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Das Schild vor dem Gebäude des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. © pa/dpa
Vertreter verschiedener Menschenrechtsorganisationen haben am Mittwoch, 20. März 2013, Stellung zum zehnten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik (17/11250) bezogen: Die Tatsache, dass die Regierung mit einem solchen umfassenden Bericht regelmäßig Rechenschaft ablegt, wurde von den Fachleuten in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter Vorsitz von Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) einhellig begrüßt, gleichwohl formulierten sie eine ganze Reihe von Kritikpunkten.
Professor Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, sagte, dass dem Bericht die Anbindung an Empfehlungen und kritische Nachfragen internationaler Organisationen fehle: So finde sich keine überzeugende Antwort auf die Sorge des UN-Ausschusses gegen Folter, dass die deutsche Nationale Stelle zur Verhütung von Folter nicht ausreichend ausgestattet sei. Diese sei im europäischen Vergleich "völlig unterausgestattet", sagte Rudolf.
Auch Dr. Michael Krennerich vom Nürnberger Menschenrechtszentrum befand, dass sich die Bundesregierung schwer tue, Defizite klar zu benennen: Die Haltung, Menschenrechte als ressortübergreifende Querschnittmaßnahme zu begreifen, sei zu begrüßen. Jedoch würden in der eigenen Politik, etwa bei Rüstungsexporten, menschenrechtliche Kriterien zuweilen "nicht angemessen berücksichtigt". Krennerich verwies zudem darauf, dass Deutschland einige einschlägige Abkommen noch nicht ratifiziert habe, darunter das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt.
Dr. Daniel Legutke von der Deutschen Kommission Justitia et Pax begrüßte, dass der Bericht sich nicht nur auf die Außenpolitik beziehe, sondern zunehmend als "Orientierung für die innenpolitischen Verhältnisse" wahrgenommen werde. Er betonte, dass die Bundesregierung sich mit großer Energie für den Schutz der Religions- und Gewissensfreiheit einsetze.
Beim Asylrecht sei es allerdings bisher augenscheinlich nicht gelungen, die "Flüchtlingseigenschaft" nicht nur aufgrund von Verfolgung bei privater, sondern auch bei öffentlicher Religionsausübung zuzuerkennen.
Deutliche Kritik kam von Werner Hesse vom Paritätischen Wohlfahrtsverband: Aus seiner Sicht ist die Bundesregierung menschenrechtspolitisch weniger Akteur als "Getriebener" verschiedener Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts: So verweise der Menschenrechtsbericht im Zusammenhang mit dem Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung auf das Lebenspartnerschaftsgesetz.
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur sukzessiven Adoption für gleichgeschlechtliche Paare habe jedoch gezeigt, das es hier immer noch Defizite gebe.
Günter Burkhardt von Pro Asyl nannte den Bericht teilweise "wortreich, umfangreich – aber inhaltsleer", weil er keine überzeugende Antworten auf konkrete Probleme gebe. Er verwies unter anderem auf mehr als 100.000 Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland, denen obendrein der Familiennachzug teilweise verwehrt werde.
Burkhardt forderte mehr "Kohärenz in der Innen- und Außenpolitik" und einen "neuen Ansatz" in der Flüchtlingspolitik: Es reiche nicht, wie von Innenminister Hans-Peter Friedrich am 20. März angekündigt, 5.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Auf den Prüfstand gehörten beispielsweise auch die immer noch bestehenden Rücknahme-Übereinkommen, die mit den früheren Regimen in den Ländern des "arabischen Frühlings" geschlossen worden seien. (ahe/21.03.2013)