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Der Bundestag hat die Aufnahme der Fleischbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beschlossen. Das Plenum stimmte am Donnerstag, 8. Mai 2014, dem dazu von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (18/910) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (18/1359) zu. Bei der namentlichen Abstimmung gab es unter den 577 wählenden Abgeordneten keine Gegenstimme und keine Enthaltung. Damit sollen die Arbeitnehmer in der Fleischbranche ab 1. Juli 2014 den zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbarten Branchenmindestlohn von 7,75 Euro erhalten. Nach verschiedenen Steigerungsstufen soll der Mindestlohn ab 1. Dezember 2016 bei 8,75 Euro liegen. Diese Regelung gilt auch für Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen. Eine Entscheidung des Bundesrates über den Gesetzentwurf steht noch aus.
Abgeordnete aller Fraktionen begrüßten die Aufnahme der Fleischbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Aus Sicht der SPD-Fraktion ist die Tatsache, dass die Arbeitnehmer der Branche nach langen Jahren der Verweigerung Anfang 2014 doch bereit waren, mit der Gewerkschaft einen Branchentarifvertrag auszuhandeln, auch dem angekündigten Mindestlohn geschuldet, sagte Bernd Rützel (SPD).
Als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnetet Jutta Krellmann (Die Linke) das Gesetz. Die Lohnhöhe liege jedoch unter dem gesetzlichen Mindestlohn kritisierte sie. Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) machte deutlich, dass es entscheidend sei, dass die Arbeitnehmer das Geld auch tatsächlich erhalten und Missbrauch effektiv bekämpft werde. Nach Ansicht von Wilfried Oellers (CDU/CSU) ist die Regelung ein Beweis dafür, "dass der Staat entschlossen gegen Missstände vorgeht".
Jahrelang habe es in der Fleischbranche unerträgliche Zustände gegeben, die ein Eingreifen nötig gemacht hätten, sagte Bernd Rützel (SPD). "Viele Arbeitgeber haben ihr einst ehrenwertes Handwerk durch sittenwidrige Behandlung der Arbeitnehmer in Verruf gebracht", sagte er. Zwölf bis 15 Stunden lange Arbeitstage hätten den meist ausländischen Arbeitskräften Armutslöhne und überteuerte Übernachtungen in Massenunterkünften gebracht.
"Arbeitgeber haben jahrelang ihren Gewinn skrupellos auf Kosten der Mitarbeiter gesteigert", beklagte Rützel. Nun habe man eine Regelung, die keine Schlupflöcher biete und auch für die ausländischen Arbeitnehmer mit Werksverträgen gelte. Als besonders wichtig bezeichnete Rützel die Festlegung, dass die Generalunternehmer "verschuldensunabhängig" dafür haften, wenn einer ihrer Subunternehmen den Mindestlohn nicht zahlt.
Von mafiösen Strukturen in der Fleischbranche sprach Jutta Krellmann (Die Linke): "Und das mitten in Deutschland." Während Arbeitnehmer keinen Urlaub und bei Krankheit sofort die Kündigung bekommen hätten, "verdienten sich die Unternehmer dumm und dämlich", kritisierte Krellmann.
Die Verantwortung dafür habe auch beim Gesetzgeber gelegen, machte die Linken-Abgeordnete deutlich. Schließlich hätten die letzten Bundesregierungen mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes Subunternehmen und Werkverträgen Tür und Tor geöffnet. Nun sei es höchste Zeit, etwas dagegen zu tun, sagte Krellmann und forderte die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen.
Mit der Fleischbranche sei die immerhin 14. Branche in das Gesetz aufgenommen worden, betonte Wilfried Oellers (CDU/CSU). Nachdem man in der vergangenen Legislaturperiode auf eine gesetzliche Regelung verzichtet und auf eine Übereinkunft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften gehofft habe, sei diese nun erfreulicherweise auch erfolgt. Die Union, so Oellers, setze auf die Tarifautonomie und sehe sich mit der gefundenen Regelung bestätigt.
Nachbesserungsbedarf sah der Unionsabgeordnete bei der verschuldensunabhängigen Haftungsregelung für den Generalunternehmer. Wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahmen deutlich gemacht habe, bestehe so die Gefahr, dass ein "redlicher Generalunternehmer, der seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Subunternehmer nachgekommen ist und den Subunternehmer sorgfältig ausgesucht hat", doppelt zahlen müsse.
Seine Fraktion unterstütze den Gesetzentwurf, sagte Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen). Es dürfe jedoch keine profitorientierte Ausnutzung der Übergangsregelung geben, forderte er. Auch ein Umschiffen des Mindestlohns durch den Missbrauch von Werkverträgen oder Scheinverträgen dürfe es nicht geben.
Insofern sei der Gesetzentwurf ein guter Anfang, werde aber nicht ausreichen, "um die Missstände im Niedriglohnsektor gänzlich zu beseitigen". Um den Missbrauch zu bekämpfen, so Ostendorff weiter, seien 42 zusätzliche Stellen beim Zoll geplant. Im Haushalt eingestellt seien die Kosten dafür jedoch noch nicht, kritisierte er. (hau/08.05.2014)