Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Ein neues Teilhabegesetz soll die Situation von Menschen mit Behinderungen in Deutschland verbessern. Darin sind sich alle Fraktionen des Bundestages einig. Doch der Opposition gehen die Arbeiten der Koalition zu diesem Thema deutlich zu langsam. Das wurde deutlich in einer vereinbarten Debatte am Donnerstag, 8. Mai 2014. Anlass, das Thema auf die Tagesordnung zu nehmen, war der europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai, den viele Verbände dazu genutzt hatten, auf Defizite bei der Teilhabe von Behinderten aufmerksam zu machen.
Für die SPD betonte Oliver Kaczmarek insbesondere die Bedeutung inklusiver Bildung. Die sei ein Menschenrecht, das weltweit verwirklicht werden müsse. Deutschland solle dabei mit gutem Beispiel vorangehen, stehe aber tatsächlich in Sachen inklusiver Bildung "noch am Anfang".
Nur 28 Prozent der Schüler mit Förderbedarf gingen auf allgemeinbildende Schulen und nur wenige der Förderschüler machten einen Schulabschluss. Dies sei schlecht, sagte der SPD-Abgeordnete.
Uwe Schummer, Beauftragter der Unionsfraktion für Menschen mit Behinderungen, sagte, weltweit seien eine Milliarde Menschen von Behinderungen betroffen, nur jedes zehnte behinderte Kind bekomme überhaupt eine Schulbildung. Diese globale Situation müsse man im Blick behalten, wenn man das Thema Inklusion diskutiere.
Schummer kündigte an, das geplante Behindertenteilhabegesetz der Koalition werde dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen "raus aus der Armutsfalle" kommen. Bislang werde bei einer Heirat der Partner sofort mit seinem Vermögen und Einkommen herangezogen; dies dürfe nicht sein und verstoße gegen die Verfassung.
Kritik äußerte Schummer an der Arbeit der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Deren Zahl habe sich in den vergangenen 15 Jahren erheblich vergrößert, aber Vermittlungsquoten von unter einem Prozent deuteten darauf hin, dass sie ihre Aufgabe, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, wohl nicht so erfüllen wie gewünscht.
Die behindertenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Katrin Werner mahnte zur Eile: der Reformstau sei "riesig", bedarfsgerechte Eingliederungshilfen müssten unabhängig von Einkommen und Vermögen sein. Sie fragte, warum die Regierung nicht wenigstens schon Eckpunkte für ihr geplantes Gesetz vorlege.
Viele Dinge, die heute für Diskriminierung sorgten, könnten umgehend angegangen werden: etwa die Anpassung des Behindertenbegriffs an die UN-Behindertenrechtskonvention, die Streichung des Kostenvorbehalts oder eine Streichung der Einkommensgrenzen und die Ausweitung der Beschäftigungspflichtquote.
Für die Grünen warf Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Fraktion, der Koalition vor, sich auf bloße Versprechungen zu beschränken. Eine Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen für behinderte Menschen und ihre Partner zeige eine gänzlich andere Sicht auf das Thema als die Redebeiträge der Abgeordneten von Union und SPD.
Rüffer zeigte sich empört über eine Äußerung des CDU-Abgeordnten Dr. Michael Fuchs, wonach bei der Eingliederungshilfe gespart werden solle, um so den Abbau der kalten Progression bei der Einkommensteuer zu finanzieren. Sie sagte, sie sei davon überzeugt, dass es in der Koalition Politiker gebe, die eine "menschenrechtsorientierte Behindertenpolitik" betreiben wollten: Ihnen biete ihre Fraktion "Asyl". (suk/08.05.2014)