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Norbert Lammert gratuliert Navid Kermani (rechts) zur Verleihung des Heinrich-von-Kleist-Preises 2012. © picture-alliance/dpa
Das Erinnerungsjahr 2014 findet im Bundestag seinen Niederschlag mit drei Gedenkveranstaltungen im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes. Aus Anlass des 65. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 findet am Freitag, 23. Mai 2014, von 9 bis 10 Uhr eine Feierstunde statt. Während Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und die Vorsitzenden der Fraktionen im Bundestag über das Verhältnis von Verfassung und Parlament sprechen werden, wird 47-jährige Schriftsteller Dr. Navid Kermani als Gastredner zum Verhältnis von Verfassung und Gesellschaft Stellung nehmen.
Die Feierstunde wird ab 9 Uhr live im Internet in deutscher und englischer Sprache im Parlamentsfernsehen und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Der im westfälischen Siegen geborene habilitierte Orientalist Navid Kermani ist für sein wissenschaftliches und künstlerisches Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Navid Kermani wuchs als Kind einer iranischen Arztfamilie zweisprachig auf.
Für sein akademisches und literarisches Werk erhielt der Islamwissenschaftler und Publizist die Buber-Rosenzweig-Medaille, den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und den Heinrich-von-Kleist-Preis.
Kermani ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Hamburger Akademie der Wissenschaften. In seinen Werken beschäftigt er sich mit der europäischen und islamischen Kultur, der Universalität von Demokratie, Gewaltenteilung, weltanschaulicher Neutralität des Staates, Toleranz und Menschenrechten.
Er hielt die Frankfurter, die Göttinger sowie die Mainzer Poetikvorlesungen und war Gastprofessor für Ideengeschichte des Islams an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zurzeit lehrt er als Max Kade Distinguished Professor für deutsche Literatur am Dartmouth-College in den Vereinigten Staaten.
Zentraler Jahrestag ist jedoch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren, am 1. August 2014. In einer Gedenkstunde am Donnerstag, 3. Juli, wird der deutsch-französische Politikwissenschaftler Prof. Dr. Alfred Grosser ab 9 Uhr im Plenarsaal zu den Abgeordneten sprechen. Der in Frankfurt am Main geborene Grosser wurde für seine Verdienste um die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Gastredner der dritten Gedenkveranstaltung aus Anlass des 75. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 ist der polnische Staatspräsident Dr. h.c. Bronisław Komorowski. Die Gedenkstunde findet am Mittwoch, 10. September, im Bundestag statt. Der Ältestenrat war im März dem Vorschlag von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert gefolgt, Grosser und Komorowski als Gastredner einzuladen.
Der 61-jährige Komorowski entstammt einer Adelsfamilie, die im Zweiten Weltkrieg ihr gesamtes Eigentum verlor und zwangsweise nach Niederschlesien umgesiedelt wurde. Schon früh in Opposition zum kommunistischen Regime, schloss sich Komorowski der 1980 von Lech Wałesa gegründeten Gewerkschaft "Solidarność" an. 1989 wurde er auf der Liste der Solidarność in das polnische Parlament, den Sejm, gewählt.
Komorowski war Regierungsdirektor in der ersten nichtkommunistischen Regierung Polens unter Premierminister Tadeusz Mazowiecki. In den neunziger Jahren war er unter anderem stellvertretender Vizeverteidigungsminister und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Sejm. Als Mitglied der liberal-konservativen Bürgerplattform war er von 2001 bis 2005 außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. 2005 wurde Komorowski Vizepräsident und zwei Jahre später Marschall (Präsident) des Sejm.
In diesem Amt engagierte sich Komorowski für die deutsch-polnische Aussöhnung, wobei es zu regelmäßigen Begegnungen mit seinem deutschen Amtskollegen Norbert Lammert kam. Nach dem Tod von Staatspräsident Lech Kaczyński im April 2010 durch einen Flugzeugabsturz im westrussischen Smolensk übernahm Komorowski als Parlamentspräsident die Amtgeschäfte des Staatspräsidenten. Im Sommer 2010 schließlich wurde Komorowski selbst in das Amt des Staatspräsidenten gewählt.
Lammert und Komorowki eröffneten am 26. Mai 2009 die Ausstellung "Friedliche Revolution – Weg zur Freiheit: 20. Jahrestag der Wende in Polen" im Paul-Löbe-Haus des Bundestages in Berlin. In Essen vereinbarten die beiden mit dem damaligen französischen Parlamentspräsidenten Bernard Accoyer am 29. Mai 2010, sich künftig regelmäßig zu treffen, um ein Forum für einen kontinuierlichen und intensiven Meinungsaustausch über die Entwicklung der Europäischen Union und den Beitrag der Parlamente zu schaffen.
Sechsmal besuchte Komorowski in seiner dreijährigen Amtszeit als Sejm-Marschall Deutschland. Am 3. September 2010, Komorowski war bereits Staatspräsident, verliehen er und Lammert in Berlin zehn Deutschen die Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Zentrums der Solidarität in Danzig. Im Anschluss gingen die Preisträger mit Komorowski und Lammert zu dem Mauerrest der Danziger Lenin-Werft – ein Geschenk des polnischen Sejm an den Bundestag.
Zur Erinnerung an die ersten streikenden Arbeiter der Danziger Lenin-Werft Anfang der achtziger Jahre. Er steht der Mauerrest seither an der Nordostecke des Reichstagsgebäudes. An der dortigen Solidarność-Gedenktafel legten Komorowski, Bundespräsident Christian Wulff und Bundestagsvizepräsident Dr. h.c. Wolfgang Thierse am 17. Juni 2011 Blumen nieder.
Alfred Grosser, der zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges spricht, emigierte als Achtjähriger 1933 mit seinen jüdischen Eltern von Frankfurt am Main nach Frankreich. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung. Von 1948 bis 1967 war er Generalsekretär des Französischen Komitees für Austausch mit dem neuen Deutschland. Zugleich wirkte er seit 1951 an der Sorbonne und seit 1953 am Insstitut für politische Wissenschaften der Universität Paris, wo er seit 1955 eine Professur innehatte.
Seit 1992 ist Grosser emeritiert. Er zählt zu den wichtigsten geistigen Wegbereitern der Verständigung und Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg. (vom/19.05.2014)