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Der Bundestag hat am Donnerstag, 29. Januar 2015, in namentlicher Abstimmung einer Verlängerung der Bundeswehrbeteiligung am Luftverteidigungseinsatz der Nato an der türkischen Grenze zu Syrien zugestimmt. Für den entsprechenden Antrag der Bundesregierung (18/3698, 18/3859) stimmten sämtliche Abgeordneten der Unionsfraktion sowie eine Mehrheit der Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Linksfraktion votierte geschlossen mit Nein. 503 Abgeordnete stimmten für, 70 gegen die Verlängerung. Sieben Abgeordnete enthielten sich.
Katrin Kunert (Die Linke) fordert während der Debatte, die für den Einsatz eingeplanten 20,5 Millionen Euro der humanitären Hilfe in der Region zur Verfügung zu stellen. Niels Annen (SPD) betonte ebenso wie Dr. Andreas Nick (CDU/CSU), es gehe um die solidarische Hilfe für einen Nato-Partner. Zugleich übten sie jedoch – ebenso wie Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) - Kritik an der Politik der Türkei.
Es gehe nicht nur um Solidarität, sondern auch um die Sicherheit der Türkei, sagte Niels Annen. Der von den deutschen Patriot-Raketenabwehrsystemen gewährte Schutz helfe aber ebenso den vielen Flüchtlingen, die sich aus den Bürgerkriegsgebieten in die Türkei gerettet hätten. Angesichts einer Zahl von 1,5 Millionen Flüchtlingen, so Annen, müsse man feststellen, dass die Türkei Außergewöhnliches leiste und Hilfsbereitschaft verdient habe.
Kritik übte er jedoch daran, dass laut Zeugenaussagen die türkischen Behörden sehr wohlwollend mit ausländischen Dschihadisten umgehen würden. Weder die Einreise noch die Ausreise der Kämpfer werde verhindert, kritisierte der SPD-Abgeordnete. „Wir erwarten von der Türkei, dass sie die UN-Resolution umsetzt, die fordert, durch wirksame Grenzkontrollen die Bewegung von Terroristen zu verhindern“, sagte er.
Aus Sicht von Katrin Kunert hat es weder zu Beginn des Patriot-Einsatzes Anfang 2013 eine Bedrohung für die Türkei gegeben, die den Bündnisfall gerechtfertigt habe, noch gebe es sie jetzt. „Die Türkei wird von Syrien nicht bedroht“, sagte die Linke-Abgeordnete. Zudem hätten die Raketen „keine Entspannung und auch keinen Frieden gebracht“. Die Bundesregierung riskiere mit dem Einsatz sogar, dass Deutschland in den Konflikt hineingezogen wird. „Das lehnen wir ab“, machte Kunert deutlich.
Stattdessen, so ihre Forderung, solle sich die Bundesregierung für einen Waffenstillstand in Syrien einsetzen und dazu beitragen, dass die Finanzquellen des Islamischen Staates (IS) ausgetrocknet werden. „Solange der IS sein Öl über die Türkei verkaufen kann, solange schwimmt er im Geld“, sagte sie.
„Die Türkei ist weiterhin Bedrohungen ausgesetzt“, lautete hingegen die Einschätzung von Andreas Nick. Da das Land derzeit keine eigenen Fähigkeiten zur Abwehr ballistischer Raketen habe, sei es auf Unterstützung angewiesen, urteilte der Unionsabgeordnete. Der Bundestag, so Nick, habe eine besondere Verantwortung gegenüber den Bündnispartnern aber auch den eigenen Soldaten, befand Nick.
Zugleich machte er deutlich, dass der Einsatz einen rein defensiven Charakter habe. „Er bedeutet keine Involvierung Deutschlands oder der Nato in den syrischen Bürgerkrieg.“ Auch der Unionsabgeordnete machte deutlich, dass man ein „unzweideutiges Handeln der Türkei gegenüber des IS“ erwarte. Der Transit von Terroristen durch das Land müsse gestoppt werden, forderte er. Gleichzeitig machte er jedoch deutlich, dass die Türkei „ein wichtiger strategischer Partner bleibt“.
Da sich die Bedrohungslage nicht verändert habe und Artikel 4 des Nato-Vertrages, der Konsultationen im Fall der Gefährdung eines Partners vorsieht, ein hohes Gut sei, werde seine Fraktion der Verlängerung mehrheitlich zustimmen, kündigte Omid Nouripour an. Der Grünen-Abgeordnete machte jedoch zugleich deutlich, dass dies kein Automatismus sei. Angesichts der innenpolitischen Entwicklung der Türkei sei es möglich, „dass ich meiner Fraktion ein letztes Mal eine Verlängerung vorschlage“.
Nouripour nannte es einen Skandal, dass verletzte Dschihadisten in türkischen Krankenhäusern „wieder fit gemacht werden für den Kampf“. Zugleich blieben Flüchtlinge von einer solchen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Auch sei in der Türkei die Pressefreiheit inzwischen nicht mehr existent. „Über solche Missstände darf sich die Bundesregierung nicht ausschweigen“, forderte der Grünen-Abgeordnete. (hau/29.01.2015)