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Mehr Transparenz und die Einbindung der Öffentlichkeit in die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der Europäischen Union und Kanada fordern Sachverständige im Deutschen Bundestag. Tobias Andres von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie kritisierte während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montag, 2. Juni 2014, unter Vorsitz von Gitta Connemann (CDU/CSU) das Ungleichgewicht der Informationspolitik seitens der EU-Kommission zwischen den Ceta-Verhandlungen und den Gesprächen zum TTIP-Abkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) mit den USA.
Dieser Kritik schloss sich der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Peter-Tobias Stoll von der Universität Göttingen an, denn selbst Experten erhielten kaum Einblick in den Stand der Verhandlungen, um sich eine adäquate Meinung bilden zu können.
Bei der derzeit geübten Praxis würden die Sachverständigen in der Regel über einen geringeren Informationsstand verfügen als die Bundestagsabgeordneten, weil nur Abgeordnete über die entsprechenden parlamentarischen Rechte verfügen, solche Informationen abfragen zu dürfen. Weil das Verhandlungsmandat über Ceta bei der EU-Kommission liege, müsse deshalb die Bundesregierung, „die gesetzlich dazu verpflichtet ist, den Bundestag mit Informationen zu versorgen“, im Interesse der Öffentlichkeit aktiver werden.
Auch der Sachverständige Frank Schmidt-Hullmann von der IG Bau-Agrar-Umwelt bemängelte, dass es kaum belastbare Textentwürfe gebe, die eine Bewertung des Verhandlungsstandes zulassen. „Es gibt keine konsolidierte Basis, die eine Meinungsbildung ermöglicht“, monierte er mit Blick auf die Konsequenzen für die Arbeitnehmer und die Arbeits- sowie Sozialstandards.
Wesentlich optimistischer bewertete Prof. Dr. Dr. h.c. P. Michael Schmitz von der Justus-Liebig-Universität Gießen die Folgen eines Freihandelsabkommens mit Kanada: „Die Milchwirtschaft wird zusätzlich profitieren, besonders im Käsebereich.“ Insgesamt ging er von einer positiven Entwicklung für den europäischen Agrarmarkt aus. Doch rechnete er im Bereich der Rind- und Schweinefleischwirtschaft auch mit „Druck“ auf die europäischen Produzenten.
„Dieser Druck entsteht aufgrund unterschiedlicher regulatorischer Kosten“, erklärte Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband. So seien EU-Agrarunternehmen zum Beispiel schärferen Zulassungsverfahren, Umwelt- und Flächennutzungsrechten ausgesetzt als kanadische Unternehmen. Deshalb seien aus Sicht der Landwirtschaft sogenannte Tarifquoten wichtig, um ungleiche Marktpositionen auszugleichen.
Tobias Andres von der Ernährungsindustrie betrachtete das Handelsabkommen als eine Chance. „Der Export ist für uns unverzichtbar“, sagte er, denn die Einkünfte aus Exporten würden bereits einen Anteil von rund 30 Prozent branchenweit ausmachen. Derzeit würden Lebensmittel in einem Volumen von nur 260 Millionen Euro mit Kanada gehandelt bei einem internationalen Gesamtvolumen von rund 50 Milliarden Euro. „Wir hoffen, den Marktanteil ausbauen zu können“, sagte Andres.
Dass das Handelsabkommen negative Auswirkungen auf die Entwicklungs- und Schwellenländer haben werde, verneinte Schmitz. „Es trifft Drittländer nicht, wenn die EU und Kanada stärkeren Handel treiben“, sagte er. Seiner Ansicht nach würde der durch solche Handelsabkommen bestärkte Trend, Handelsschranken abzubauen, das Geschäftsklima insgesamt begünstigen, weil Zölle reduziert würden. „Eine Öffnung der Märkte ist für die Entwicklungsländer grandios.“
Auf mögliche Folgen im Bereich der Lebensmittelstandards wies Scott Sinclair vom Canadian Centre for Policy Alternatives hin. So funktioniere die gegenseitige Anerkennung von Standards am besten, „wo beide Seiten annähernde Positionen vertreten“. Doch im Bereich „Genfleisch“ und „Hormonbehandlung“ stünden sich die Standpunkte der Nordamerikaner und Europäer „radikal“ gegenüber. Sinclair warnte, dass aus seiner Sicht die dafür vorgesehenen Regulierungsmechanismen einen Ausgleich nicht fördern würden.
Zudem gab er zu bedenken, dass am Beispiel des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) zwischen den USA, Mexiko und Kanada diverse Investitionsschutzklagen anhängig sind, die Kanada derzeit viele Millionen Dollar Prozesskosten aufbürden würden. Weil es in Zukunft immer mehr internationale Investoren geben werde, forderte er, das System der Schiedsgerichtsbarkeit und Entschädigungen zu überdenken.
Sinclair sprach sich dafür aus, dass Unternehmen zuerst die regulären Rechtsmittel ausschöpfen müssen, wenn diese sich benachteiligt fühlen, bevor Entschädigungen durch ein Schiedsgerichtsverfahren erstritten werden können. Die EU, Kanada und Deutschland würden über ein weit entwickeltes Rechtssystem verfügen, das Investoren bereits ausreichend schützen würde. Als Negativbeispiel führte Sinclair an, dass in Kanada US-amerikanische Firmen über kanadische Tochterfirmen wiederum die USA im Rahmen des Nafta verklagt hätten, um auf diese Weise gegen Regulierungen vorzugehen. (eis/02.06.2014)