Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Kein Ministerium hat einen so großen Investitionsetat zur Verfügung wie das für Verkehr und digitale Infrastruktur: 12,55 Milliarden Euro, bei Gesamtausgaben von 22,78 Milliarden Euro im Regierungsentwurf des Etats 2014 (18/700, Einzelplan 12), ber den der Bundestag erstmals am Freitag, 11.April 2014, debattiert hat. Das ist weniger als im vergangenen Jahr (14,34 Milliarden Euro Investitionen, 26,41 Milliarden Euro Ausgaben). Allerdings sind die Zahlen nicht direkt vergleichbar. Denn den Bereich Bau und Stadtentwicklung hat das Haus als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen an das jetzige Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit abgeben müssen, dafür den neu geschaffenen Bereich digitale Infrastruktur dazubekommen.
Bei den Einzelbereichen ist tatsächlich eine Steigerung der Investitionen geplant, so bei den Bundesfernstraßen von 1,45 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr auf 1,94 Milliarden 2014. Dazu sollen 3,06 Milliarden Euro Investitionen aus den Einnahmen der Lkw-Maut kommen. Weniger stark sollen die Investitionen in die Bahn wachsen: Von 4,15 auf 4,2 Milliarden Euro. Minimal mehr Investitionen sind für die Bundeswasserstraßen geplant: 882,86 statt 881,5 Millionen Euro.
Für den neuen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums, die digitale Infrastruktur, sind für 2014 lediglich 13,04 Millionen Euro eingeplant. Allerdings wies Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf eine Vereinbarung mit Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hin, dass das Geld, das durch die Versteigerung von Frequenzen in den Bundeshaushalt kommt, "zu einem Großteil wieder in die digitale Infrastruktur gesteckt werden" soll. Die Regierung werde deshalb ihr Ziel erreichen, flächendeckend eine Internetanbindung mit 50 Megabit pro Sekunde anzubieten.
Dobrindt stellte seiner Haushaltsrede den Gedanken voran, dass Wirtschaftswachstum zu wachsenden Verkehrsströmen führe und eine leistungsfähige Infrastruktur "Grundlage für unseren Wohlstand" sei. "Wer glaubt oder geglaubt hat, er könnte Wirtschaftswachstum vom Wachstum der Infrastruktur abkoppeln, der", so Dobrindt, "wird uns am Schluss vom Wohlstand abkoppeln."
Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen müssten sich an der "verkehrlichen Gesamtwirkung und dem volkswirtschaftlichen Nutzen orientieren" und an nichts anderem, sagte Dobrindt. Die Bundesregierung wolle diese Investitionen bis 2017 um fünf Milliarden Euro steigern.
Eine unsichere Größe in der Investitionsplanung sind allerdings die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Ein Gutachten hat hier unlängst Mindereinnahmen von zwei Milliarden Euro prognostiziert, was an der teilweisen Abhängigkeit der Mautzahlungen vom Zinsniveau liegt – ein "ausdrücklicher Fehler", wie Dobrindt sagte, den "wir angreifen und ändern".
Obwohl die Maut schrittweise bis 2018 auf leichtere Lkw und auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden soll, könne noch eine Finanzierungslücke bleiben, stellte Dobrindt fest. Er habe jedoch mit dem Finanzminister vereinbart, dass eine solche mögliche Lücke aus allgemeinen Haushaltsmitteln ausgeglichen würde.
Zu dem besonders mit der Person Alexander Dobrindts verbundenen Projekt der Pkw-Maut kündigte dieser lediglich an, sie zum 1. Januar 2016 einzuführen. Wie sie ausgestaltet sein soll, ließ er offen. Roland Claus (Die Linke) kreidete ihm das danach an, indem er sagte: "Was überhaupt nicht geht, ist Ihr öffentliches Schwadronieren über eine Pkw-Maut für Ausländer, und im Parlament dazu kein Wort zu sagen."
Die Maßgabe für Verkehrsinvestitionen in dieser Legislaturperiode bleibe wie schon in den letzten Jahren: "Erhalt geht vor Neubau", versicherte Dobrindt. Wegen des besonders schlechten Zustands vieler Straßen- und Bahnbrücken kündigte der Minister für die nächste Zeit ein "Sondersanierungsprogramm für Brücken" an.
Trotzdem müsse auch in den Neubau investiert werden. Er habe allerdings den Verkehrsministern der Länder mitgeteilt, dass alle Projekte im Bundesverkehrswegeplan, die nicht bis 2015 im Bau sind, neu überprüft würden. Das könne dazu führen, dass es dann "einige Projekte nicht mehr gibt", sagte Dobrindt. Aber das sei auch "der Sinn und der Zweck der Übung. Wir brauchen keine politischen Straßen, keine politischen Schienen und keine politischen Wasserwege. Wir brauchen Verkehrspolitik, die sich am volkswirtschaftlichen Nutzen ausrichtet."
Für die größte Oppositionsfraktion, Die Linke, verwies Roland Claus auf ständige Probleme die Verkehrsprojekten wie dem Bau des neuen Berliner Flughafens und der Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals und folgerte daraus: "In Ihrem Ministerium ist das viele Geld leider nicht in guten Händen."
Angesichts der erwarteten Lücke bei den Maut-Einnahmen, die er auf eine halbe Milliarde Euro bezifferte, bezweifelte Claus, dass dieser Betrag einfach aus den allgemeinen Haushaltsmitteln ausgeglichen werden könne. "Reden Sie uns hier nicht die Dinge schön", hielt er Dobrindt entgegen.
Zur Bahn verwies Claus darauf, dass in den Privatisierungsberichten der Bundesregierung noch immer das Ziel eines Börsengangs des Bundesunternehmens stehe. Er glaube es wenn Dobrindt und Bahnchef Grube versicherten: "Niemand hat die Absicht...", wie Claus zum Gelächter seiner Fraktionskollegen mit hoher Stimme sagte. Aber, an Dobrindt gewandt: "Haben Sie doch den Mut zu sagen: Wir haben da einen Fehler gemacht, die Privatisierung und der geplante Börsengang sind vom Tisch."
"Unser Motto heißt: Wir reparieren Deutschland", so fasste Sören Bartol (SPD) plakativ die Sanierungspläne im Verkehrsetat 2014 zusammen. Die dafür vorgesehenen Mittel seien "die höchste Summe, die jemals für die Sanierung unserer Straßen und Schienen ausgegeben wurde". Bis 2017 sollten diese Mittel weiter wachsen. Daneben werde die Koalition bis 2017 zusätzliche fünf Milliarden Euro in den Neubau von Verkehrswegen investieren.
Mit der in der Vorwoche vorgestellten neuen Konzeption des Bundesverkehrswegeplans 2015 gehe die Große Koalition "einen mutigen Schritt nach vorne", weil sie ganz neue Prioritäten setze. Der Bund werde künftig vorrangig dort investieren, wo es von überregionaler, nationaler Bedeutung ist.
Kein Lob erhielt Dobrindt von Bündnis 90/Die Grünen. Vielmehr wollte Sven-Christian Kindler in dessen Haushaltsrede "null Substanz, nur markige Sprüche" erkennen. "Der Bundestag ist kein CSU-Parteitag", rief Kindler und warf Dobrindt vor, "CSU-Klientelpolitik" zu betreiben, als sei er noch CSU-Generalsekretär. Er warnte vor einer "Bevorzugung Bayerns" im neuen Bundesverkehrswegeplan.
Weil Kindler in diesem Zusammenhang von einer blau-weißen Fahne gesprochen hatte, wies im Anschluss an seine Rede die Augsburger Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) darauf hin, dass die Fahne Bayerns weiß-blau sei. Blau-weiß seien die Farben von Schalke, und Dobrindt sei gewiss kein Schalke-Fan.
Kindler hielt Dobrindt vor, die Infrastruktur weiter auf Verschleiß zu fahren. Es gebe ein riesiges Defizit beim Erhalt und der Sanierung von Verkehrswegen, doch "im Haushalt gehen Sie das Problem überhaupt nicht an". Die zusätzlichen fünf Milliarden, die Dobrindt jetzt für vier Jahre in den Haushalt einstellen wolle, wolle er überwiegend in den Neubau von Straßen stecken.
"Wir brauchen endlich eine echte Wende in der Verkehrspolitik", forderte Kindler. Man müsse vor allem in den Erhalt investieren, sowie in "sinnvolle Zukunftsprojekte, die auch wichtig für den Klimaschutz sind", statt immer neue Straßen und immer neue "schillernde Großprojekte". Zu Dobrindts Plänen für den Ausbau der digitalen Infrastruktur sagte Kindler: "Bis jetzt ist das alles nur virtuelle Realität."
Dagegen hob Reinhold Sendker (CDU/CSU) hervor, dass der kürzlich vorgelegte Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2015 klar die Priorität "Erhalt vor Neubau" setze. Sendker wies im übrigen auf die Aufgabe der Verkehrspolitik hin, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Die Zahl der Verkehrstoten pro Tag sei seit 1970 von 58 auf neun zurückgegangen. Man sei "erkennbar auf einem guten Weg, diese Zahl weiter zu senken." (pst/11.04.2014)