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NSA-Ausschuss vernimmt Ex-US-Drohnenpiloten

Hat der Bundesnachrichtendienst (BND) Zielkoordinaten für den amerikanischen Drohnenkrieg gegen radikalislamische Freischärler geliefert? Ist Deutschland so oder auf andere Weise mitschuldig geworden an „extralegalen Tötungen“ durch die US-Luftwaffe? Der NSA-Untersuchungsausschuss wird sich am Donnerstag, 15. Oktober 2015, ab 11.30 Uhr in öffentlicher Anhörung erneut dieser Frage widmen, die er bereits in seiner Sitzung zwei Wochen zuvor behandelt hatte. Der Ausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) befasst sich seit Frühjahr 2014 mit Aktivitäten amerikanischer und britischer Geheimdienste in Deutschland.

Kritiker der geheimen Kriegführung der USA

Als ersten werden die Abgeordneten am Donnerstag einen Zeugen aus den USA hören, den ehemaligen Drohnenpiloten Brandon Bryant. Der heute 29-Jährige war seit 2005 auf Stützpunkten zunächst im Irak, später in den US-Bundesstaaten New Mexico und Nevada im Einsatz, bis er im April 2011 aus Gewissensgründen den Dienst quittierte. In dieser Zeit brachte Bryant es auf rund 6.000 Flugstunden und war an 1.626 Abschüssen beteiligt, wie seine Vorgesetzten ihm zum Abschied bescheinigten. Als „Sensor Operator“ hatte er vor allem die Bordkameras der Drohnen zu bedienen und Ziele für die Raketen zu markieren.

Seit er die Luftwaffe verließ, profiliert sich Bryant als Kritiker der „geheimen Kriegführung“ der USA. Seiner Regierung wirft er vor, die Piloten mir ihren psychischen Problemen allein zu lassen und die Öffentlichkeit zu täuschen, indem sie ihr eine „saubere“ Art des Kampfes gegen Terroristen mit Hilfe ferngesteuerter Flugkörper vorspiegele.

„Daten fließen immer über Ramstein“

Von Interesse für das Anliegen des Ausschusses ist vor allem, was Bryant über die deutsche Verstrickung in den Drohnenkrieg sagt. Dieser wäre nach seiner Ansicht ohne die Nutzung des US-Luftwaffenstützpunkts im rheinland-pfälzischen Ramstein gar nicht möglich.

„Egal, wo die Drohnen im Einsatz sind, immer fließen ihre Daten über Ramstein“, sagte er in einem im April 2014 erschienenen Interview. Eine Schaltstelle im „geheimen Krieg“ sei auch das seit 2007 in Stuttgart ansässige US-Kommando für Afrika (Africom). Nach Bryants Vermutung kommen von dort die Schießbefehle für Drohnen, die etwa über Somalia im Einsatz sind.

Weitere Vernehmung der Zeugin K.

Zum zweiten Mal wird der Ausschuss am Donnerstag die Zeugin K. hören. Die Juristin und BND-Mitarbeiterin leitete von 2008 bis zur Auflösung der Behörde am 30. Juni 2014 die Zentralstelle für das Befragungswesen (ZBW), deren Aufgabe es war, Asylbewerber nach geheimdienstlich verwertbaren Informationen aus ihren Herkunftsländern auszuhorchen.

Hinweise auf möglicherweise ergiebige Gesprächspartner kamen von einer Kontaktperson des BND im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Befragungen fanden im Zusammenwirken mit dem US-Militärgeheimdienst Defence Intelligence Agency (DIA) statt, der mit bis zu zehn eigenen Agenten bei der ZBW vertreten war. Nach Schätzung der Zeugin wurden im Jahr etwa 300 Asylbewerber zum Gespräch gebeten.

Handynummer als „Beifang“ abgefischt

Über die Fragen, die den Ausschuss im Zusammenhang mit ihrer früheren Tätigkeit interessierten, wusste Frau K. bei ihrer ersten Vernehmung Anfang Oktober freilich außerordentlich wenig zu berichten. Dass in den Unterredungen mit Asylbewerbern auch Handynummern von Terrorverdächtigen aus deren Herkunftsländern zur Sprache gekommen sein könnten, bestritt sie zunächst rundheraus. Das geheimdienstliche Interesse auch der amerikanischen DIA habe sich allein auf die Lebensbedingungen, etwa Brotpreise, gerichtet.

Später räumte sie ein, es könne vorgekommen sein, dass eine Handynummer als „Beifang“ abgefischt worden sei, aber in höchstens einer Handvoll von Fällen. Mit Hilfe von Mobilfunkverbindungen kann eine Drohne ein Ziel bis auf etwa einen Meter genau orten. Als Frau K. nach sechs Stunden um Abbruch der Vernehmung bat, hinterließ sie mehrere Abgeordnete mit Zweifeln an der Faktentreue ihrer Aussage.

Zusammenarbeit zwischen BAMF und BND 

Als dritte Zeugin erwartet der Ausschuss Renate Leistner-Rocca, derzeit Leiterin des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl beim BAMF.  Sie leitetet von 2005 bis 2013 die Gruppe für Operative Querschnittsaufgaben, Asyl und Sicherheit des Bundesamtes. Dort war sie mit Präventionsprojekten gegen die Radikalisierung muslimische Migranten befasst.

Frau Leistner-Rocca könnte über die Zusammenarbeit zwischen BAMF und BND bei der Befragung von Asylbewerbern berichten, etwa nach welchen Kriterien die Kandidaten ausgewählt wurden und wie sich ihre Bereitschaft, sich befragen zu lassen, womöglich auf ihre Asylverfahren auswirkte. (wid/07.10.2015)

Zeit: Donnerstag, 15. Oktober 2015, 11.30 Uhr
Ort:  Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Interessierte Besucher können sich im Sekretariat des Untersuchungsausschusses bis Mittwoch, 14. Oktober, 13 Uhr, unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums und Geburtsorts anmelden (E-Mail: 1.untersuchungsausschuss@bundestag.de, Fax: 030/227-30084). Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden.

Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden. 

Liste der geladenen Zeugen