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Die Chancen für ein "grünes Wachstum" im Ostseeraum und die Debatte über die Bilanz der einjährigen russischen Präsidentschaft gehören zu den Schwerpunkten der 22. Ostseeparlamentarierkonferenz, die vom 25. bis 27. August 2013 in Estland stattfindet. Ziel dieser Tagung soll es vor allem sein, Konzepte für nachhaltige Innovation zu entwickeln, um in dieser Weltgegend eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu fördern.
Zu dem Konvent in Pärnu werden Abgesandte aus den nationalen und regionalen Parlamenten der Ostsee-Anrainerstaaten erwartet. Leiter der Bundestagsdelegation ist Franz Thönnes (SPD). Die Ostseeparlamentarierkonferenz, deren Vorsitz jetzt zu den Finnen wechselt, ist das parlamentarische Pendant zum Ostseerat, dem Organ der Regierungen.
Über der Diskussion zum Finale der Moskauer Präsidentschaft liegt eine gewisse Spannung: Wird es wie beim Treffen 2012, als die Verurteilung der Punkrockband "Pussy Riot" für eine kritische Debatte sorgte, dieses Mal Kontroversen über den russischen "Homosexuellen-Paragraphen" geben? Diese Bestimmung, die momentan international hohe Wellen schlägt, schränkt Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit zum Thema Homosexualität ein.
Vor Jahresfrist hatten sich die Abgeordneten in St. Petersburg für Toleranz und Meinungsfreiheit eingesetzt. Bei dieser Diskussion hatten Volksvertreter aus Skandinavien und der Bundesrepublik die Härte des Urteils gegen "Pussy Riot" als unverhältnismäßig kritisiert, während russische Delegierte das Vorgehen der Justiz gegen die jungen Frauen verteidigten.
Bemerkenswerterweise haben sich die auf vielen Gebieten sichtbaren Konflikte zwischen Moskau und dem Westen bislang nicht auf die praktische Arbeit in der Ostseeparlamentarierkonferenz ausgewirkt. Thönnes meint, dass im Rahmen dieses Forums zwei Jahrzehnte lang Vertrauen gewachsen und Russland ein gleichberechtigter Partner auf Augenhöhe sei.
Die Arbeit im Parlamentarierverbund scheint offenbar geeignet zu sein, den Zusammenhalt und das Vertrauen weiter zu festigen. Der Umstand, dass 2012 eine kritische Debatte zur strafrechtlichen Verfolgung von "Pussy Riot" möglich war und eine ähnliche Kontroverse über den "Homosexuellen-Paragraphen" in der Luft liegt, gilt als Beleg, dass die Kooperation auf festem Boden steht und von Differenzen nicht gefährdet wird.
Dass sich Moskau intensiv an der Arbeit im Ostseeverbund beteiligt, zeigt sich etwa im Bau einer Kläranlage in St. Petersburg, die Schmutzwassereinleitungen ins Meer spürbar verringert hat und deren Errichtung auch auf Initiativen der Parlamentarierkonferenz zurückzuführen ist.
Die Kläranlage von St. Petersburg wird als wichtiger Baustein der Strategie eingestuft, im Ostseeraum eine nachhaltige Entwicklung und "grünes Wachstum" zu forcieren. Mit dieser Thematik, die sich in Pärnu in mehreren Punkten der Tagesordnung niederschlägt, befassen sich die Abgeordneten seit Jahren immer wieder. Diese ökonomisch-ökologische Herausforderung mutet inzwischen wie das Herzstück der Zusammenarbeit an. Vom Treffen in Estland erhofft man sich nun weitere Impulse.
Nachhaltiges Wachstum soll sich in dieser Region auf Energieeffizienz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien stützen. Nachholbedarf bei der Windkraft haben Russland und das Baltikum. Die Bedingungen für den Ausbau von Rotoren im Ostseeraum sind eigentlich gut: Im Südosten der Region gibt es genügend Flächen, und andere Anrainerstaaten können die erforderliche Technologie bereitstellen.
Was in Deutschland oft wenig beachtet wird: Der Kooperation im Energiesektor stehen unterschiedliche Strategien beim Thema Atomkraft entgegen – die Bundesrepublik will aussteigen, während zum Beispiel Polen an der Nuklearenergie festhält. Auch das Treffen in Estland dürfte für dieses Gegeneinander keine Lösung finden. Weniger Probleme dürfte es bereiten, Konzepte für einen nachhaltigen Tourismus weiterzuentwickeln oder etwa eine weitere Reduzierung der Schadstoffeinleitung von Schiffen und aus Küstenstädten in die Ostsee zu fordern.
In den Resolutionen, die beim Konvent in Pärnu verabschiedet werden, wird es an guten Ideen für ein nachhaltiges Wirtschaften und für "grünes Wachstum" wohl nicht mangeln. Die Parlamentarier haben jedoch nicht die Macht, solche Vorschläge in die Tat umzusetzen. Den Abgeordneten bleibt nur der Weg, in ihren heimischen Parlamenten für diese Politik die Trommel zu rühren und öffentlichen Druck auszuüben. (kos/20.08.2013)