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Der Leiter der Abteilung Technische Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hartmut Pauland, hat im NSA-Untersuchungsausschuss abgestritten, im Jahr 2013 darüber informiert worden zu sein, dass der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) vermeintlich jahrelang mit Hilfe des BND europäische Ziele ausspähte. Der Vorsitzende des Ausschusses, Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU), fragte am Donnerstag, 21. Mai 2015, gezielt nach den Überprüfungen der von den Amerikanern übermittelten Ziellisten, auch Selektorenlisten genannt, die durch die BND-Sachbearbeiter Dr. T. und W.O. durchgeführt wurden. Beide hatten dies in vergangenen Sitzungen des Gremiums bereits eingeräumt. Auftraggeber war BND-Unterabteilungsleiter D.B. gewesen. Dieser hatte ebenfalls ausgesagt, die Prüfungen in Auftrag gegeben, seinen Vorgesetzten Pauland aber nicht über die Ergebnisse informiert zu haben. Warum, beantwortete D.B. nicht und berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.
Abteilungsleiter Pauland gab auf Nachfrage Sensburgs an, dass der Fund der auffälligen Selektoren selbstverständlich an ihn hätte gemeldet werden müssen, da es sich dabei um ein besonderes Vorkommnis gehandelt habe. Es sei jedoch nicht passiert. Er habe erst im März dieses Jahres von den Auffälligkeiten erfahren. „Am 13. März um 22.45 Uhr“, so Pauland.
Auch seien die von den Amerikanern gelieferten Selektoren vorher kein besonderes Thema in der Abteilung gewesen. „Es gab nach den Snowden-Enthüllungen eine ganze Menge Baustellen – aber das war keine“, so Pauland. Der Ausschuss wird auch BND-Präsident Gerhard Schindler zu diesem Thema hören.
Pauland, der seine Stelle als Abteilungsleiter erst wenige Monate vor den Snowden-Enthüllungen im Sommer 2013 antrat, wies in einer einleitenden Erklärung zudem darauf hin, dass sich der BND derzeit in einem großen Umbruchprozess befinde. Man müsse weg von der alten, analogen Welt, hin zur digitalen Welt des Internets. Dieser Wandel sei so tiefgreifend wie die Änderung des Aufgabenprofils des Auslandsnachrichtendiensts nach dem Ende des kalten Krieges, so Pauland.
Die Opposition beklagt derweil weiterhin, dass ihr die Liste der von den amerikanischen Diensten an den BND gelieferten Spionageziele, die Selektorenliste, nach wie vor nicht vorliegt. „Es ist ein großes Verfahrenshindernis, dass wir diese wichtigen Unterlagen nicht zur Hand haben“, so Martina Renner, die Obfrau der Linken. Gemeinsam mit den Grünen hatte sie einen Antrag ins Gremium eingebracht, die Bundesregierung aufzufordern, bis spätestens zum 1. Juni die Listen vorgelegt zu bekommen. Der Antrag wurde jedoch von der Ausschussmehrheit vertagt.
„Die Versprechen von Altmaier und Merkel sind mittlerweile Makulatur“, so Renner weiter. Auch der Obmann der Grünen, Dr. Konstantin von Notz, kritisierte die Vertagung: „Es läuft wie beim Zeugen Snowden – es wird auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben“, so Notz. Einen Sonderermittler, der die Selektorenlisten im Auftrag des Ausschusses in Augenschein nehmen könnte, lehnte Notz ab. „Es gibt bereits einen tollen Sonderermittler, nämlich diesen Ausschuss.“
Christian Flisek, Obmann der SPD, wollte hingegen einen Sonderermittler nicht ausschließen. Dies sei ein möglicher erster Schritt. Er selbst präferiere allerdings das so genannte „Treptow-Verfahren“, in dem die Obleute der Fraktionen im Bundeskanzleramt die Listen einsehen könnten, ohne sich Kopien oder Notizen zu machen. Unabhängig davon zeigte er sich optimistisch, dass der Untersuchungsausschuss bis zur Sommerpause „wesentliche Erkenntnisse“ über die auffälligen Selektoren vorlegen können werde.
Zu diesem Zweck hätten sich alle Fraktionen nun auf eine Zeugenliste für die kommenden Sitzungen geeignet. Wie Nina Warken, Obfrau der CDU/CSU-Fraktion, bestätigte, befindet sich auf dieser Zeugenliste auch der heutige Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Die Opposition hatte bereits mehrfach beantragt, de Maizière zu laden, um ihn zu Selektoren zu befragen, die bereits im Jahr 2005 vom BND aussortiert wurden. Damals fielen Mitarbeitern Selektoren für die europäischen Firmen EADS und Eurocopter auf. De Maizière war damals Chef des Bundeskanzleramts, dem der BND untersteht.
Wie konnte es sein, dass die BND-Spitze und die Bundesregierung 2013 nicht darüber informiert wurden, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) den Bundesnachrichtendienst jahrelang dazu benutzte, Ziele auszuspähen, die nach Einschätzung von BND-Mitarbeitern gegen deutsche Interessen verstieß? Der Frage ging der Ausschuss in einer Sondersitzung am Mittwoch, 20. Mai, nach. Zu diesem Zweck hatte das Gremium drei Mitarbeiter geladen, die direkt mit der Liste der Ziele, so genannte Selektoren, befasst waren.
Als ersten Zeugen hörte das Gremium den Sachbearbeiter W.O., der in der BND-Abhörstation im oberbayerischen Bad Aibling mit der Prüfung der von den Amerikanern angeforderten Selektoren beauftragt war. Sensburg fragte, wie es zu den unterschiedlichen Zahlen kommen könne, die über das Ausmaß der vom BND abgelehnten Selektoren in der Öffentlichkeit kursieren. W.O. erläuterte, dass dies mit den unterschiedlichen technischen Darstellungsformen zusammenhänge, die für die Überwachung in verschiedenen Netzen notwendig sei. So könnten mehrere Selektoren nötig sein, um eine einzige Telefonnummer zu überwachen.
W.O. gab zudem an, dass es vor 2013 keine außergewöhnlich hohen Ablehnungsraten für Selektoren durch den BND gegeben habe. Erst als er von seinem Dienststellenleiter den Auftrag bekam, die von den Amerikanern gelieferte Liste auf europäische Politiker zu überprüfen, sei die Zahl in die Höhe gesprungen. Die Überprüfung war in der BND-Zentrale in Pullach durch den Unterabteilungsleiter D.B. in Auftrag gegeben worden, der ebenfalls als Zeuge verhört wurde. Er hatte in der vergangenen Sitzung des Ausschusses angegeben, trotz der zahlreichen Funde keine Meldung an die Hausspitze durchgeführt zu haben. Auf die Frage, warum nicht, berief er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.
SPD-Obmann Christian Flisek monierte diesbezüglich, dass es angesichts der Enthüllungen von Edward Snowden 2013 eine „mangelnde Sensibilität“ im BND gegeben habe. Es stehe ein massives Organisationsversagen im Raum – und damit auch ein „massives Versagen der Aufsicht.“ Der Ausschuss hörte zudem noch den Unterabteilungsleiter W.K., den Vorgänger von D.B.
Die Opposition kritisierte, dass sie die Liste der Selektoren nach wie vor nicht einsehen könne. Linke-Obfrau Martina Renner erinnerte daran, dass die Zeugen sich in Vorbereitung der Sitzungen sehr wohl Einblick in die Liste nehmen könnten, während die parlamentarischen Aufklärer dazu noch keine Gelegenheit hatten. „In jedem ordentlichen Gerichtsverfahren würde das zu einem Abbruch führen“, so Renner.
Auch der Grünen-Obmann Konstantin von Notz, beklagte, dass die Listen noch nicht vorlägen. „Während wir sprechen, wurden die Selektoren in Deutschland abgeschaltet. Aber in anderen Gebieten der Welt laufen sie weiter“, so von Notz. Die Bundesregierung habe die Pflicht, die Betroffenen zu informieren, wenn sie auf der Liste stünden.
Nina Warken, Obfrau der Unionsfraktion, nahm die Bundesregierung hingegen in Schutz. „Wir müssen nicht genau wissen, was auf den Listen steht, sondern ob gegen deutsches Recht verstoßen wurde“, sagte sie. Die Bundesregierung bemühe sich, hier ein geeignetes Verfahren zu finden, um dies herauszufinden. (pjh/21.05.2015)
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