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Sechs Tage nach dem Internationalen Frauentag am 8. März hat der Bundestag das Thema Gleichstellung diskutiert. Bei der Debatte am Freitag, 14. März 2014, herrschte Einigkeit unter den Fraktionen in der Einschätzung, dass eine wirkliche Gleichstellung derzeit noch nicht erreicht sei. Während die Koalition jedoch auf mehr Zeitsouveränität und eine Flexibilisierung des Elterngeldes setzt, fordert die Opposition vor allem eine Senkung der Wochenarbeitszeiten. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Gleichstellung "ein zentrales Gerechtigkeitsthema für die gesamten Gesellschaft", wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) deutlich machte. Zugleich beklagte sie die noch immer vorhandenen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.
Frauen würden 22 Prozent weniger Lohn erhalten, "obwohl sie das Gleiche verdienen", sagte Schwesig. Die Ministerin machte deutlich, dass es bei der Gleichstellung nicht um Sonderrechte für Frauen ginge. "Es geht darum, dass die Menschenrechte auch für Frauen gelten", sagte sie. Bei allen Erfolgen auf dem Weg dahin, müsse man konstatieren, dass dies "noch nicht in der Lebenswirklichkeit der Menschen angekommen ist".
Es müsse darum gehen, die Lohnlücke zu beseitigen. Dazu müssten "typische Frauenberufe" aufgewertet wurden, damit Frauen nicht in der Teilzeitfalle hängen bleiben. Um die Partnerschaftlichkeit zwischen Männern und Frauen zu fördern, wolle man das "ElterngeldPlus" einführen, wie es auch der der Debatte zu Grunde liegende Antrag der Koalitionsfraktionen (18/763) fordere.
Die Flexibilisierung des Elterngeldes soll es laut der Antragsteller Eltern ermöglichen, das Elterngeld bis zu 28 Monate lang in Kombination mit einer geringfügigen Teilzeittätigkeit zu beziehen um den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern.
Zudem soll unter anderem ein befristetes Rückkehrrecht in eine Vollzeitbeschäftigung für Berufstätige entwickelt werden, die wegen Kindererziehung oder der Pflege eines Angehörigen in Teilzeit arbeiten wollen.
Aus Sicht der Abgeordneten Cornelia Möhring (Die Linke) ist das jedoch zu wenig. Die große Koalition könne sich nicht auf etwas wirklich Konkretes einigen, beklagte sie und sprach von einem "Schaufensterantrag". Ein wirklich brauchbarer Vorschlag für mehr Zeitsouveränität habe im Januar auf dem Tisch gelegen, als die Familienministerin eine 32-Stunden-Woche für junge Eltern ins Spiel gebracht habe.
Die Koalition habe den Vorschlag jedoch "in Windeseile" zum persönlichen Vorschlag Schwesigs erklärt. Arbeitgeberverbände hätten gar den Untergang des Abendlandes ausgerufen. "Dabei geht eine Reduzierung der Erwerbsarbeitszeit genau in die richtige Richtung", befand Möhring. Auch für die Gesellschaft seien kürzere Arbeitszeiten von Vorteil, ergänzte ihre Fraktionskollegin Katja Kipping.
Weg von den überlangen Arbeits- und Anwesenheitszeiten in den Unternehmen will auch Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen). In Schweden, so die Grünen-Abgeordnete, fänden nach 16 Uhr keine Gremiensitzungen mehr statt, da es dort zur Arbeitskultur gehöre, wenn Frauen und Männer der Familie den Vorrang geben. Schauws nannte den Koalitionsantrag enttäuschend. Noch immer seien zwei Drittel aller Minijobber Frauen. "Es ist zynisch, dass sie das Problem der Minijobs, die Sackgasse für viele Frauen, nicht anpacken", kritisierte sie.
Außerdem seien Frauen in Führungspositionen noch immer stark unterrepräsentiert. Die von der Koalition "mit großem Getöse" angekündigte 30-prozentige Frauenquote bei Aufsichtsräten greife jedoch viel zu kurz, da sie nur 120 Unternehmen tangiere und nur sehr wenigen Frauen an die Spitze verhelfen könne. "Das ist mutlos", sagte Schauws.
Nach dem Willen ihrer Fraktion soll der Frauenanteil in Aufsichtsräten ab dem Jahr 2015 bei 30 Prozent und ab dem Jahr 2017 bei 40 Prozent liegen, sagte die Grünen-Abgeordnete und verwies auf den dazu vorgelegten Antrag (18/773). Darin werde zudem eine gesetzliche Regelung für die Erhöhung des Frauenanteils bei der Besetzung von Vorständen ebenso wie die Überarbeitung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes gefordert.
Bei Zeitsouveränität und Partnerschaftlichkeit gelte für die Union der Grundsatz der Wahlfreiheit der Gestaltung der familiären Situation, machte Marcus Weinberg (CDU/CSU) deutlich. Werde über die Frage einer Teilzeitarbeit innerhalb der Familie frei entschieden werde, sei dies gut so. "Wenn es aber ökonomischen, sozialen oder gesellschaftlichen Zwängen unterliegt, muss die Politik reagieren", sagte er. Für seine Fraktion stehe über allem "die Freiheit von Restriktionen und die Freiheit für die Optionen, verschiedene Lebensentwürfe zu entwickeln".
Männer wie Frauen müssten die Möglichkeit haben, Zeit für die Familie zu haben, "ohne das die Karriere anschließend vorbei ist", sagte Weinberg Fraktionskollegin Nadine Schön. "Es kann doch in unserem Land nicht sein, dass man in 50 Jahren Berufstätigkeit rund um die Uhr dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss." Ziel müsse es vielmehr sein, dass sich die Taktgeber innerhalb der Familie besser abstimmen können. Dabei sei die Wirtschaft ebenso wie die Gesellschaft gefragt, sagte Schön.
Dr. Carola Reimann (SPD) kündigte konkrete Maßnahmen gegen Lohndiskriminierung an. Dazu gehöre auch der gesetzliche Mindestlohn ab 2015, der vor allem Frauen helfe, "da sieben von zehn Beschäftigten im Niedriglohnbereich Frauen sind".
Zudem wolle man ein individuelles Auskunftsrecht für alle Beschäftigten einführen, damit Lohnungleichheiten in den Unternehmen sichtbar werden. "Und wir regeln ein Verfahren, damit die Betriebe eigenständig für Lohngerechtigkeit sorgen können", fügte Reimann hinzu. Schließlich solle es noch einen Rechtsanspruch für Teilzeitbeschäftigte geben, auf einen Vollzeitjob zurückkehren zu können. "So wird Teilzeit nicht länger zur Falle für Frauen", sagte die SPD-Abgeordnete. Im Anschluss an die Debatte wurden die Anträge zur weiteren Beratung an den federführenden Familienausschuss überwiesen. (hau/14.03.2014)