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Gedankenaustausch mit dem Kabinettschef des Wirtschaftsministers, Gespräche mit Mitgliedern der Abgeordnetenkammer und des Senats, mit Botschaftern, Vertretern der Wirtschaft und der deutschen Minderheit, dazu Besuche von Museen und Gedenkstätten wie dem Soldatenfriedhofs in Vladslo – das Programm der dreitägigen Delegationsreise nach Belgien, auf die sich die Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Parlamentariergruppe des Bundestages am Montag, 4. Februar 2013, begeben hatte, war voll. Und das Spektrum der Themen, über die sich die deutschen Abgeordneten vor allem mit ihren belgischen Kollegen austauschen wollen, denkbar breit.
Ob Politik, Wirtschaft oder Kultur – vieles gab es zu besprechen. Insbesondere deshalb, weil die letzte Reise deutscher Parlamentarier in das Nachbarland bereits fünf Jahre zurücklag. "Wir freuen uns, nun endlich fahren zu können", sagte Oliver Luksic (FDP), Vorsitzender der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Parlamentariergruppe, zu Beginn der Reise. "Eigentlich wollten wir schon viel früher reisen."
So wie im Mai 2011, als eine Delegation der Gruppe für drei Tage Luxemburg besuchte. Doch dann gestaltete sich die Regierungsbildung in Belgien mehr als schwierig: Erst eineinhalb Jahre nach der Wahl im Juni 2010 einigten sich Sozialisten, Christdemokraten und Liberale aus dem flämischen und dem wallonischen Teil des Landes im Dezember 2011 auf eine Regierung.
In der Zwischenzeit lag der geplante Besuch der deutschen Parlamentarier auf Eis. Für Luksic eine Enttäuschung. Schließlich hatte sich der 33-Jährige, als er 2010 neuer Vorsitzender der Parlamentariergruppe wurde, auf die Fahnen geschrieben, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den Nachbarn wiederzubeleben.
Luksic hält dies für dringend notwendig: "Die Vorgängerregierung hat die Beziehungen zu den kleinen Ländern leider vernachlässigt", erklärt Luksic. "Das Bilaterale ist etwas aus dem Fokus geraten." Minister und Abgeordnete beschäftigten sich fast nur noch mit den EU-Gemeinschaftsinstitutionen.
Eine Situation, die die Nachbarn bedauern, weiß der Abgeordnete: "Sie schauen stark auf Deutschland, aber nur wenig kommt zurück." Noch unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sei das anders gewesen: "Da war ein enger Kontakt zu Belgien und Luxemburg wichtig. Zu Recht", findet er. "Deutschland hatte bis vor Kurzem mit Belgien mehr Wirtschaftsaustausch als mit China. Und für Belgien sind wir der zweitwichtigste Handelspartner. Das sind Fakten, die aber hierzulande nicht so bekannt sind", räumt der Liberale ein.
Ähnliches gelte für Luxemburg: "Das Großherzogtum gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Saarwirtschaft und ist Teil der Großregion SaarLorLux."Klar, dass ihm als gebürtigem Saarländer enge Beziehungen innerhalb der Grenzregion am Herzen liegen.
Um diese wieder zu intensivieren, können die Kontakte einer Parlamentariergruppe nützlich sein – besonders, wenn sie so traditionsreich ist, wie die Deutsch-Belgisch-Luxemburgische: Bereits 1959 entstand ihr Vorläufer, die Deutsch-Belgische Gruppe der Interparlamentarischen Union. 1965 konstituierte sich dann die Gruppe erstmals in ihrer heutigen Form als Parlamentariergruppe des Bundestages.
19 Abgeordnete gehören ihr heute an; stellvertretende Vorsitzende sind Patrick Schnieder (CDU/CSU), Dietmar Nietan (SPD), Katrin Werner (Die Linke) und Bettina Herlitzius (Bündnis 90/Die Grünen). "Alle Mitglieder kennen Belgien und Luxemburg gut, fast alle kommen aus der Grenzregion." So wie auch Luksic selbst, der aus dem saarländischen Heusweiler stammt und einige Jahre in der belgischen Hauptstadt Brüssel gelebt und gearbeitet hat.
Solche Bezüge sind hilfreich, besonders in Zeiten, in denen die Kontakte auf Regierungsebene weniger intensiv oder sogar konfliktreich sind. Der Grund: "Sie basieren auf Langfristigkeit und sind weniger von Sachzwängen geprägt", meint Oliver Luksic. "Streit auf Regierungsebene tangiert uns deshalb nicht direkt, wir arbeiten sowieso meistens auch über die Parteigrenzen hinweg."
Als im vergangenen Sommer der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die deutsche Regierung kritisierte und davor warnte, sich im Streit über die finanziellen Lasten der Eurokrise zu isolieren, wurden hinter den Kulissen viele Gespräche geführt. "Das waren vertrauensvolle, eher informelle Treffen mit dem belgischen Botschafter, der uns die Sicht der Nachbarn verdeutlicht hat. Es ist als Abgeordneter sinnvoll, die Dinge mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten."
In den vergangenen Jahren sei der Kontakt zwischen der Parlamentariergruppe und dem belgischen Botschafter auch aus einem anderen Grund eng gewesen: "Weil wir unseren offiziellen Besuch verschieben mussten und damit keine Gelegenheit zum Austausch mit den belgischen Kollegen hatten, haben wir mit ihm hier die Themen besprochen, die Belgien bewegen – und versucht, diese im parlamentarischen Betrieb zu platzieren."
Nicht immer ein leichtes Unterfangen – gerade wenn es sich um verkehrspolitische Anliegen wie den Ausbau des grenzüberschreitenden Bahngüterverkehrs zwischen Belgien und Deutschland handelt. Für Belgien sei der Ausbau der Strecke auf deutscher Seite sehr wichtig, erläutert Luksic, vor allem wegen des Hafens in Antwerpen, immerhin der drittgrößte Hafen Europas.
"Der ganze Hinterlandverkehr nach Europa muss schließlich durch Deutschland. Wir sind aber wie ein Nadelöhr." Ärgerlich für die Belgier zudem: In Deutschland habe dieses Thema "nicht die erste Priorität", weiß Luksic. "Deshalb versuchen wir es als Abgeordnete im Parlament zu begleiten und auch gegenüber der Bahn immer wieder anzusprechen. In gewisser Weise sind wir Lobbyisten für manche belgischen Anliegen."
Verkehrspolitische Themen haben in den Gesprächen auch eine Rolle gespielt. Doch ob Themen wie Eurokrise, Energiepolitik oder Erinnerungskultur, die ebenfalls Teil der Agenda waren – meist stand der Erfahrungsaustausch zwischen den Parlamentariern im Vordergrund: "Die Staatsreform ist in Belgien ein großes Thema. Es geht dabei unter anderem darum, welche neuen Kompetenzen man den Sprachregionen Flandern und der Wallonie zugesteht und wie man die Finanzzuweisungen an die Regionen reformiert."
Aus diesem Grund seien die Belgier sehr interessiert an Erfahrungen der Deutschen mit ihrer Föderalismuskommission, so Luksic. "Wie vorbildhaft wir allerdings sind, weiß ich nicht. Die Belgier neigen auch dazu, den deutschen Föderalismus zu romantisieren. Wenn wir ihnen erzählen, dass auch wir einige Probleme haben, dann wird das für große Augen sorgen." (sas/06.02.2013)