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Personen mit Migrationshintergrund engagieren sich tendenziell weniger als Personen ohne Migrationshintergrund. Diese Einschätzung traf Dr. Cornelia Schu, Geschäftsführerin beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, am Mittwoch, 15. Oktober 2014, vor dem von Willi Brase (SPD) geleiteten Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“. Bezugnehmend auf Ergebnisse der Freiwilligensurveys 2004 und 2009 sagte Schuh, während Migranten eine Engagementquote von 23 Prozent hätten, liege der Anteil beim Rest der Bevölkerung bei 36 Prozent.
Die Unterschiede lösten sich auf, berücksichtige man Faktoren wie Bildungsniveau, Erwerbsstatus, Qualifikation und Einkommen, fügte sie hinzu. Auch sei ein „positiver Zusammenhang“ zwischen Aufenthaltsdauer und Engagement zu beobachten. Schu konstatierte ein „Lücke“ zwischen hoher Bereitschaft und tatsächlichem Engagement der Gruppe der Migranten. „Dieses Potenzial gilt es zu erschließen“, sagte sie. Seine Aktivierung bedürfe besonderer öffentlicher Unterstützung.
Möglicherweise ist die Zahl der engagierten Migranten jedoch auch größer. Wie die Geschäftsführerin des Sachverständigenrates weiter ausführte, finde das Engagement der Migranten oftmals innerhalb von Migrantenorganisationen statt. Deren genaue Zahl sei jedoch nicht bekannt.
Auch wenn die Engagementquote der Migranten von 1999 bis 2009 von 20 auf 23 Prozent gestiegen sei, liege sie noch immer unter dem Schnitt, konstatierte auch Elke Ferner (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Grund dafür könne sein, dass viele der Zugewanderten „unsere Art des bürgerschaftlichen Engagements aus ihren Herkunftsländern nicht kennen“. Stattdessen würden sie sich in Familien- und Nachbarschaftsinitiativen engagieren, die das Freiwilligensurvey nicht erfasst habe.
Ferner machte deutlich, dass sie sehr wohl den Eindruck habe, dass sich beispielsweise die Wohlfahrtsverbände für Migranten öffnen würden. Zudem entstünden auch eigene Strukturen, die Deutsche wie auch Menschen mit ausländischen Hintergrund in den Blick nähmen. Das Familienministerium, so kündigte die Staatssekretärin an, werde dazu beitragen, die Potenziale zu bündeln und die Beteiligten zusammenzubringen. „Uns ist es wichtig, die Erfahrungen derjenigen, die eine Einwanderungsbiografie haben, mit in unsere Gesellschaft einzubinden“, betonte Ferner.
Was die Integration durch Sport angeht, so verwies Willi Hink, beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) verantwortlich für den Amateurfußball, auf das durchaus vorhandene Potenzial.
Da es jedoch kaum belastbare Zahlen oder Studien zum Thema bürgerschaftliches Engagement von Migranten im Sport gebe, sei man auf wenig repräsentative Befragungen angewiesen. Denen zufolge liege der Anteil der Migranten in Fußballvereinen bei 20,3 Prozent und damit deutlich höher als bei Vereinen anderer Sportarten (8,8 Prozent).
Die Migrantenorganisationen seien sehr heterogen zu betrachten, sagte Kenan Kücük vom Forum der Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Es existierten kleine, auf ehrenamtlicher Basis geführte Organisationen ebenso wie „große Vereine mit überaus guten hauptamtlichen Strukturen“. Die meisten Organisationen seien in der sozialen Arbeit tätig, ihr Engagement werde aber oftmals nicht als solches anerkannt, kritisierte Kücük. Auch hätten viele der kleinen Organisationen nicht die Strukturen und Kenntnisse, um an den Förderprogrammen zu partizipieren. Sie könnten entweder die Anträge nicht effizient stellen oder erhielten nicht die Informationen über die Fördermöglichkeiten.
„Zudem werden sie nicht in die institutionellen Netzwerke vor Ort eingebunden und es wird ihnen oft mit Misstrauen begegnet“, sagte Kücük. Zugleich räumte er ein, dass das Misstrauen auch auf Seiten der Migranten zu finden sei. Ziel der Engagement-Politik müsse es sein, so der Migrantenvertreter, dass auch die Migrantenorganisationen an allen Förderprogrammen partizipieren könnten. „Der Migrant darf nicht mehr als Exot gesehen werden, sondern als selbstverständliches Mitglied der Gesellschaft“, forderte Kücük. (hau/16.10.2014)