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Jens Petermann ist das, was man einen politischen Quereinsteiger nennt. Gerechtigkeit ist dem Thüringer Politiker eine Herzensangelegenheit, auch deshalb studierte er nach dem Abitur Rechtswissenschaften und wurde Richter an Arbeits- und Sozialgerichten. Politiker wollte der in Arnstadt geborene Abgeordnete der Linksfraktion ursprünglich nicht werden – schon gar nicht Berufspolitiker. Er wollte Recht sprechen und entschied sich ganz bewusst für das Richteramt. "Vor meiner Kandidatur für den Deutschen Bundestag im Jahr 2009 war ich am Sozialgericht Gotha als Richter tätig und viele Jahre Vorsitzender des Verbandes der Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter Thüringens. Als ich Anfang 2009 von einigen Genossen der Partei Die Linke angesprochen wurde, ob ich im Bundestagswahlkreis 197 (Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen) für die Partei kandidieren wolle, war ich zunächst überrascht. Ich war parteilos und konnte mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass man ohne Parteibuch ohne weiteres Bundestagskandidat werden kann", sagt Jens Petermann.
Nach reiflicher Überlegung entschied er sich für eine Kandidatur und das Wahlergebnis zeigte schließlich, dass die Entscheidung für ihn und die Partei die richtige gewesen war. Jens Petermann gewann das Direktmandat auf Anhieb mit einem beachtlichen Wahlergebnis von 32,6 Prozent der Wählerstimmen und ließ die Kandidaten der anderen Parteien weit hinter sich.
Jens Petermann stammt aus Arnstadt, dort machte er Abitur und studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Rechtswissenschaften. Er verließ die Universität mit juristischem Staatsexamen als Diplom-Jurist im Wendejahr 1989. Nach dem Fall der Mauer wurde er im Dezember 1989 als Richter ans Kreisgericht Arnstadt berufen. "Ich war damals gerade 26 Jahre alt und der dienstjüngste Richter an einem Kreisgericht. Natürlich fragte ich mich in der damaligen Umbruchzeit auch, wie es wohl nach dem 3. Oktober 1990 weitergehen würde", sagt Jens Petermann und fügt an: "Es war für mich ein Glücksfall, dass ich nach der Wiedervereinigung in den Landesdienst übernommen wurde und nach einer Probezeit als Richter arbeiten konnte."
Jens Petermann qualifizierte sich insbesondere im Arbeitsrecht. Das Arbeitsgesetzbuch der DDR war nach der Wiedervereinigung Makulatur, jetzt galten andere gesetzliche Regelungen, die er sich aneignen musste. Eine intensive Spezialisierung ebnete Jens Petermann den Weg. Ab 1991 arbeitete er viele Jahre als Richter an den Arbeitsgerichten in Gotha, Eisenach und Nordhausen. Dort war er mit unzähligen Klagen von Arbeitnehmern beschäftigt, die bei der Abwicklung von volkseigenen Beitrieben oder bei der Umwandlung von Staats- in Privatbetriebe anhängig wurden.
Klagen nach Massenkündigungen lagen Jens Petermann ebenso zur Entscheidung vor wie Einzelklagen von Mitarbeitern wegen unterschiedlichster Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. "Es war eine wirklich schwierige Zeit, in der ich oft verzweifelte Arbeitnehmer erlebte. Es war aber auch eine sehr interessante Zeit, denn ich konnte in Thüringen den Aufbau einer unabhängigen Justiz hautnah miterleben und später auch aktiv mitgestalten", sagt der Politiker.
Ab Mitte neunziger Jahre engagierte sich Jens Petermann in Thüringen in verschiedenen Richterverbänden und sieht in dieser verbandspolitischen Arbeit heute den Ursprung für sein parteipolitisches Engagement. Er wurde Vorsitzender des Verbandes der Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter Thüringens und Landessprecher der Neuen Richtervereinigung für Thüringen. Viele Jahre war er Mitglied im Hauptrichterrat der Thüringer Arbeitsgerichtsbarkeit und des Gemeinsamen Ausschusses der Thüringer Hauptrichterräte. "Ich engagierte mich in all den Jahren nach der Wiedervereinigung berufspolitisch sehr intensiv, denn ich sah darin eine Möglichkeit, die Interessen meiner Kolleginnen und Kollegen zu vertreten", erklärt Jens Petermann seine Motivation.
Mit der Einführung der Hart-IV-Gesetzgebung und der Agenda 2010 erlebten auch in Thüringen die Sozialgerichte eine Zäsur. Jens Petermann erklärte sich bereit, am Sozialgericht in Gotha – dem größten Sozialgericht Thüringens – als Richter zu arbeiten. Dort wurde er im Jahr 2008 zum ständigen Vertreter des Direktors ernannt: "In den Richterverbänden stellten wir uns damals die Frage, wie sich die Sozialgerichte auf die drohende Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide vorbereiten könnten. Wir rechneten mit Massenklagen, hatten aber viel zu wenige Sozialrichter, um die vielen Verfahren zu bewältigen."
Jens Petermann bearbeitete als Sozialrichter zum größten Teil Klagen, die im Kontext mit der Hartz-IV-Gesetzgebung standen. Dabei setzte er sich intensiv mit der Problematik auseinander und er kam, wie viele andere Sozialrichter auch, zu der Erkenntnis, dass es hier eine Gesetzgebung vorlag, die es zu hinterfragen gilt. "Ich beurteilte dieses Gesetz nicht politisch, sondern fachlich. Schon damals zeigte sich, dass es erhebliche handwerkliche Mängel hatte. Den Gerichten wurden immer mehr Klagen vorgelegt, die sich auf unklare Gesetzlichkeiten bezogen", sagt Jens Petermann und fügt an: "Die Richterverbände machten viele Vorschläge, wie das Gesetz verändert werden könnte, aber wir hatten nicht das Gefühl, dass wir Gehör finden."
In all den Jahren seiner Tätigkeit als Richter hatte Jens Petermann immer wieder Kontakte in die Politik. Als Mitglied im Hauptrichterrat bestanden Arbeitskontakte zum Justizausschuss des Thüringer Landtages sowie zu weiteren Landtagsabgeordneten. Immer öfter wurde Jens Petermann angesprochen, ob er sich auch ein politisches Mandat vorstellen könne. Er begann darüber nachzudenken, aber es dauerte noch eine Zeit, bis er dazu bereit war, in die Politik zu gehen.
Im Jahr der Bundestagwahl wurden die Gespräche konkret. Die Linke suchte einen Kandidaten für den Südthüringer Wahlbezirk. Jens Petermann, der aus Arnstadt stammt, wurde vom Landesvorsitzenden angesprochen, ob er sich eine Kandidatur vorstellen könne. Schnell war klar: Jens Petermann ist für die Genossen die Idealbesetzung. Dass Petermann parteilos war, störte nicht.
Er war glaubwürdig, hatte als Richter einen tadellosen Ruf und war deshalb als Kandidat bestens geeignet. "Für mich war das Neuland. Ich hatte parteipolitisch keine Erfahrungen und sollte nun Bundestagskandidat werden – ich musste das erst einmal durchdenken. Allerdings erkannte ich schnell, dass viele Positionen, die Die Linke vertrat, mit meinen eigenen Positionen übereinstimmten."
Im Frühsommer 2009 sollte Jens Petermann in den Wahlkampf starten. Zuvor musste er sich allerdings auf der Vertreterversammlung den Genossen vorstellen. "Mein Vorteil war, dass ich aus Thüringen stammte. Für viele schien dies wichtig, ich war einer von ihnen. Doch war auch Skepsis zu spüren, ob ich das schaffen könnte. Anscheinend überzeugte ich die Skeptiker, denn ich hatte bei meiner Wahl auf dem Kreisparteitag keinen Gegenkandidaten." Der Wahlkampf begann für Jens Petermann mit einem Lernprozess – er hatte keine Erfahrungen mit Wahlkämpfen.
Die Partei stellte ihm aber ein erfahrenes und engagiertes Wahlkampfteam zur Seite. Das wusste nicht nur genau, wie Wahlkampf läuft, von den Genossen lernte er auch schnell, worauf es ankommt. "Mir war dabei wichtig, dass ich mich nicht verbiege, sondern den Menschen ehrlich und glaubwürdig gegenübertreten kann. Zuerst musste ich mich einmal bekannt machen", erzählt Petermann. Weil ihm die Wahlplakate nicht auszureichen schienen, ließ er auf eigene Kosten größere Plakate drucken.
"Wenn ich etwas beginne, dann mache ich es richtig. Das war immer mein Motto. Ich wollte gewinnen, deshalb erschien mir sinnvoll, mein politisches Angebot entsprechend plakativ zu akzentuieren. Die Menschen sollten mich erkennen und die politischen Ziele mit mir in Verbindung bringen", schildert Jens Petermann. Den ganzen Sommer über tourte er im Wahlkreis, mehr als drei Monate absolvierte er täglich Wahlkampfveranstaltungen, besuchte Betriebe und Schulen und diskutierte auf Podien. Bis zum Samstag vor der Wahl war er unermüdlich unterwegs. Am 27. September sollte sich zeigen, ob sich sein Engagement gelohnt hatte.
Am Wahlabend traf sich Jens Petermann in Hildburghausen mit dem Wahlkampfteam und den Genossen, um das Wahlergebnis abzuwarten. Auf einem kleinen Fernsehgerät flimmerten die ersten Hochrechnungen. Stück für Stück vergrößerte sich der Abstand zu den Kandidaten der anderen Parteien. "Gegen 18.30 Uhr lag ich mit einem Ergebnis von über 30 Prozent vorn, und am Ende der Auszählung waren es sensationelle 32, 6 Prozent. Da bekam ich eine Gänsehaut", resümiert Jens Petermann. Dass er es als Quereinsteiger "aus dem Stand" geschafft hat, so viele Wählerinnen und Wähler von sich zu überzeugen, realisierte Jens Petermann erst einige Tage später.
Im Januar wurde er von den Kreisverbänden Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und der Stadt Suhl erneut zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl gewählt – ohne Gegenstimme und inzwischen als Parteimitglied.
Jens Petermann ist im Dezember 2010 Mitglied der Partei geworden und sieht die starke Verankerung der Linken im südlichen Thüringen, in den Gemeinden, Städten und Kreisen als gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf. (bsl/28.02.2013)