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Die Oppositionsfraktionen unternehmen einen erneuten Vorstoß, die Kinderrechte in Deutschland zu stärken und sie im Grundgesetz zu verankern. Der Bundestag wird darüber am Donnerstag, 24. November 2011, ab 17 Uhr etwa 45 Minuten lang beraten. Zwar begrüßen alle drei Fraktionen, dass die Bundesregierung im Jahr 2010 ihre Vorbehaltserklärungen zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen habe, sehen aber noch immer Handlungsbedarf.
So heißt es in dem SPD-Antrag „Kinderrechte in Deutschland umfassend stärken" (17/6920), der „enormen Bedeutung" der UN-Kinderrechtskonvention werde in Deutschland „bislang nicht ausreichend" Rechnung getragen - bis heute hätten nach Aussage des Deutschen Instituts für Menschenrechte Politik, Behörden und Gerichte die weitreichende Bedeutung der Konvention nicht erkannt. Es müsse gesetzliche Änderungen insbesondere im Asylverfahrensgesetz und im Aufenthaltsgesetz geben.
Zudem fordern die Abgeordneten eine Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005 - 2010". Der Aktionsplan habe in den vergangenen Jahren zu einer Stärkung der Kinderrechte beigetragen, doch die Bundesregierung beabsichtige nicht, ihn fortzuschreiben. In dem Antrag wird die Regierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz vorzulegen. Der Familienausschuss hat empfohlen, den Antrag abzulehnen (17/7800). Die Fraktion hat zudem einen weiteren Antrag zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder vorgelegt (17/7807), in dem dazu aufgerufen wird, die Kampagne des Europarates zu unterstützen.
Dies will auch die Fraktion Die Linke. In ihrem Antrag (17/7644) schreibt sie, Kinder würden in Deutschland „nach wie vor nicht als Träger eigenständiger Rechte wahrgenommen und als solche in der Gesetzgebung behandelt", wie es die Konvention vorsehe. Dies belege, dass es einen „grundsätzlichen gesamtgesellschaftlichen Umdenkens" bedürfe. Eine Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetz könne Kindern einklagbare Rechte verleihen. Zu oft werde in Deutschland in der Diskussion der „Menschenrechtscharakter der UN-Kinderrechtskonvention" infrage gestellt.
Kindern würden etwa wirtschaftliche, kulturelle und soziale Grundrechte vorenthalten oder nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt - etwa bei der Umsetzung des Bildungspakets, der Berechnung der Hartz-IV-Sätze oder der Ausstattung der öffentlichen Kindertagesbetreuung.
In dem Antrag der Linken heißt es weiter, die Regierung solle eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen anstreben, um die zusätzlichen Aufgaben von Ländern und Kommunen in den Bereichen, in denen es um die Belange von Kindern gehe, „strukturell zu gewährleisten".
In einem zweiten Antrag fordert die Fraktion die Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention bei Flüchtlingskindern (17/7643). Man müsse etwa den Schulbesuch aller in Deutschland lebenden Kinder unabhängig vom Aufenthaltsstatus sicherstellen und die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahrens-, Asylbewerberleistungs- und Aufenthaltsgesetz ausdrücklich verankern. Die Fraktion fordert zudem die „Abschaffung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen so genannten Verfahrensmüdigkeit bereits ab 16 Jahren sowie ein Verbot der Inhaftierung minderjähriger Flüchtlinge.
Auch Bündnis 90/Die Grünen betonen in ihrem Antrag „Kinderrechte stärken" (17/7187), dass die Rücknahme der Vorbehaltserklärungen zur UN-Konventionen nicht ausreiche. Kinder würden in Deutschland zwar alle in der Verfassung formulierten Menschenrechte genießen, bei ihrer Erwähnung in Artikel sechs des Grundgesetzes aber werde der Eindruck erweckt, „dass sie nicht als Subjekte im Mittelpunkt der sie betreffenden Handlungs- und Entscheidungsprozesse" stünden - Kindern werde nur eine passive Rolle im Bereich von Fürsorge und Erziehung zugesprochen.
Deshalb wollen auch die Bündnisgrünen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, in dem „die Rechtsträgerstellung von Kinder" klargestellt wird. Wie die SPD fordert sie, den Nationalen Aktionsplan neu aufzulegen und mit konkreten Zielen und Vorgaben zu versehen. In einem weiteren Antrag (17/7772) fordert die Fraktion, dass die Bundesregierung künftig auf die Rekrutierung Minderjähriger für den Dienst bei der Bundeswehr verzichten und dies gesetzlich verankern solle. (suk)