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Die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sollen besser geschützt und die kriminellen Hintermänner stärker verfolgt werden. Darüber herrschte große Einigkeit unter den Sachverständigen am Mittwoch, 21. Mai 2014, im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter Vorsitz von Michael Brand (CDU/CSU). Die Abgeordneten hatten zu einer Anhörung eingeladen, um über die menschenrechtliche Situation von Zwangsprostituierten in Deutschland und Europa zu diskutieren.
Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte sah Handlungsbedarf an drei kritischen Punkten: Sie forderte, das Aufenthaltsrecht von Betroffenen aus Drittstaaten, also Nicht-EU-Staaten, von deren Rolle im Strafverfahren abzukoppeln. Derzeit dürfen Frauen, die vor Gericht gegen ihre Zuhälter aussagen, nur bis zum Abschluss des Verfahrens in Deutschland bleiben.
Zudem müsse es ein Recht auf Familiennachzug geben. Eine Abkopplung erhöhe auch die Effektivität der Strafverfahren, sagte Follmar-Otto. Zweitens müssten die Opferentschädigungen gegenüber den Tätern verbessert werden und allen Opfern zugute kommen. Derzeit bekämen nur die Opfer eine Entschädigung, die nachweisen können, dass sie in Deutschland Opfer von körperlicher Gewalt geworden sind, nicht schon in ihren Herkunftsländern.
Drittens beklagte die Juristin, dass es immer noch nur unzureichendes Wissen um das genaue Ausmaß der Zwangsprostitution und Menschenhandels gebe. Deshalb forderte sie den Aufbau einer unabhängigen Berichterstatterstelle gegen Menschenhandel, wozu Deutschland nach einer EU-Richtlinie gegen Menschenhandel verpflichtet sei.
Suzanne Hoff von der internationalen Nichtregierungsorganisation „La Strada International“ (LSI) aus Amsterdam wies auf die gleiche Schwachstelle hin. Genaue und verlässliche statistische Zahlen zu Menschenhandel und Zwangsprostitution fehlten bisher. Die europäischen Länder nützten alle unterschiedliche Methoden zur Sammlung der Daten.
Hoff sprach sich dagegen aus, die Freier zu bestrafen. Diese würden oft dazu beitragen, dass Opfer aussagten. Eine Kriminalisierung der Freier, wie in Schweden geschehen, führe nur zu mehr Gewalt gegen die Frauen.
Der Journalist Michael Jürgs gab ihr Recht. Prostitution zu verbieten sei sinnlos. Die Nachfrage sei da, geschätzt würden täglich 1,2 Millionen Freier in Deutschland zu Prostituierten gehen. Er forderte ein komplettes Einfrieren der Vermögenswerte von angeklagten Zuhältern und Menschenhändlern und eine Beweislastumkehr, was die Herkunft deren Geldes anbelangt.
Carsten Moritz vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden wies auf die Schwierigkeit hin, Opfer zur Aussage gegenüber ihren Peinigern zu bewegen. Die Opfer stammten zum größten Teil als Rumänien und Bulgarien und seien Angehörige von Clanstrukturen. Deshalb sagten sie nicht gegen ihr soziales Umfeld aus. Zudem seien sie oft traumatisiert, und ihre Familien daheim benötigten das Geld oder würden bedroht.
Elvira Niesner von der Beratungsstelle „Frauenrecht ist Menschenrecht“ (FIM) in Frankfurt am Main sagte, die meisten Opfer seien Armutsmigrantinnen aus Osteuropa ohne festen Wohnsitz, Steuernummer oder Krankenversicherung. Es sei schwer, diese Frauen zu erreichen, trotz gesetzlicher Verbesserungen.
Niesner forderte, die Informationsangebote für die Frauen zu verbessern. Diese wüssten ihre Rechte nicht, hätten oftmals keine oder nur ungenügende Schulbildung, kein Vertrauen in die Behörden und kein Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken. Allerdings sprach sich Niesner gegen die Wiedereinführung einers verpflichtenden amtlichen Gesundheitskontrolle („Bockschein“) aus. Hier würden neue Ideen benötigt. (jbb/21.05.2014)