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Am Donnerstag, 5. Juni 2014, debattierte der Deutsche Bundestag über das Thema Mindestlöhne in Deutschland, jedoch ging es dabei nicht, wie in den vergangenen Jahren meistens, um Anträge der Opposition. Es ging in erster Lesung um das Tarifautonomiestärkungsgesetz (18/1558), mit dem die Große Koalition einen Mindestlohn in Deutschland ab 2015 einführen möchte. Als Mindestlohn definiert der Entwurf einen Brutto-Stundenlohn von 8,50 Euro, der jedoch erst ab 2017 voll greift, da in einer Übergangsphase bis Ende 2016 auch Tarifverträge unterhalb dieser Grenze weiter Bestand haben können.
Ausgenommen vom Mindestlohn sind unter anderem Unter-18-Jährige ohne Berufsausbildung, Praktikanten und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten eines neuen Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Branchen ausdehnen zu können und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung deutlich zu erleichtern. Über die Höhe des Mindestlohns entscheidet künftig eine Mindestlohnkommission, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt stimmberechtigt sind.
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD) würdigte das Tarifpaket im Kontext der bundesdeutschen Geschichte als ein Gesetz mit „tiefer und grundlegender Bedeutung für unser Land“. Denn das, was Deutschland stark gemacht habe, verdanken wir der guten Tradition einer starken Tarifautonomie, die ein Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft sei.
Jedoch habe die Tarifautonomie in den vergangenen Jahren Risse bekommen. Obwohl das Arbeitnehmer-Entsendegesetz branchenbezogene Mindestlöhne für Millionen von Menschen geschaffen habe, bleiben „große, weiße Flecken“, so die Ministerin. Sie bezog sich dabei auf die fünf Millionen Beschäftigten, die in Deutschland im Niedriglohnsektor arbeiten und die sinkende Tarifbindung.
Das Tarifpaket bedeute nicht den Anfang staatlich regulierter Lohnpolitik, sondern vielmehr eine Stärkung der Tarifpartner, in deren Verantwortung es künftig liege, wie hoch der Mindestlohn sein wird. „Ja, wir müssen eingreifen, aber auch hier gilt die Prämisse der Tarifautonomie“, versicherte Nahles.
Klaus Ernst (Die Linke) nutzte seine Replik vor allem für ein Lob in eigener Sache. Die Union habe die Forderungen der Linken nach einem Mindestlohn noch in der letzten Legislaturperiode als „Aufguss alter Themen“ herabgewürdigt, aber die Hartnäckigkeit seiner Fraktion habe sich gelohnt, hielt ein gewohnt angriffslustiger Ernst den Kollegen vor. „2006 haben wir das Thema erstmals eingebracht und alle haben es abgelehnt. Ja, so ist die Welt“, stellte Ernst unter etlichen Zwischenrufen aus der Unionsfraktion fest.
Bei aller Freude müsse er aber dennoch auch einiges am Entwurf kritisieren, wie zum Beispiel die Ausnahmen für unter 18-Jährige und Langzeitarbeitslose. Auch diese Menschen hätten eine würdevolle Bezahlung verdient. Ernst forderte die Rücknahme dieser Ausnahmeregelungen und kritisierte die Höhe des Mindestlohns als zu niedrig, um daraus Rentenansprüche oberhalb der Grundsicherung zu erwerben.
Karl Schiewerling (CDU/CSU) erwiderte daraufhin, dass die Debatte über das Tarifpaket nicht zum Klamauk werden dürfe. Tatsächlich habe die Union schon seit Jahren daran gearbeitet, ein Konzept für einen Mindestlohn zu finden, der über eine Mindestlohn-Kommission geregelt werde. Denn dies sei natürlich Sache der Tarifpartner „und aus dieser Verantwortung werden wir diese auch nicht entlassen“, kündigte Schwiewerling an.
Auch er würdigte die Tarifautonomie. „Dort, wo sie funktioniert, haben wir auch keine Probleme mit dem Mindestlohn“, betonte der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion. Im Hinblick auf den weiteren parlamentarischen Beratungsprozess müsse man nun darauf achten, dass die Wirtschaft nicht mit unnötiger Bürokratie belästigt werde und Branchen mit besonderen Bedürfnissen Übergangsfristen bekommen, sagte Schiewerling.
Wie fast alle Abgeordneten verwies auch Kerstin Andreae von Bündnis 90/Die Grünen auf die Millionen Beschäftigten im Niedriglohnsektor: „Die Steuerzahler subventionieren diese Dumpinglöhne und Dumpinglöhne verzerren den Wettbewerb.“ Mit dem Mindestlohn finde Deutschland wieder Anschluss an Europa, „aber ein Sicherheitsnetz mit lauter Löchern ist kein Sicherheitsnetz“, kritisierte die Grüne und meinte damit die Ausnahmeregelungen, die dazu führten, dass zwei Millionen Menschen aus diesem Netz herausfallen.
Andreae monierte außerdem, dass der Gesetzentwurf bisher keine zusätzlichen Mittel für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls vorsehe. Diese seien aber nötig, um die Durchsetzung des Mindestlohns wirksam kontrollieren zu können. Es reiche zudem nicht aus, die Erfahrungen mit dem Mindestlohn erst 2020 wissenschaftlichen zu evaluieren.
Man müsse dafür sorgen, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ihre Arbeit machen könne, versuchte Dr. Carola Reimann (SPD) zu beruhigen. Es sei höchste Zeit, dass mit dem Tarifpaket, das, was in Europa längst Normalität ist, auch in Deutschland Realität wird. Reimann betonte vor allem die Bedeutung des Mindestlohns für Frauen. Diese würden besonders von einem Mindestlohn profitieren, da sieben von zehn Beschäftigten im Niedriglohnsektor weiblich seien.
Um die Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu stärken, reiche ein Mindestlohn allein aber nicht. Nötig seien vielmehr weitere Schritte gegen Lohndiskriminierung und für mehr Frauen in Führungspositionen sowie für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Reimann. (che/05.06.2014)