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„In dieser Debatte macht sich eine große Zufriedenheit breit. Man spürt, dass viel gemeinsam gearbeitet worden ist“, freute sich der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Carsten Sieling, am Donnerstag, 23. April 2015, in der Anlegerschutzdebatte des Bundestages. Was Sieling und anderen Rednern so gefiel, war der Abschluss des Kleinanlegerschutzgesetzes, mit dem Verbraucher vor unseriösen und hoch riskanten Finanzprodukten des grauen Kapitalmarktes besser geschützt werden. Zugleich bleiben Schwarmfinanzierungen (Crowdinvestments) und soziale Projekte weiter möglich. Auch die Opposition sah Fortschritte: Die lange Leine, an der der graue Kapitalmarkt bisher gelaufen sei, sei ein paar Zentimeter kürzer geworden, stellte Caren Lay (Die Linke) fest.
Bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen nahm der Bundestag den zuvor vom Finanzausschuss in einigen Punkten geänderten Gesetzentwurf (18/3994, 18/4708, 18/4709) an. Anleger sollen in Zukunft besser informiert werden als bisher, indem Anlageprospekte nicht mehr unbegrenzt gültig sein sollen, sondern aktualisiert werden müssen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird mehr Kompetenzen erhalten und kann sogar Angebote in gewissen Fällen untersagen. Anbieter von Nachrangdarlehen und ähnlichen Produkten sollen ebenfalls verpflichtet werden, einen Prospekt zu erstellen. Da solche Darlehen aber auch beim Crowdinvestment sowie bei sozialen und gemeinnützigen Projekten zur Finanzierung eingesetzt werden, soll es hier Ausnahmen von der Prospektpflicht geben.
„Das Kleinanlegerschutzgesetz fügt sich in eine Reihe von Maßnahmen ein, mit denen wir neue Sicherheitsnetze um die Finanzmärkte spannen wollen, um Sparer und Steuerzahler zu schützen“, erklärte die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Antje Tillmann. Das Gesetz habe das Ziel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucherschutz und der Ermöglichung alternativer Finanzierungsformen sicherzustellen.
Entstanden sei „gutes Gesetz sowohl für Verbraucher als auch Sozialprojekte und Crowdfunding“. Tillmann begrüßte, dass der BaFin jetzt der kollektive Schutz der Verbraucher zugewiesen worden sei. Das gehe soweit, dass die BaFin den Verkauf bestimmter Produkte verbieten könne.
Es sei ärgerlich, dass die Vorschläge der Linken zum Anlegerschutz nicht angenommen worden seien. Denn das hätte viele Menschen vor dem Verlust ihrer Anlagen wie zum Beispiel durch den Zusammenbruch des Windanlagenherstellers und -betreibers Prokon bewahrt, stellte Caren Lay fest.
Das Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er zu spät gemacht werde. Lay forderte aber einen Finanz-TÜV, „der dafür sorgt, dass Schrott erst gar nicht auf den Markt kommt, denn darauf kommt es im Endeffekt an“. Sie forderte: „Der graue Kapitalmarkt ist ein Sumpf, der trockengelegt werden muss.“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach die niedrigen beziehungsweise negativen Kapitalmarktzinsen an. Verbraucher würden neue Anlageformen für ihr Geld suchen. Das sei nachvollziehbar, „aber wir müssen dafür sorgen, dass der Verbraucherschutz Schritt hält“. Bisher sei der Schutz der Verbraucher ausgerechnet da schwach gewesen, wo das Risiko hoch sei, wie am grauen Kapitalmarkt. „Welche verheerende Folgen das haben kann, hat der Fall Prokon gezeigt“, sagte Maas.
Jetzt werde für mehr Transparenz gesorgt, Anleger würden besser geschützt und die Aufsicht über den Markt werde gestärkt. Die BaFin könne künftig „schwarze Schafe“ aussondern. Bei bürgerschaftlichem Engagement „bleibt auch in Zukunft eine unbürokratische Finanzierung möglich“.
Carsten Sieling sagte, man habe ein gutes Ergebnis für die Menschen im Lande erreicht, „damit der Verbraucherschutz gestärkt wird und damit gleichzeitig soziales, gesellschaftliches und wirtschaftliches Engagement eine gute Entwicklung hat“.
Der Anlegerschutz werde vorangebracht, ohne dass soziales Engagement gefährdet werde.
Für Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) war bei den Beratungen der Eindruck entstanden, „als sei gute Politik für Verbraucher etwas, was im Gegensatz steht zu der Förderung von gemeinnütziger Wirtschaft, sozialen Initiativen und bürgerschaftlichem Engagement im wirtschaftlichen Bereich. Wir Grünen meinen, das ist nicht so.“ Gute Verbraucherpolitik müsse passgenau für die verschiedenen Lebensbereiche sein.
„Genauso wenig wie es in der Bankregulierung sinnvoll ist, dieselben Regeln für die kleine Volksbank zu machen und die große Deutsche Bank – genauso wenig kann es sinnvoll sein, für große Fonds und für kleine soziale Projekte vor Ort dieselben Regeln zu haben.“ Da sei in dem Gesetzentwurf an vielen Stellen ein guter Ausgleich gelungen. Wie die Linksfraktion kritisierte Schick, dass die Gesetzgebung spät dran sei: „Warum braucht es immer einen neuen Skandal?“, fragte er.
Zu den vom Finanzausschuss vorgenommenen Änderungen gehört, dass Ausnahmen von den Pflichten nach dem Vermögensanlagegesetz nur für Genossenschaftsanteile gelten sollen, für die im Rahmen des Vertriebs keine Provisionen gezahlt werden.
Crowdinvestments werden erleichtert, indem die Emissionsgrenze für die Befreiungsmöglichkeiten von Vorschriften für Wertpapierhandelsunternehmen, zum Beispiel die Pflicht zur Erstellung von Prospekten, von einer Million Euro auf 2,5 Millionen erhöht wird. Befreiungen gibt es auch für soziale und gemeinnützige Projekte, zum Beispiel im Wohnungsbau.
Gegenüber dem Regierungsentwurf verändert wurden auch geplanten Einschränkungen für die Werbung für Kapitalanlagen. So war etwa ein Verbot von Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln vorgesehen. Die Werbung bleibt jetzt erlaubt, muss aber in Zukunft folgenden Hinweis enthalten: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“ Bei variablen Renditen muss zudem gewarnt werden: „Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.“
Von der Koalitionsmehrheit abgelehnt wurde bei Enthaltung der Linken ein Entschließungsantrag der von Bündnis 90/Die Grünen (18/4712), die sich unter anderem für eine Erhöhung der Obergrenzen im Vermögensanlagegesetz für Anbieter mit sozialer oder gemeinnütziger Zielsetzung von 2,5 auf vier Millionen Euro und für eine generelle Aufsicht von Crowdfunding-Plattformen aussprach. (hle/23.04.2015)