Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Deutschland und Frankreich feiern goldenes Jubiläum: der Élysée-Vertrag wird 50 Jahre alt. Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer im Pariser Élysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit – kurz Élysée-Vertrag. Ein halbes Jahrhundert danach, am Dienstag, 22. Januar 2013, werden aus Anlass des Jubiläums der Unterzeichnung des Vertrags sowohl die französische Nationalversammlung (Assemblée nationale) und der Deutsche Bundestag als auch die Regierungen beider Länder im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes gemeinsam an dieses Ereignis erinnern.
Nach schrecklichen Kriegen und einer unversöhnlichen Konkurrenz, die mit dem Begriff der "Erbfeindschaft" ihren schärfsten Ausdruck fand, bildete der Elysée-Vertrag ein Meilenstein in der deutsch-französischen Verständigungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Dem Abkommen gingen eine Reihe wichtiger Annährungsschritte zwischen den beiden Nachbarländern voraus, wie der Schuman-Plan 1950, der in die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1951 mündete sowie die Saarverträge, die 1956 zu einer einvernehmlichen Lösung über den Verbleib des Saarlandes in der Bundesrepublik führte.
De Gaulle und Adenauer versicherten sich in dem heute auch als Jahrhundertvertrag gewerteten Abkommen ihrer gegenseitigen Überzeugung, "dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischem Volk, die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt".
Damit wurde der grundlegenden Erkenntnis Rechnung getragen, dass die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zu einem vereinten Europa sei.
Das Rückgrat des Vertrages bilden drei Kernbereiche: Festgelegt wurde ein verbindlicher Konsultationsmechanismus, der auf höchster Ebene zwischen Präsident und Kanzler wie auch auf der Ebene der Minister und leitenden Ministerialbeamten gilt.
Darüber hinaus schrieben beide Länder fest, dass die Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik koordiniert und abgesprochen werden soll. Weiter wurde beschlossen, sich der Erziehungs- und Jugendfrage zu widmen, die eine Brücke für die Zukunft zwischen beiden Ländern schlagen sollte. Ein konkretes Ergebnis dieses Beschlusses war die Schaffung des Deutsch-Französischen Jugendwerks im Juli 1963.
Der Élysée-Vertrag wird im Rückblick auch als "Getriebe" im häufig zitierten "deutsch-französischen "Motor" bezeichnet. Nach Charles de Gaulle und Konrad Adenauer waren es Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt, die in den siebziger Jahren mit mehreren Initiativen wie der Einrichtung des "Europäischen Rates" und des "Europäischen Währungssystems" zur Weiterentwicklung der europäischen Einigung beitrugen.
Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatspräsident François Mitterand erweiterten den Vertrag im Jahr 1988 um zwei Zusatzprotokolle, die einen gemeinsamen "Finanz- und Wirtschaftsrat" und einen bilateralen "Verteidigungs- und Sicherheitsrat" initiierten.
Am 22. Januar 2003 hoben der französische Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder zum 40. Jubiläum die Bedeutung des Élysée-Vertrags mit einem Ereignis besonderer Symbolkraft hervor: eine gemeinsame Sitzung von Assemblée nationale und Deutschem Bundestag in Versailles und die Versammlung eines Jugendparlaments am 23. Januar in Berlin.
Zehn Jahre später, am 22. Januar 2013, ist das Reichstagsgebäude in Berlin Schauplatz der Begegnung beider Parlamente und Regierungen. (eis/at/07.11.2012)