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Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, sieht durch die geplante Bankenunion deutsche Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Nachteil gegenüber europäischen Großbanken. In einem am Montag, 29. September 2014, in der Wochenzeitung "Das Parlament" erschienenen Interview sagt Troost, dass im derzeitigen deutschen Bankenrettungsfonds viel weniger Geld sei als vorgesehen, weil die Einzahlungspflicht der Banken gewinnabhängig ist.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Dr. Troost, hierzulande verbreitet sich allmählich das Gefühl, die Krise sei überstanden. Ist dieses Gefühl trügerisch?
Ich glaube ja. Was die Staatenfinanzierung angeht, weil etwa für Frankreich und Italien immer noch große Zinsrisiken bei der Refinanzierung auf den Kapitalmärkten lauern. Und es ist auch trügerisch, weil nach wie vor in den Bankbilanzen Restposten existieren, die durchaus zu Schieflagen führen können. Insofern wird man jetzt erst mal abwarten müssen, was die Stresstests ergeben und ob da eine gewisse Entwarnung zu sehen ist oder nicht.
Die Europäische Bankenunion soll vergleichbare Krisen künftig verhindern. Kann sie das?
Ich bin der Ansicht, dass die Bankenunion ein Fortschritt ist. Die Zuständigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) für die großen Banken, die ja ein Marktvolumen von 85 Prozent abbilden, wird für koordiniertere Abläufe sorgen, als das bisher der Fall war. Ob das schon pünktlich zum 4. November passieren wird, an dem die EZB offiziell übernehmen will, wage ich zu bezweifeln. Trotz allem kann ich zumindest aus deutscher Sicht sagen, dass die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gute Vorarbeit für die Übergabe an die EZB geleistet hat. Daher ist zu erwarten, dass ein bisschen mehr Stabilität herauskommt.
Entscheidend aus Sicht der Bundesregierung ist, dass künftig nicht mehr der Steuerzahler, sondern vorrangig die Finanzinstitute selbst für ihre Probleme aufkommen müssen.
Erst mal ist der Anspruch völlig richtig. Man hat eine Haftungskaskade aufgebaut, die zunächst die Banken und ihre Eigentümer in die Pflicht nimmt und dann bestimmte Gläubigerpositionen mit heranzieht. Das soll bis zu acht Prozent der Bilanzsumme ausmachen und wäre sicherlich schon eine erhebliche Entlastung. Dazu kommt für Notfälle der Bankenabwicklungsfonds. Ob das aber bei einer systemischen Krise, also nicht nur der Krise einer einzelnen Bank, reichen wird, wage ich zu bezweifeln. Das Grundproblem ist: Die Banken sind nach wie vor viel zu groß, und die Politik hat nicht den Anspruch umsetzen können, sie kleiner zu machen. Daher bleiben die Risiken sehr groß. Im Übrigen machen die indirekten Kosten einer Finanzkrise – Steuerausfälle, Konjunkturprogramme, Kurzarbeitergeld – meist ein Vielfaches der Kosten für die Bankenrettung aus. Und keiner kann Ihnen sagen, wie unter dem Regime der Schuldenbremse in der Bundesrepublik und dem Regime des Fiskalpaktes europaweit überhaupt Krisenbewältigungen künftig laufen sollen. Dürfen dafür Kredite aufgenommen werden und wie lange? Antizyklische Politik soll zwar möglich sein, aber spätestens im zweiten Jahr oder bei stagnativer Entwicklung ist das völlig offen. Und solange an dem Dogma festgehalten wird: keine Steuererhöhung für Besserverdienende, solange ist der öffentliche Spielraum dann mehr als knapp.
Sie haben den 2010 beschlossenen deutschen Bankenrettungsfonds heftig kritisiert. Warum?
Weil das vorgesehene Volumen nicht erreichbar ist. Der Fonds ist so konstruiert, dass er gewinnabhängig ist. Große Banken haben die auf sie entfallenden Abgaben nicht bezahlt, weil die Gewinne dafür nicht ausreichend waren. Anschließend wurde den Banken die Zahlung sogar gestundet. Die Commerzbank hat bisher so gut wie nichts gezahlt, obwohl sie eine Riesen-Krisenverursacherbank gewesen ist. Jetzt ist viel zu wenig im Fonds.
Und wird es mit dem neuen europäischen Bankenabwicklungsfonds besser?
Dieses Problem wird bei der europäischen Lösung dadurch versucht aufzufangen, dass man den Sparkassensektor und den Genossenschaftssektor in viel größeren Umfang als bisher in Deutschland mit in die Pflicht nimmt. Das ist aber aus unserer Sicht völlig systemwidrig, weil Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht Krisenverursacher waren und auch nicht sein werden. Keine von ihnen ist so groß, und zudem haben sie ihre eigenen solidarischen Sicherungssysteme. Sie müssen also in diesen Fonds einzahlen, ohne je davon zu profitieren. Deswegen muss die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der EU-Kommission viel stärker als bisher dafür sorgen, dass das spezifische deutsche Bankenwesen mit sehr vielen kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht geopfert wird zugunsten von Großbanken, französischen, italienischen, spanischen, die entlastet werden, weil der Fonds von den kleinen deutschen aufgefüllt wird.
In Vorbereitung auf die Bankenunion laufen derzeit die Stresstests. Dabei sind die Probleme des portugiesischen Banco Espirito Santo ans Licht gekommen.
Das zeigt, dass man die Probleme jetzt in der Tat angeht und auch versucht, Lösungen zu finden. Wir werden möglicherweise erleben, dass auch eine deutsche Bank ein Problemfall wird. Aus unserer Sicht ist es allerdings unsinnig, das Gesamtergebnis des Stresstests den Banken erst 48 Stunden vor der Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Das wird am Freitag sein, und am Montag ist der Markt wieder auf. Das heißt, dass an einem Wochenende Lösungen zu finden sein müssen. Das kann schon im Einzelfall zu Verwerfungen führen. Niemand kann ein Interesse haben, dass einzelne Banken dann nicht ausreichend Zeit haben, um vernünftig zu handeln, sei es über die Kapitalmärkte, sei es, wenn sie öffentlich-rechtlich sind, mit ihren jeweiligen Landesregierungen.
Bisher hat der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM Staaten geholfen, die durch die Bankenrettung in Finanznöte geraten sind. Das hat dann die Staatsverschuldung hochgetrieben. Künftig soll der ESM unter Umständen direkt zur Rekapitalisierung von Banken beitragen können. Ein Fortschritt?
Nein. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es überhaupt möglich und vernünftig ist, vom ESM direkt Geld in die Banken hineinzustecken. Wir haben immer gefordert: Wenn Staaten öffentliches Geld in Banken stecken, muss das natürlich mit Einflussnahme verbunden sein, mit Mandaten in Aufsichtsräten und anderem. Und das können nur die Nationalstaaten. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass ein ESM Eigentümerrechte gegenüber einer Bank ausübt oder dass das sinnvoll sein kann. Insofern sollte der ESM Gelder immer nur über die Staaten zur Verfügung stellen, die dann wirklich auch Einfluss nehmen und bitte dafür sorgen müssen, dass diese Banken wesentlich kleiner werden oder, wenn notwendig, auch geregelt abgewickelt werden.
Eine Gruppe von Professoren klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bankenunion, weil diese der EZB mehr Macht gebe, als die EU-Verträge erlaubten. Wie beurteilen Sie das?
Die ganze Konstruktion ist ein Problem. Fangen wir mal damit an, dass natürlich durch die Zuständigkeit der EZB die Maßnahmen auf die Eurozone beschränkt sind. Wir waren mit dem Finanzausschuss in London und haben von den britischen Kollegen gehört: Macht das mal mit der Bankenunion, wunderbar, aber ohne uns! Das ist schon ein Problem, wenn der größte Finanzplatz, London, nicht mit dabei ist. Das zweite ist, dass die EZB natürlich in Interessenkollisionen kommt als Institution, die hoheitlich für Geldpolitik zuständig ist und gleichzeitig Aufsicht sein soll. Man hat eben ganz schnell eine Lösung gesucht, um genau das von Ihnen angesprochene ESM-Problem anzugehen. Die Bundeskanzlerin hat darauf gedrungen, dass es sehr schnell zu dieser Bankenunion kam. Man hätte lieber eine andere Institution gründen sollen, als auf die EZB zurückzugreifen.
(hle/29.09.2014)