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Gesundheit/Gesetzentwurf- 11.09.2015
Berlin: (hib/PK) Das zweite Pflegestärkungsgesetz liegt jetzt im Bundestag zur Beratung vor. Im vergangenen Jahr hatte das Parlament bereits den ersten Teil der großen Pflegereform mit umfassenden Leistungsverbesserungen gebilligt, die seit Anfang 2015 in Kraft sind. Mit dem zweiten Teil der Reform (18/5926) wird vor allem ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt.
Künftig soll die Pflegebedürftigkeit genauer ermittelt werden können, unabhängig davon, ob Pflegebedürftige körperliche Einschränkungen haben oder unter Demenz leiden. Dazu werden die bisher drei Pflegestufen zu fünf Pflegegraden ausgebaut. Mit bis zu 500.000 neuen Anspruchsberechtigten wird in den nächsten Jahren gerechnet.
Nachteile für Alt-Pflegefälle soll es nicht geben. Finanziert wird die Reform durch eine Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent (2,8 Prozent für Kinderlose) zum Jahresbeginn 2017. Dann sollen insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege bereit stehen. Die Beiträge sollen sodann bis 2022 stabil bleiben.
Mit der neuen Begutachtung werden nach Angaben der Bundesregierung körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Der künftig entscheidende Grad der Selbstständigkeit wird in sechs Kategorien gemessen, aus der sich eine Gesamtbewertung ergibt, darunter Mobilität, psychische Problemlagen, Selbstversorgung sowie Gestaltung des Alltagslebens. Zuerkannt werden je nach Pflegegrad unterschiedliche hohe ambulante Geldleistungen, ambulante Sachleistungen und stationäre Leistungsbeträge.
Die Hilfe setzt künftig schon dann an, wenn Pflegefälle noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber etwa altersgerechte Wohnungsumbauten oder eine allgemeine Betreuung benötigen. In der vollstationären Pflege werden die Patienten finanziell entlastet, weil die Höhe des zu erbringenden Eigenanteils mit zunehmender Pflegebedürftigkeit nicht mehr steigt. So zahlen Pflegebedürftige der Pflegegrade zwei bis fünf in Pflegeheimen den gleichen Eigenanteil, der sich aber zwischen den Heimen unterscheiden kann.
Wer schon Pflegeleistungen bekommt, wird mit dem Gesetz automatisch in das neue System integriert. Ein neuer Antrag auf Begutachtung ist nicht nötig. Wer Leistungen von der Pflegeversicherung bereits bekommt, erhält diese mindestens im selben Umfang weiter. So werden Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. Aus Pflegestufe I wird also der Pflegegrad zwei. Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen in den übernächsten Pflegegrad. So wird aus Pflegestufe 0 der Pflegegrad zwei.
Verbesserungen sind auch für pflegende Angehörige vorgesehen. So soll künftig die Pflegeversicherung für Helfer, die einen Patienten mit Pflegegrad zwei bis fünf mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage, zu Hause betreuen, Rentenbeiträge zahlen. Wer einen Angehörigen mit Pflegegrad fünf betreut, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als bisher. Auch Angehörige, die sich um einen reinen Demenzfall kümmern, werden über die Rentenversicherung abgesichert.
Bei Menschen, die aus ihrem Beruf aussteigen, um Angehörige zu pflegen, bezahlt die Pflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer des Pflegeeinsatzes. Damit behalten diese pflegenden Angehörigen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld. Schließlich müssen die Pflegekassen kostenlose Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Helfer anbieten.
Mit den Änderungen soll auch die Bürokratie eingedämmt werden. So soll den Pflegefällen das Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Einstufung in einen Pflegegrad künftig automatisch zugehen. Vorgesehen ist auch eine Widerspruchsmöglichkeit. Die Empfehlungen des Medizinischen Dienstes zur Hilfsmittelversorgung sollen von den Pflegekassen künftig gleich als Antrag gewertet werden, ohne erneute Prüfung.
Grundlegend überarbeitet werden laut Regierung die Regelungen zur Qualitätssicherung, das betrifft auch den sogenannten Pflege-TÜV. Zudem soll mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch die Personalausstattung in den Pflegeeinrichtungen überprüft und an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Die Pflege-Selbstverwaltung wird erstmals gesetzlich dazu verpflichtet, ein wissenschaftlich fundiertes Personalbemessungssystem zu entwickeln und zu erproben.