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Gustav Herzog ist Mitglied im Verkehrsausschss und für die SPD-Fraktion Berichterstatter für die Binnenschifffahrt. © DBT/Melde
Die Konsequenzen aus Extremwetterereignissen für die Klimapolitik ist nur eines von vielen unterschiedlichen Themen, zu denen die Abgeordneten insgesamt 100 Fragen für die Fragestunde des Bundestages (17/13810) am Mittwoch, 12. Juni 2013, ab 15.20 Uhr eingereicht haben. Gustav Herzog (SPD), Mitglied im Verkehrsausschuss und Berichterstatter für die Binnenschifffahrt, möchte wissen, welche Schlüsse die Bundesregierung aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe für die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) zieht. Diese wird nach den Plänen von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) umstrukturiert und verkleinert. Im Interview erklärt Gustav Herzog, welche gefährliche Lücke Personalabbau und Schließungen von Schifffahrtsämtern gerade im Fall eines Hochwassers reißen können. Das Interview im Wortlaut:
Herr Herzog, Ihre Fraktion bemängelt seit Langem die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wie lautet Ihr Hauptkritikpunkt?
CDU/CSU und FDP haben im Oktober 2010 beschlossen, große Teile der Leistungen der Wasserschifffahrtsverwaltung zu privatisieren und Personal abzubauen. Die Behörde soll sich aus der Fläche zurückziehen und nur noch auf die Wasserstraßen und Kanäle konzentrieren, wo viel Gütertransport stattfindet. Das heißt aber, dass zum Beispiel auf Flüssen wie der Elbe in Zukunft deutlich weniger Personal im Einsatz ist.
Was bedeutet dies im Fall einer Hochwasserkatastrophe, wie wir sie jetzt an der Elbe erleben?
An der Elbe sollen die Schifffahrtsämter in Dresden und Lauenburg geschlossen werden. Außerdem ist geplant, die Direktion in Magdeburg abzubauen. Künftig wird dort also weniger Personal vor Ort sein, um bei Hochwasser von Wasserseite aus unterstützend einzugreifen. Für den Hochwasserschutz sind zwar grundsätzlich die Länder zuständig, doch die Kompetenz der Wasserschifffahrtsverwaltung wird dringend gebraucht, weil deren Mitarbeiter den Fluss und seine Besonderheiten am besten kennen. Künftig soll alles von der gerade erst am 1. Mai neu eingerichteten Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn gesteuert werden. In den Regionen wird dann aber fachliches Know-how fehlen.
Worin besteht das genau?
Bei der Wasserschifffahrtsverwaltung arbeiten unter anderem Nautiker, hochqualifizierte Handwerker und Ingenieure, die zum Beispiel schnell beurteilen können, ob ein Brückenpfeiler durch Treibgut gefährdet ist oder die wissen, wie man losgerissene Schiffe wieder einfängt, bevor sie Wehre und Schleusen schwer beschädigen. Solche Fachleute haben auch Erfahrung, wie man sich von der Wasserseite einem Deich nähert. Für Hochwassersituationen braucht man kompetentes Personal vor Ort, das Gewässer, Kanäle oder eben Schleusen gut kennt. Private Firmen, die im Fall des Falls eingekauft werden, um die Arbeit zu übernehmen, haben meist solche Kenntnisse nicht. Sie benötigen mehr Zeit, um sich zu orientieren.
In der Vergangenheit sind schon oft staatliche Leistungen privatisiert worden. Warum ist das bei dieser Behörde nicht sinnvoll?
Es handelt sich um eine komplexe und hochspezialisierte Arbeit. Der Markt ist dafür nicht groß – es gibt beispielsweise nicht sehr viele Unternehmen, die Nassbaggerei zur Erhaltung und Wiederherstellung ausreichender Fahrwassertiefen betreiben. Es gibt auch nicht sehr viele Unternehmen, die in der Lage sind, tonnenschwere Stahltore in eine Schleuse ein- und auszubauen. Hier entstehen leicht Monopole und private Unternehmen kassieren kräftig ab. Das lässt sich übrigens schon heute bei der Nassbaggerei beobachten.
Die Bundesregierung wollte ein Gesetz zur Reform, letztlich hat sie stattdessen den Weg eines Organisationserlasses gewählt. Ihre Fraktion wirft ihr vor, Rechtsunsicherheiten bewusst in Kauf genommen zu haben. Wieso?
Es ist unstrittig, dass ein Gesetz notwendig ist, um die Reform rechtsfest umzusetzen. So hat es auch der Haushaltsauschuss in seinem Beschluss mit Koalitionsmehrheit verlangt. Diesem kam die Bundesregierung zunächst auch mit einem Referentenentwurf nach. Doch als Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat verlor, wurde der Entwurf wieder kassiert – aus rein parteipolitischen Gründen. Der Erlass ist für ein Gesetz aber kein Ersatz. Im Gegenteil: Er führt zu Rechtsunsicherheit zum Beispiel bei Planfeststellungsverfahren oder Abgabenbescheiden. In einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen wird nämlich die Zuständigkeit der bisherigen Wasserschifffahrtsdirektionen genannt – nicht die vom Minister per Erlass geschaffene Generaldirektion in Bonn.
Eine Rechtswidrigkeit also?
Wir sind der Auffassung, dass die Grundsätze unserer Verfassung verletzt wurden. Gesetze müssen den rechtsstaatlichen Anforderungen insbesondere an Klarheit, Eindeutigkeit und Transparenz genügen. Bei dem Errichtungserlass ist dies nicht der Fall. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die ersten wegen dieser Rechtsunsicherheit Klage einreichen.
Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Ich hoffe, dass das Problembewusstsein wächst und die Bundesregierung einsieht, dass schnell ein Gesetz vorgelegt werden muss. Natürlich kann das nicht mehr in dieser Legislaturperiode geschehen. Doch: Wenn in der Zwischenzeit, bis sich der Bundestag damit wieder befassen kann, Verfahren vor Gericht verloren werden, dann ist klar, wer die Verantwortung zu tragen hat: die Bundesregierung und die Koalitionsmehrheit im Parlament.
(sas/11.06.2013)