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Die Klage sorgte für Wirbel: Am 25. März 2013 reichten die Regierungen vonBayern und Hessen ihre bereits seit Langem angedrohte Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich ein. Dies sei ein "Akt der Notwehr", so begründeten die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und VolkerBouffier(CDU) ihren gemeinsamen Schritt. Das geltende Ausgleichssystem geißelten sie als ungerecht und leistungsfeindlich.
Eigentlich soll der Länderfinanzausgleich – so sein Name – für Ausgleich und für annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland sorgen. Doch ausgleichend wirkte das System zuletzt zumindest politisch nicht. Im Gegenteil: Seit Langem schwelt ein Streit um den finanziellen Ausgleich zwischen den Ländern.
Während die Geberländer das System heftig kritisieren, beharren die Nehmerländer auf dem Prinzip der Solidarität und verweisen auf das Grundgesetz, wo in Artikel 107 Absatz 2 der Ausgleich zwischen den Ländern festgeschrieben ist.
Darin heißt es: "Durch das Gesetz ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es kann auch bestimmen, dass der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt."
Zuletzt waren es im Jahr 2012 vier Bundesländer, die in den Länderfinanzausgleich eingezahlt haben: Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Die anderen zwölf Länder erhielten Geld aus dem System. Wer wie viel gibt und wer wie viel bekommt, wird ein einem komplizierten Verfahren berechnet, das sich unter anderem an der Höhe der Steuereinnahmen eines Landes, seiner Finanzkraft und landesspezifischen Gegebenheiten orientiert. Den größten Betrag bezahlte 2012 Bayern mit rund 3,8 Milliarden Euro. Am stärksten profitierte Berlin mit rund 3,2 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich.
Entstanden ist der Länderfinanzausgleich mit der Intention, in allen Ländern im Bundesgebiet einheitliche Lebensverhältnisse zu sichern – so wie es in Artikel 106 Absatz 3 des Grundgesetzes vorgesehen ist. Wie aber Aufgaben und Finanzen im föderalen Bundesstaat verteilt werden, hat sich über die Jahre verändert: Zu Beginn der Bundesrepublik existierte noch ein Trennsystem zwischen Steuer- und Aufgabenverteilung. Denn Bund und Länder sollten gleichberechtigt und unabhängig sein.
Bald allerdings kam die Kehrtwende: 1950 wurde der horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern geschaffen. Die größten Geberländer waren damals Nordrhein-Westfalen, Württemberg-Baden (erst 1952 erstand das Land Baden-Württemberg), Hamburg und Hessen. Die höchsten Zuweisungen erhielten Schleswig-Holstein, Niedersachsen und das Land, das heute den Löwenanteil der Beiträge leistet: Bayern.
Mit der Finanzreform 1955 wurde das Trennsystem abgeschafft. Einkommen- und Körperschaftsteuer wurden nun zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Basis für die bis heute im Wesentlichen noch gültige Finanzverfassung des Grundgesetzes schuf eine Reform von 1969.
Sie führte das Verbundsystem für die Hauptsteuerarten – Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer – ein. Seitdem werden die Einnahmen aus diesen Steuerarten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Man nennt sie deshalb Gemeinschaftssteuern.
Damit die Länder in Deutschland in der Lage sind, ihre Aufgabe zu erfüllen und überall annähernd die gleichen Mittel zur Politikgestaltung zur Verfügung stehen, gibt es den Länderfinanzausgleich. Er ist Teil eines breiter angelegten Finanzausgleichs, der insgesamt aus vier Stufen besteht: Zuerst wird das Aufkommen der Gemeinschaftssteuern zwischen Bund und Länder aufgeteilt; dann folgt die Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer unter den Ländern (je nach Aufkommen oder pro-Kopf); im dritten Schritt kommt es mit dem Länderfinanzausgleich zu einer korrigierenden Umverteilung zwischen den Ländern, die Unterschiede in der Finanzkraft der Länder ausgleichen soll. Schließlich erfolgt im vierten Schritt eine solche Korrektur auch zwischen Bund und Ländern.
Wenn danach noch Ungleichgewichte bestehen, kann der Bund Finanzmittel aus seinem Haushalt gewähren – zum Beispiel für "Haushaltsnotlagen" (wie in Bremen oder im Saarland) oder die Folgen der Wiedervereinigung (Solidarpakt oder Fonds Deutsche Einheit.)
Von Beginn der Bundesrepublik an wurde immer wieder um das System des Finanzausgleichs gerungen. Im Kern der Kontroverse steht seit jeher die Frage, welcher Föderalismus politisch gewollt ist: ein Wettbewerbsföderalismus, der auf die Eigenständigkeit der Länder setzt und Anreize zum Wettbewerb zulässt – oder der kooperative Föderalismus, der dem Gebot der gleichwertigen Lebensverhältnisse folgt und finanzielle Unterschiede in den einzelnen Ländern ausgleicht.
Bayern und Hessen, deren Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nun anhängig ist, sind offenkundig der Meinung, dass das Ausgleichssystem so, wie es derzeit ausgestaltet ist, nicht bleiben kann. Ob die Verfassungsrichter derselben Ansicht sind, wird sich zeigen.
1999 hatten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mit einer früheren Klage in Karlsruhe jedenfalls schon Erfolg. Die Richter urteilten, dass der damalige Finanzausgleich verfassungswidrig war und verlangten eine Neuregelung.
Unabhängig davon, wie das Verfassungsgericht über die Klage entscheidet, muss die aktuelle Struktur des Länderfinanzausgleichs neu geregelt werden. 2019 laufen die geltenden Regelungen aus. (sas/28.02.2014)