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Eine gesetzliche Deckelung der Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite haben die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch, 24. September 2014, mehrheitlich abgelehnt. Hauptgrund ist, dass der Dispokredit und der damit verbundene Zinssatz nach Aussage der Experten ein Kopplungsprodukt ist, dessen Kosten mit den Kosten anderer Produkte wie dem Girokonto verbunden sei und daher jede Bank unterschiedliche Preise habe.
Anlass für die Anhörung unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) waren Anträge der Fraktionen Die Linke (18/807) und Bündnis 90/Die Grünen (18/1342). Angesichts der niedrigen Zinsen, mit denen sich Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen können, fordern beide Fraktionen eine Vereinheitlichung der Zinssätze: Die Linke auf höchstens fünf Prozentpunkte über dem Leitzins der EZB, die Grünen auf einem „vertretbaren Niveau“.
Die meisten Sachverständigen lehnten solche Überlegungen ab. Prof. Dr. Christoph Kaserer von der Technischen Universität München erläuterte, dass der Dispokredit ein Koppelungsprodukt sei, das mit anderen Dienstleistungen wie dem Girokonto verbunden ist. Bei einer Deckelung würden die Kosten an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Eine gesetzliche Maßnahme schade den Verbrauchern deshalb eher.
Prof. Dr. Markus Arzt von der Universität Bielefeld sprach sich ebenfalls gegen eine „Zinspreisbremse“ aus. Sie würde zu stark in die private und unternehmerische Autonomie der Banken eingreifen. Sinnvoller sei es, die Transparenz zu erhöhen und konkrete Angebotspflichten oder Beratungspflichten für den Fall der Fälle einzuführen.
So sah es auch Gerhard Hofmann von der Deutschen Kreditwirtschaft, wenngleich es seiner Meinung nach bereits umfangreiche Informationspflichten für die Banken gibt. Auch herrsche kein Marktversagen in Deutschland. Vielmehr gebe es einen sehr heftigen Wettbewerb im Bankensektor.
Dr. Martin Schmidberger, Vertreter der Bank ING-DiBa AG, sagte, sein eigenes Haus, das relativ niedrige Zinssätze für den Dispokredit habe, sei Beispiel dafür, dass es kein Marktversagen gebe. Auch er hielt eine gesetzliche Deckelung des Zinssatzes nicht für sinnvoll. Allerdings sieht Schmidberger ein „massives Versagen an Transparenz am Markt“. Die Institute sollten eher jede Zinsänderung ausdrücklich und "aufmerksamkeitsstark" kommunizieren.
Aus Sicht der Praktiker berichtete der Rechtsanwalt Dean Martinovic aus Berlin. Im Alltag kämen juristische Auseinandersetzungen um Dispozinsen kaum vor. Ein Vorgehen gegen hohe Dispozinsen mit dem Hinweis auf „Wucher“ sei juristisch nicht möglich. Allerdings sieht er bei Zinsen für die geduldete Überziehung eine abschreckende Sanktionsmöglichkeit, wenn die Informations- und Unterrichtungspflichten verletzt worden sind.
Skeptisch zeigte sich Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Höhe des Dispozinssatzes für viele Menschen nicht ausschlaggebend für die Wahl ihres Kontos. Er zeigte sich skeptisch, ob mehr Transparenz allein das Probleme lösen kann. Eine gesetzliche Begrenzung hielt er für die „einzig zuverlässige Methode, das Zinsniveau zu senken“.
Dem stimmte Pamela Wellmann von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände zu. Aus Sicht der Schuldnerberatung ist der Dispokredit und der damit zusammenhängende Dispozins Mitauslöser für Überschuldung. Für bestimmte Verbrauchergruppen sei der Zinssatz nicht verhandelbar oder ein Umstellen auf einen günstigeren Verbraucherkredit nicht möglich.