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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt hat, hat am Dienstag, 8. April 2014, bei den Beratungen über den Haushalt des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für eine aktuelle Debatte gesorgt. Bundesminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Entscheidung der Luxemburger Instanz und warb für eine "ergebnisoffene" Diskussion über die Regelung dieses Problems. Die Union hob hervor, dass das EU-Gericht die Vorratsdatenspeicherung nicht verboten habe. Linke und Grüne riefen dazu auf, nun endgültig auf diese Maßnahme zu verzichten.
Maas betonte, dass die Luxemburger Instanz nicht nur eine Überarbeitung der Brüsseler Richtlinie gefordert habe, sondern diese Vorgabe "komplett für ungültig erklärt hat". Diese Entscheidung belege, dass nicht alles, was technisch machbar ist, mit den Grundrechten vereinbar sei.
Jetzt sei eine "neue Situation eingetreten". Der EuGH gehe mit seiner Kritik an der Vorratsdatenspeicherung sogar über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinaus.
Für die Unionsfraktion sagte Thomas Strobl (CDU/CSU), die Luxemburger Entscheidung verurteile die Politik nicht zur Tatenlosigkeit. Das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sei nicht untersagt worden.
Es gehe, sagte Strobl, um den Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen.
Lob für Maas kam von der Opposition. Zur Vorratsdatenspeicherung habe man vom Minister "neue Töne gehört", erklärte Roland Claus (Die Linke). Der Abgeordnete der Linken appellierte an den SPD-Politiker, an die Seite derer zu treten, die für Freiheitsrechte kämpfen: "Wer Zivilcourage will, muss Jusitzcourage zeigen."
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) fand es "wohltuend", wie Maas auf das Luxemburger Urteil reagiert habe. Für die Grünen-Politikerin hat der EuGH beim Schutz der Grundrechte eine "Zeitenwende" eingeleitet. Sicherheit rechtfertige nicht jedes anlasslose Eingreifen in die Grundrechte, unterstrich die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz.
Nach Auffassung Burkhard Lischkas (SPD) hat sich in den ersten Monaten der Amtszeit von Heiko Maas gezeigt, dass in der Rechtspolitik dringende Probleme angepackt werden. Beispielhaft nannte der SPD-Parlamentarier die Mietpreisbremse und die gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten.
Auch Maas sagte, die Rechtspolitik habe "neue Dynamik gewonnen". Unter anderem erwähnte er die Neuregelung zur Sukzessivadoption bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern, die Umsetzung der vom NSU-Untersuchungsausschuss angestoßenen Reformen oder das Ziel, rechtliche Schutzlücken beim Thema Kinderpornografie zu schließen.
Großes Gewicht wolle man auf den Verbraucherschutz legen, der nun durch Gesetze gestärkt werde. Die Zeit der Appelle sei vorbei. Als konkrete Projekte benannte der SPD-Minister etwa die Schaffung eines Sachverständigenrates für Verbraucherschutz, den Aufbau eines Netzes von Finanzmarktwächtern oder die finanzielle Förderung einer bei der EU angesiedelten Dependance des Bundesverbands für Verbraucherschutz.
Strobl plädierte dafür, die Alltagskriminalität stärker zu bekämpfen. Er sei gespannt, welche Vorschläge Maas unterbreiten werde. Als gravierendes Problem stufte der CDU-Abgeordnete die "alarmierend hohe Zahl" von Wohnungseinbrüchen ein, die nur zu rund 30 Prozent aufgeklärt würden. Solche Taten verursachten nicht nur materielle Schäden, sondern führten bei den Betroffenen auch zu Angst und Verunsicherung.
Zudem kritisierte der Abgeordnete die zunehmende Gewalt gegen Polizisten, diese "Verrohung der Gesellschaft" sei inakzeptabel. Strobl kündigte ein "weitreichendes Opferschutzgesetz" an. Er erwähnte dabei auch den Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung.
Caren Lay (Die Linke) und Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) monierten, die Etatansätze für die Verbraucherpolitik seien nicht ausreichend. Bisher habe Maas auf diesem Gebiet vor allem Ankündigungen präsentiert. Lay bemängelte, die Finanzmarktwächter stünden bisher nur "auf der Wunschliste". Auch die Schuldnerberatung und eine unabhängige Finanzberatung müssten verbessert werden.
Lindner meinte, Maas verfüge in der Verbraucherpolitik noch über zu wenige Kompetenzen. Der Sachverständigenrat für Verbraucherschutz dürfe keine "nette Kaffee- und Teerunde" werden, sondern bedürfe einer adäquaten Ausstattung.
Für die SPD lobte Lischka die Pläne für eine Mietpreisbremse in Großstädten mit hohen Wohnkosten, von der Hunderttausende Normalverdiener profitieren würden. Den Mietern werde auch zugutekommen, dass künftig die Vermieter die Maklerkosten bezahlen müssten, so sie einen entsprechenden Auftrag erteilen.
Aus Sicht von Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) lindert die Mietpreisbremse lediglich die Symptome des Problems, Abhilfe könne nur eine Ankurbelung des Wohnungsbaus schaffen. Der Linkspolitikerin Lay wiederum geht die Mietpreisbremse in der von der Koalition angestrebten Form nicht weit genug: "Sie verdient ihren Namen nicht." (kos/08.04.2014)