtung aber miteinander verwoben und für die Zukunft Europas von großer Bedeutung. Zweifelsohne sei Kultur ein Politikbereich auf europäischer Ebene, aber zugleich als Kultur- und Kreativwirtschaft ein Motor des Wirtschaftswachstums im europäischen Raum, der einen stetigen Beitrag zur wirtschaftlichen Leistung in den Mitgliedstaaten liefere. Gleichzeitig sei Kultur aber auch ein Sinnbild für Gemeinschaft.
In Bezug auf das Thema Urheberrecht gab EU-Kommissar Navracsics an, gelte es mit Blick auf den digitalen Binnenmarkt und die Komplexität der verschiedenen urheberrechtlichen Ansätze in den Mitgliedstaaten, eher eine Modernisierung denn eine Harmonisierung der urheberrechtlichen Regelungen herbeizuführen. Werde in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe von einem territorial uneingeschränkten und insofern grenzenlosen digitalen Binnenmarkt gesprochen, so gehe die Diskussion in die Richtung, wegen der technischen Bedingungen eines solchen Binnenmarktes das Urheberrecht zwar auf nationaler Regelungsebene zu belassen, es aber zu modernisieren. Portabilität biete eine gute Balance zwischen dem Erfordernis eines modernisierten Urheberrechtsregimes und den Anforderungen eines grenzenlosen digitalen Binnenmarktes.
Abgeordnete Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) sprach den Extremismus an. Europa sei gefordert, ihm mit politischen Maßnahmen entgegenzutreten. In dem Zusammenhang beschäftige sie besonders die Zerstörung des kulturellen Erbes, die Europa auf keinen Fall hinnehmen dürfe.
Abgeordneter Martin Dörmann (SPD) führte aus, beim Kampf gegen den Extremismus spiele kulturelle Bildung eine besondere Rolle. Die Frage nach der europäischen kulturellen Identität müsse insofern offensiver als bisher bearbeitet und die Bedeutung der gemeinsamen kulturellen Werte vermittelt werden. Europa sei gefordert, trotz der schwierigen außenpolitischen Situation und der zu behandelnden Themen, eine gemeinsame Vision von europäischer Kultur herauszuarbeiten und diese zu vertreten. Zu diesem Gedanken interessiere eine Einschätzung des EU-Kommissars.
Abgeordneter Ansgar Heveling (CDU/CSU) vertiefte das Thema Urheberrecht und bekräftigte, es gehe nicht um eine Generalrevision, sondern um die Frage, wo im Zuge der Digitalisierung modernisiert werden müsse. In dem Zusammenhang stelle das Territorialitätsprinzip einen umstrittenen Punkt dar. Die hiesige Diskussion sei geprägt von Verständnis für territoriale Unterschiede bei der Lizensierung gerade unter dem Gesichtspunkt, kulturelle Vielfalt zu wahren. Für große, internationale Player sei es vermutlich einfacher, eine paneuropäische Lizensierung vornehmen zu lassen als kleine, regionale und nationale Lizensierungen. Für die kulturelle Vielfalt könnten aber gerade die kleinen, regionalen Lizensierungen wichtig sein. Es sei deshalb sinnvoll, den Blick auf diese Vielfalt und ihren Erhalt zu richten.
Abgeordnete Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) nahm Bezug auf die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und fragte, welche Regulierungsbereiche als dringend novellierungsbedürftig betrachtet würden.
Abgeordneter Siegmund Ehrmann (SPD) griff die Stichworte Dezentralität und Subsidiarität im Zusammenhang mit kultureller Vielfalt auf und betonte, im Jugendaustausch in den Bereichen Sport und Kultur eine große Chance zu sehen. Des Weiteren glaube er, dass es sinnvoll sei, intensiver über eine gemeinsame europäische Geschichtspolitik nachzudenken. Die Völker pflegten sehr unterschiedliche Traditionen, sie hätten unterschiedliche Erlebnisse in ihren bilateralen Geschichten, hier gebe es noch sehr viel zu besprechen und zu verstehen.
EU-Kommissar Tibor Navracsics informierte, eine Initiative im Europäischen Parlament ziele darauf, die Zerstörung des kulturellen Erbes als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen. Die EU-Kommission unterstütze die Initiative, da sie als Rechtsgrundlage diene, um dem unsäglichen Treiben Einhalt zu gebieten.
Was seine Vision in Bezug auf die europäische Identität und die europäische Kultur angehe, führte EU-Kommissar Navracsics aus, dass er bei Besuchen in den Mitgliedstaaten oft darauf hingewiesen werde, es gebe doch lediglich nationale Kulturen und keine europäische. Dem halte er entgegen, dass herausragende Persönlichkeiten der europäischen Kultur – Ludwig van Beethoven oder Franz Liszt – nicht einer einzelnen Nation zugeordnet werden könnten, sondern sich ihr Wirken über mehrere Staaten erstrecke und dort entwickelt habe. Sie seien Symbole der europäischen Kultur. Da die europäische Kultur nicht einheitlich sei, habe sich das Motto „in Vielfalt geeint“ durchgesetzt, wonach die europäische Kultur davon profitiere, dass es höchst unterschiedliche nationale kulturelle Hintergründe, Persönlichkeiten und Traditionen gebe, die sich aus regionalen und lokalen Quellen speisten. Das kennzeichne seine Vision, denn diese Vielfalt mache Europa letztlich aus. Es gelte, die gemeinsamen Wurzeln und Errungenschaften herauszuarbeiten und sich zu den unterschiedlichen Bewertungen der gemeinsamen Geschichte zu bekennen. Ihm schwebe eine Harmonisierung statt einer Vereinheitlichung der Sichtweisen vor, denn Europa sei zu komplex und vielfältig, um aus ihm einen einheitlichen Kontinent zu formen.
Hinsichtlich der Frage des Urheberrechts pflichte er Abg. Heveling bei, dass der Schutz der kulturellen Vielfalt und des etablierten Vergütungssystems für die Kreativen an erster Stelle stehe, gerade weil es eine einmalige europäische Errungenschaft sei und sich bewährt habe.
Eine Reform der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sei aufgrund der technischen Entwicklung unabdingbar. Die Vorarbeit in den Reihen der EU-Kommission sei schon weit vorangeschritten, weshalb in Kürze mit der Vorstellung der Beratungsergebnisse zu rechnen sei.
Jugendliche stärker für Europa zu gewinnen und sie in direkten Kontakt zu Europa zu bringen, sei in der Tat eine Herausforderung. Ihm liege daran, Wege auszuloten, wie einer Radikalisierung und Abkehr von europäischen Werten begegnet werden könne. Ziel seiner Aktivitäten sei es, beispielhafte Wege und Einrichtungen ausfindig zu machen, die sich erfolgreich mit der Fülle an Problemen beschäftigen, denen sich Jugendliche in Anbetracht von Krisen, Arbeitslosigkeit und mangelnder Perspektive ausgesetzt sähen.
Der Vorsitzende bilanzierte, der Ausschuss für Kultur und Medien nehme das Thema Europa sehr ernst und stehe diesbezüglich in intensivem Dialog mit Staatsministerin Monika Grütters, die regelmäßig vor und nach den Ministerratstagungen im Ausschuss berichte. Man habe den Besuch des Kommissars dankbar aufgenommen und freue sich, mit ihm im Gespräch zu bleiben.
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