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Humanitäre Hilfe für notleidende Menschen in Syrien, einheitliche Renten in Ost und West, Streit um die geplante Stiftung Datenschutz – in der Fragestunde des Bundestages (17/12041) am Mittwoch, 16. Januar 2013, geht es voraussichtlich ab 14.20 Uhr – wie immer – um unterschiedliche Themen. Doch besonders viele Fragen, die die Parlamentarier eingereicht haben, betreffen das Debakel um den Hauptstadtflughafen in Schönefeld. Daniela Wagner, Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, will sich dann nach den Flugrouten erkundigen. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass bei der Planung versäumt wurde zu prüfen, welche Auswirkungen die Routen, die teils über Vogelschutzgebiete führen, auf Natur und Umwelt haben. Ein Verstoß gegen europäisches Recht, der ein teures juristisches Nachspiel haben könnte: Die Europäische Kommission erwägt bereits, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Warum die Darmstädter Abgeordnete damit rechnet, erklärt sie im Interview:
Frau Wagner, bei all den Pannen und Mängeln, die beim Bau des Hauptstadtflughafens nun zutage treten –wundert es Sie, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung der Flugrouten versäumt wurde?
Nein, gar nicht. Es zeigt auch, wie wenig die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie ernst genommen wird. Nicht nur in Berlin, sondern auch anderswo hat die Richtlinie lange gebraucht, bis sie die Autorität entwickelt hat, die ihr gebührt. Dass sie in einem Planungsprozess für ein Projekt, bei dem kaum etwas funktioniert, nicht bedacht wurde, wundert mich wirklich nicht.
Sie wollen sich erkundigen, ob der Bundesregierung bekannt ist, warum die Prüfung unterlassen wurde. Was ist aus Ihrer Sicht die Erklärung dafür?
Es liegt vor allem daran, dass die Flugrouten mehrmals verändert wurden. Die ursprüngliche Flugroute ist ja korrekt geplant worden. Wenn man aber dauernd etwas verändert, kann es passieren, dass so eine Prüfung unter den Tisch fällt. Ob das mit Vorsatz geschehen ist oder die Prüfung einfach vergessen wurde, vermag ich nicht zu beurteilen. Letztlich spielt das auch keine Rolle. Jeder Privatbürger, der eine Frittenbude betreiben will, braucht dafür eine Genehmigung. Wenn er die nicht hat, kann auch nicht einfach sagen ‚Tut mir leid, habe ich vergessen‘. Er wird gezwungen, die Genehmigung nachzureichen. Das kann teuer werden. Also: Was man dem Bürger zumuten kann, das ist auch einer Flughafengesellschaft zuzumuten.
Sie fragen auch, was die Bundesregierung tun will, um ein Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden. Bislang bestreitet sie, dass sich aus den EU-Richtlinien überhaupt eine Pflicht zu einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt…
Die Bundesregierung verkennt, dass die Flugrouten jetzt andere sind als in der ursprünglichen Planung. Die neuen Routen stellen eine wesentliche Änderung dar – von daher hätte es eines neuen Genehmigungsverfahrens bedurft. Diese Großzügigkeit, die fast schon der Schlampigkeit nahekommt, muss man thematisieren – zum Beispiel durch eine solche Anfrage.
Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Gute Frage! Ich nehme an, dass sie wortreich erklären wird, weshalb eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht notwendig ist, und es darauf ankommen lassen, dass Brüssel ihr ein Vertragsverletzungsverfahren anhängt.
Was wäre davon die Konsequenz?
Ein Vertragsverletzungsverfahren kostet vor allem Geld. Mit wie viel es im Einzelfall zu Buche schlägt, weiß ich nicht – das hängt im Falle einer Klage vom Urteil des Gerichtshofs ab, der für die Berechnung der Sanktion eine bestimmte Formel benutzt. Die Bundesregierung wird sicher abwägen. Je nach dem, was es kosten könnte…
…wird sie handeln?
…oder es sein lassen.
(sas/15.01.2013)