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Berlin: (hib/JOH) Zahlreiche Experten haben am Mittwochvormittag im Umweltausschuss das Vorhaben der Regierung begrüßt, die Rücknahme von Elektro- und Elektronik-Altgeräten neu zu regeln, um so die Sammelmenge von Altgeräten zu erhöhen. In der öffentlichen Anhörung mahnten sie jedoch zugleich zahlreiche Änderungen an der von der Bundesregierung geplanten Novellierung des Elektro- und Elektronikgesetzes (ElektroG, 18/4901) an.
Mit dem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (18/4901) soll die EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte in deutsches Recht umgesetzt werden. Große Händler mit einer Elektroverkaufsfläche ab 400 Quadratmetern sollen künftig verpflichtet werden, Altgeräte beim Neukauf eines gleichwertigen Gerätes zurückzunehmen. Kleinere Geräte sollen die großen Händler auch ohne den Kauf eines entsprechenden Neugerätes zurücknehmen müssen. Ziel ist es, ab 2016 45 Prozent und ab 2019 65 Prozent der Altgeräte zu erfassen. Die öffentlichen rechtlichen Entsorgungsträger sollen die abgegebenen Altgeräte unverzüglich der „stiftung elektro-altgeräte register“ melden müssen, die als „Gemeinsame Stelle der Hersteller“ errichtet worden ist.
Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) begrüßte die geplanten hohen Erfassungsquoten. Sie seien geeignet, das Recycling von Elektroaltgeräten zu befördern. Die Pflicht zur unverzüglichen Meldung führe jedoch zu einer unnötigen Bürokratie, kritisierte er. Er schlug eine monatliche Meldepflicht beziehungsweise eine Quartalsmeldung vor. Außerdem sprach Thärichen sich im Namen des VKU dafür aus, dass alle im Handel zurückgenommenen Elektroaltgeräte an die öffentlichen Entsorgungsträger abgegeben werden sollen. Es sei zu befürchten, dass bei der neuen umfassenden Verpflichtung des Handels zur Rücknahme der Geräte sowohl ein gesetzeskonformes Management der Altgeräte als auch die Mengenmeldungen nicht eingehalten werden, sagte Thärichen zur Begründung. Die kommunalen Sammelstellen seien hingegen für die vollständige Übernahme von Altgeräten aus privaten Haushalten ausgelegt.
Diese Ansicht vertrat auch Otmar Frey vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e. V. (ZVEI). Die Hersteller sollten nicht verpflichtet werden, die Altgeräte beim Handel abzuholen. Vielmehr sollte der Handel sie an die kommunalen Sammelstellen weitergeben, um eine „Zersplitterung der Rücknahmewege“ zu verhindern. Frey wies darauf hin, dass viele Altgeräte wegen der darin enthaltenen Rohstoffe inzwischen einen hohen Wert hätten, sich daher viele „darum reißen“ würden. Wenn diese Altgeräte am Ende nicht in den offiziellen Kanälen landeten, hätten „alle verloren“, auch der Umweltschutz.
Kai Falk vom Handelsverband Deutschland e. V. (HDE) zeigte sich überzeugt, dass die ambitionierten Sammelquoten von 65 bis 2019 durch die bestehende Sammlung über kommunale Sammelstellen, ergänzt durch ein freiwilliges System des Handels sowie Kooperationen zwischen Handel und Kommunen, erreicht werden können. Er begrüßte zudem die im Gesetzentwurf vorgesehene Einschränkung, dass Vertreiber nur eine Rücknahmepflicht haben sollen, wenn ihre Elektroverkaufsfläche größer als 400 Quadratmeter ist. „Eine generelle Rücknahmepflicht würde zu keiner signifikanten Steigerung der Sammelmengen und zu unverhältnismäßig hohen Belastungen insbesondere des kleinen und mittelständisch geprägten Einzelhandels führen“, betonte Falk. Er verwies darauf, dass schon heute 85 Prozent der über den Einzelhandel zurückgenommenen Elektroaltgeräte in Ladengeschäften mit über 400 Quadratmetern Elektroverkaufsfläche zurückgenommen würden.
Jürgen Resch von der Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) kritisierte hingegen die 400-Quadratmeter-Regel. „Größere Discounter und Lebensmitteleinzelhändler, die ebenfalls Elektrogeräte verkaufen, sind damit ausgenommen, sie stehlen sich aus der Verantwortung.“ Bezugsgröße für die Rücknahmepflicht sollte nicht die Elektroverkaufsfläche, sondern die Ladengröße sein. Resch forderte, dass grundsätzlich alle Vertreiber mit einer Gesamtverkaufsfläche beziehungsweise Lager- und Versandfläche von 100 Quadratmetern Altgeräte zurücknehmen müssten. Außerdem sprach er sich für die Einführung einer Wiederverwendungsquote von fünf Prozent aus. Altgeräte müssten an den Sammelstellen von geschultem Personal vorsortiert und auf ihre Wiederverwendbarkeit geprüft werden, sagte Resch.
Ralf Bleicher von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände kritisierte insbesondere das im Entwurf verankerte Verbot der Kooperation kommunaler Sammel- und Übergabestellen mit Rücknahmesystemen der Hersteller. Dieses sei „unverständlich und kontraproduktiv“. Er verwies darauf, dass es solche Kooperationen bereits gebe. „Sie fördern die Erfassung von Altgeräten und reduzieren den logistischen Aufwand, somit auch die Umweltbelastung.“ Negativ bewertete Bleicher zudem die Regelung, dass sämtliche Altgeräte, die potenziell sowohl von privaten Haushalten als auch von anderen Nutzern verwendet werden, immer als Elektro- und Elektronikgeräte aus privaten Haushalten gelten sollen. Dies könne dazu führen, dass zu viele Altgeräte dem Herkunftsbereich der privaten Haushalte zugeschlagen werden könnten, warnte Bleicher. Er wies darauf hin, dass unter anderem Nachtspeicheröfen in manchen Kommunen zu 95 Prozent im gewerblichen Bereich und zu 5 Prozent im privaten Bereich verbaut seien. Auch Photovoltaik-Module könnten auf privaten Hausdächern eingesetzt werden.
Diese Kritik teilte Thomas Dietershagen von der Ingenieurberatung Dietershagen. Die Neufassung könne dahingehend interpretiert werden, dass Institutionen, Gewerbetreibende und Produktionsunternehmen alle Elektroaltgeräte, die auch in privaten Haushalten vorkommen können, nur noch über öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, Hersteller oder Vertreiber entsorgen dürfen, betonte er in seiner schriftlichen Stellungnahme. Dies wäre nicht sachgerecht und hätte sowohl einen Mengenentzug für die private Entsorgungswirtschaft als auch Zusatzbelastungen für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Folge. Die Novellierung des ElektroG berücksichtige darüber hinaus einige bestehende Schwachstellen und Defizite des bisherigen Gesetzes noch nicht ausreichend, bemängelte Dietershagen. Insbesondere würden die neuen Vorschriften allein noch nicht ausreichen, um den großen Abfluss von Elektroaltgeräten in das nichteuropäische Ausland zu unterbinden.
Uwe Feige vom Kommunalservice Jena warf der Bundesregierung vor, eine „unzulängliche Kenntnis über den Vollzug in der Praxis“ zu haben und offensichtliche Probleme und deren Lösung aufzuschieben. Zwar betonte er, dass mit dem ElektroG in der Praxis die Erfassung alter Geräte gesichert werde, was „ein erster richtiger und notwendiger Schritt“ sei. Doch sei eine Auswirkung auf die Hersteller nicht zu beobachten. „Im Gegenteil, die Nutzungszyklen von Produkten werden immer kürzer.“ Feige forderte zudem, dass bei der Erfassung der Altgeräte eher auf die Qualität der Daten Wert gelegt werde und nicht auf die Schnelligkeit der Übermittlung.
Zahlreiche Abgeordnete erkundigten sich bei den Experten nach Möglichkeiten, wie man auch den Online-Handel in die Rücknahmepflicht einbeziehen könnte. Dazu sagte Holger Thärichen, es sei unrealistisch anzunehmen, dass die Bürger ihre Altgeräte verpacken und zum Paketshop bringen würden. Er schlug vor, dass die Altgeräte ebenfalls zu den kommunalen Sammelstellen gebracht werden können. Kai Falk vom HDE betonte, Online-Händler sollten ausdrücklich in die Rücknahmeverpflichtungen einbezogen werden. Da viele neben einem Onlineshop auch ein Ladengeschäft betreiben würden, wären Kooperationen mit stationären Händlern denkbar. Jürgen Resch von der DUH schlug vor, dass Käufer noch einem Monat nach Kauf eines Elektrogerätes in einem Online-Shop die Möglichkeit zur Rückgabe des alten Gerätes haben sollten. „Auf keinen Fall“ dürfe der Versandhandel aus diesen Verpflichtungen herausgenommen werden, betonte Resch.
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