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Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag die Finanzreform in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschlossen. In der Schlussdebatte am Donnerstag, 5. Juni 2014, würdigten Sprecher der Fraktionen von CDU/CSU und SPD das umfangreiche Gesetz als Beitrag zur finanziellen Stabilität, Transparenz, Qualität und Solidarität. Gesundheitsexperten der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen monierten hingegen, mit dem Gesetz werde zulasten der Versicherten endgültig Abschied genommen von der paritätischen Finanzierung im Gesundheitswesen.
Das Gesetz sieht vor, dass der Beitragssatz ab 2015 von jetzt 15,5 auf 14,6 Prozent sinkt, wobei der hälftige Arbeitgeberanteil von 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben wird. Der bisher allein von den Versicherten gezahlte Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent des Einkommens fällt ebenso weg wie die pauschalen Zusatzbeiträge und der damit einher gehende steuerfinanzierte Sozialausgleich.
Dafür können die Krankenkassen künftig einkommensabhängige Zusatzbeiträge erheben, die allein von den Versicherten zu tragen sind. Ferner geplant ist ein Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, das beispielsweise die Aufgabe haben soll, Krankenhausleistungen vergleichbar zu machen.
Das vielschichtige Gesetz beinhaltet außerdem Regelungen zum Ausbau der Unabhängigen Patientenberatung in Deutschland (UPD), eine um zwei Jahre verlängerte Optionsphase für das Pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) sowie Soforthilfen für Hebammen mittels eines Sicherstellungszuschlags.
Diese zusätzlich in das Gesetz eingefügten Regelungen werden auch von der Opposition im Grundsatz mitgetragen. Weitgehend unstrittig ist überdies das Qualitätsinstitut.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte in der Debatte, das Gesetz bringe Sicherheit für die Versorgung, eine Stärkung der Qualität und eine Orientierung an den Patienten. Sie bekräftigte, dass voraussichtlich bis zu 20 Millionen GKV-Mitglieder ab 2015 zunächst entlastet würden.
Das Gesetz sorge für einen Preis- und Leistungswettbewerb und damit dafür, dass die Krankenkassen ein Interesse daran hätten, ihre Beiträge niedrig zu halten. Sollten Kassen Zusatzbeiträge erheben, müssten die Versicherten schriftlich darauf hingewiesen werden.
Linke und Grüne rügten hingegen, von einer soliden Finanzierung könne nicht die Rede sein, zumal die Zusatzkosten künftig allein von den Versicherten zu tragen seien. Harald Weinberg (Die Linke) sprach angesichts des fixierten Arbeitgeberanteils von einer klassischen Umverteilung zulasten der Arbeitnehmer. Mit dem Gesetz werde einiges anders, aber kaum etwas besser.
So hätten bisher nur sieben Kassen überhaupt eine Beitragssenkung in Aussicht gestellt, darunter lediglich eine große. Die Versicherten würden künftig zur Kasse gebeten, sagte Weinberg und rechnete hoch, dass die Arbeitnehmer bislang über den Sonderbeitrag jährlich rund zehn Milliarden Euro mehr zahlten als die Arbeitgeber.
2020 sei schon mit 34 Milliarden Euro zu rechnen. In der Summe würden die Arbeitnehmer bis 2020 rund 150 Milliarden Euro mehr zahlen als die Arbeitgeber. Dies sei ein "Raubzug durch die Geldbörsen" von Bürgern mit kleinen und mittleren Einkommen.
Auch die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink sprach von einer "zutiefst ungerechten" Regelung, wonach die Versicherten künftig einseitig belastet würden. Die Koalition rede sich das Gesetz schön.
Der Wegfall der kleinen Kopfpauschale sei von der SPD in den Koalitionsverhandlungen teuer erkauft worden. Ein Vergleichsportal im Internet über die künftigen Zusatzbeiträge könne keine Lösung sein. Nötig sei vielmehr die Rückkehr zur solidarischen Finanzierung. Sie erinnerte daran, dass SPD und Grüne lange für die Einführung einer Bürgerversicherung gekämpft hätten.
Der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach gestand zu, dass die Einführung einer Bürgerversicherung langfristig weiter ein Ziel der SPD bleibe. Gleichwohl sei der Wegfall der pauschalen Zusatzbeiträge im Gesetz ein Schritt in Richtung mehr Solidarität im Gesundheitswesen. Zudem würden mit den neuen Beitragssätzen zunächst einmal faktisch die Arbeitnehmer entlastet und nicht die Arbeitgeber.
Der CSU-Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein gab zu bedenken, dass die Arbeitgeber immerhin die milliardenschwere Lohnfortzahlung im Krankheitsfall übernähmen.
Für die SPD-Fraktion betonte Sabine Dittmar, das Qualitätsinstitut sei ein echter Meilenstein im ambulanten und stationären Bereich. So werde künftig in einer einfachen Sprache die Qualität von Kliniken veröffentlicht. Freude sei auch angebracht angesichts der Stärkung der UPD, die mehr Fördermittel bekomme und zusätzliche Beratung anbieten könne.
Mit der Verlängerung der Optionsphase bei PEPP sei zudem Druck aus den Kliniken genommen worden. Schließlich sei mit der Soforthilfe für Hebammen schon viel erreicht worden. Insgesamt sei dies ein gutes Gesetz. Der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke hielt der Opposition kleinkarierte Kritik vor und stellte fest: "Sie reden und wir handeln." (pk/05.06.2014)