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Die von der Bundesregierung vorgelegte „Digitale Agenda 2014 bis 2017“ (18/2390) stößt bei der Opposition auf heftige Kritik. Während der Debatte am Donnerstag, 16. Oktober 2014, sprach Halina Wawzyniak (Die Linke) von einer „folgenlosen Ankündigungspolitik“. Benötigt werde hingegen ein Fahrplan, „welches Vorhaben wann umgesetzt wird“. Die Vorlage komme einem Offenbarungseid gleich, sagte Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Es fehle unter anderem jede Aussage zur Finanzierung des geplanten Netzausbaus. In einem von den Grünen vorgelegten Antrag (18/2880) wird zudem kritisiert, dass die in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ entwickelten Handlungsempfehlungen bei der Agenda der Bundesregierung nicht berücksichtigt worden seien.
Sören Bartol (SPD) warf Linken und Grünen im Gegenzug vor, die Debatte „miesepetrig“ zu führen. „Wir handeln, und Sie lamentieren immer nur“, sagte er. Der Vorwurf, „wir legen zu wenig Gewicht in die Digitalpolitik“, sei nicht zu treffend, sagte Thomas Jarzombek (CDU/CSU). Es gebe nicht nur inzwischen einen eigenen Ausschuss für das Thema, sondern mit Günther Oettinger bald auch einen deutschen Digitalkommissar in der EU-Kommission.
Die digitale Agenda der Bundesregierung sieht unter anderen vor, „mittels eines effizienten Technologiemixes bis 2018 eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde“ zu schaffen. Durch die Vergabe von Mobilfunkfrequenzen, so machte Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) deutlich, wolle man finanzielle Mittel erwirtschaften, mit denen der Breitbandausbau unterstützt werde.
Außerdem habe er mit der Netzallianz Digitales Deutschland, in der Unternehmen seien, die investitionswillig sind, „eine Vereinbarung geschlossen, dass diese allein im nächsten Jahr acht Milliarden Euro in die Hand nehmen werde, um den Digitalausbau in Deutschland zu fördern“. Dobrindt sprach von einem Gemeinschaftsprojekt zwischen Politik und Wirtschaft. „Wir brauchen in allen Regionen schnelle Breitbandverbindungen“, betonte er.
Das Zusammenwirken mit der Netzallianz bewertete Halina Wawzyniak jedoch kritisch. In dem von der Allianz vorgelegten Kursbuch werde deutlich, dass die Unternehmen als Gegenleistung für ihre Investitionen die Möglichkeit eingeräumt bekommen wollen, zusätzliche „Service-Dienste“ anzubieten.
„Sie wollen die Netzneutralität opfern, um den Breitbandausbau zu finanzieren“, sagte die Linke-Abgeordnete an die Regierung gewandt. „Das ist mit uns nicht zu machen“, fügte sie hinzu. Was die vorgelegte digitale Agenda angeht, so sei es erstaunlich, dass die Regierung 40 Seiten auffüllt „mit Dingen, die zu tun sind“. Obwohl es doch mehr als 100 konkrete Handlungsempfehlungen der Internet-Enquete aus der vergangenen Legislaturperiode gebe.
Aus Sicht von Sören Bartol (SPD) zeigt die dgitale Agenda hingegen, dass die Koalition die Digitalisierung aktiv gestalten wolle. Die Digitalisierung könne dazu beitragen, dass sich Familie und Beruf leichter miteinander in Übereinstimmung bringen lassen. Sie könne auch dafür sorgen, dass harte körperliche Arbeit erleichtert wird. Und auch mithelfen, dass der Mittelstand in Deutschland „international weiter erfolgreich mitspielen kann“.
Die vorgelegte Agenda sei ein Maßnahmenplan, „der vom Parlament Schritt für Schritt abgearbeitet wird“, so Bartol. „Es liegt nun in unseren Händen, ob wir dabei ängstlich nur die Risiken der Digitalisierung betonen oder ob wir die Digitalisierung gemeinsam optimistisch als Chance begreifen“, sagte er mit Blick auf die Kritik aus den Reihen der Opposition.
„Wir führen keine Angstdebatte“, entgegnete Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Snowden sei aber Realität. Umso verwunderlicher, dass sich über den größten Datenschutzskandal kein Wort in der Vorlage finde, fand Notz. Was die Koalition hier als Agenda abzufeiern versuche, so der Grünen-Abgeodnete, sei „hochnotpeinlich“. Tatsächlich sei es so, dass die Digitalpolitik der Bundesregierung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen den zuständigen Ministerien gezeichnet sei. Dabei sei ein Versagen sowohl beim Wirtschafts- als auch beim Innen- und dem Infrastrukturministerium zu konstatieren.
Wirtschaftsminister Gabriel schaffe es noch nicht einmal, „Rechtssicherheit bei WLAN-Betreibern sicherzustellen“. Innenminister de Maiziere wolle IT-Sicherheit schaffen, halte aber an der Vorratsdatenspeicherung fest. Dobrindt wiederum wolle den Breitbandausbau voranbringen, ihn aber nicht finanzieren.
Das Thema Datenschutz griff auch Thomas Jarzombek (CDU/CSU) auf. Datenschutz sei eine zentrale Herausforderung für die Gründung neuer Unternehmen und für die Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden. Produzenten von selbstfahrenden Autos, „in zehn Jahren das zentrale Wettbewerbsmittel“, benötigten eine Kamera im Auto, um zu überprüfen, „ob der Fahrer wach ist oder schläft“.
Wenn vor diesem Hintergrund „eine oberste Bundesbehörde“ Werbeaufkleber verteilt, die man auf seine Handykamera kleben soll, „dann sind wir nicht gerade die richtigen Treiber des kulturellen Wandels, sondern eher das Problem“. Daher sei es wichtig, dass bei der europäischen Datenschutzverordnung ein Rahmen geschaffen werde, „der nicht nur die berechtigten Datenschutzinteressen der Bürger schützt, sondern der auch die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht einbremst“, sagte Jarzombek. (hau/16.10.2014)