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Das Vorhaben der Bundesregierung, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina asylrechtlich als sichere Herkunftsländer einzustufen, stößt bei der Opposition in Bundestag auf massive Kritik. Dagegen warb Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) am Freitag, 6. Juni 2014, bei der ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfs (18/1528) nachdrücklich für die vorgesehene Einstufung der drei Balkanstaaten.
Eine verantwortungsvolle Asylpolitik müsse auch darauf ausgerichtet sein, die „große Aufnahmebereitschaft“ der Gesellschaft in Deutschland „für die Aufnahme von wirklich Schutzbedürftigen zu erhalten“, mahnte der Minister. Es gebe aber ein „wachsendes Unverständnis für die Armutsmigration aus Westbalkan-Staaten im Asylverfahren“.
Seit Aufhebung der Visumpflicht für Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sei in Deutschland ein sprunghafter Anstieg der Antragzahlen festzustellen. Vor der Aufhebung der Visumpflicht seien im Jahr 2009 etwa 1.000 Asylbewerber aus diesen Ländern gekommen. 2013 seien es bereits 32.000 gewesen.
Die Zahl der anerkannten Schutzbedürftigen aus diesen Staaten liege jedoch unter einem Prozent. Dabei könnten alle drei Länder wirklich als sichere Herkunftsstaaten angesehen werden. Diese Einschätzung teilten auch Frankreich, Belgien, Luxemburg, Österreich, die Schweiz und Großbritannien, und Serbien bitte selbst um eine solche Einstufung.
Bei sicheren Herkunftsstaaten werde „kraft Gesetzes vermutet, dass aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse dort keine politische Verfolgung droht“, fügte de Maizière hinzu. Dadurch sollten aussichtslose Asylanträge schneller bearbeitet und „der Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden können“. Jeder Asylbewerber könne jedoch auch danach darlegen, dass er in seinem konkreten Fall mit Verfolgung rechnen muss.
Der Minister verwies zugleich darauf, dass im Jahr 2013 in Italien 28.000 Menschen Asyl beantragt hätten, in Großbritannien 30.000 und in Frankreich 66.000, während es in Deutschland mehr als 120.000 gewesen seien. „Wir sind stolz darauf, das Land in Europa zu sein, das die meisten Asylbewerber aufnimmt“, unterstrich der Ressortchef. Auch am Beispiel Syriens sei zu sehen, dass die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung „ungebrochen groß“ sei.
Mit dem Gesetzentwurf soll zugleich für Asylbewerber und Ausländer mit einer Duldung die Wartefrist, nach der die Ausübung einer Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann, auf drei Monate verkürzt werden. Nach geltendem Recht kann Asylbewerbern erst nach einer Wartefrist von neun Monaten die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden, während die Wartefrist für Ausländer mit einer Duldung ein Jahr beträgt.
Dem Parlament lag zu der Debatte auch ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/1616) vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ihren Gesetzentwurf nicht weiter zu verfolgen. Die Einstufung von Serbien, Mazedonien sowie Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten ziele vor allem auf Roma-Flüchtlinge ab, denn mehrheitlich seien die Asylsuchenden aus diesen Ländern Roma.
„Deren oft existenzielle Notlage, systematische politische, wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung und rassistische Diskriminierungen werden somit qua Gesetz negiert“, heißt es in dem Antrag weiter. Die „gesetzgeberische Unterstellung eines vermeintlichen Asylmissbrauchs“ bestätige und fördere zudem „verbreitete antiziganistische Vorurteile in der Bevölkerung“.
Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke mahnte, es müsse auch künftig faire Asylverfahren für Menschen aus den Westbalkan-Staaten geben. Sie verwies darauf, dass es sich bei den Asylsuchenden im Falle Serbiens zu 90 Prozent um Roma handele. Im Falle Mazedoniens seien es 80 Prozent und bei Bosnien-Herzegowina 65 Prozent. Diese Minderheiten lebten dort „am Rande der Gesellschaft“ und seien Opfer rassistischer Übergriffe und Kampagnen. Dabei gebe es eine „massive Verletzung der sozialen Menschenrechte“.
Nach den Asylrichtlinien der EU müsse auch eine „Mehrfachdiskriminierung zur Anerkennung der Flüchtlinge führen“. Jelpke hob zudem mit Blick auf die NS-Vergangenheit Deutschlands hervor, dass man gegenüber Roma eine historische Verantwortung habe. „Eine halbe Million Menschen sind damals während des Faschismus umgekommen“, sagte sie. Der Gesetzentwurf tue aber so, „als hätte es diesen Teil der Geschichte des Antiziganismus nie gegeben“.
Die Grünen-Parlamentarierin Luise Amtsberg warf der Regierungskoalition, mit der „weiteren Einschränkung des Asylrechts“ diesem „den finalen Todesstoß“ zu versetzen. Ihre Fraktion habe sich schon immer gegen die „Praxis der sicheren Herkunftsstaaten“ ausgesprochen. Werde ein Land so eingestuft, führe dies zur pauschalen Ablehnung von Asylanträgen „und somit zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen“.
Amtsberg unterstrich zugleich, dass etwa in Bosnien-Herzegowina Roma Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt seien. Das europäische Recht erlaube es aber, „existenzbedrohende Mehrfachdiskriminierungen als Asylgrund einzustufen“. Angesichts der deutschen Geschichte „wäre es mehr als angezeigt, wenn Deutschland diesen Spielraum auch endlich nutzen würde“.
21 Jahre nach dem Asylkompromiss von 1993, bei dem das Grundrecht auf Asyl 1993 „seines Inhaltes beraubt“ worden sei, stelle sich die Frage, wie die SPD jetzt daran anknüpfen könne. „Wie kann es sein, dass ihr erneut vor der Panikmache der CDU vor steigenden Asylbewerberzahlen einknickt“, fügte sie an die Sozialdemokraten gewandt hinzu.
SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit sagte, in den Koalitionsverhandlungen sei es „wirklich schwer gefallen“, der Union zuzugestehen, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina in die Liste sicherer Herkunftsländer aufzunehmen. Er habe den Asylkompromiss von 1993, zu dem auch das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten gehöre, „nachhaltig bekämpft“ und auch heute noch Vorbehalte gegenüber diesem System.
Er habe aber durchaus Zutrauen in das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass es gelinge, nach wie vor die wirklich Schutzbedürftigen aus den drei Balkanstaaten „zu erfassen und und sie dann entsprechend mit Bleiberechten auszustatten“. Gleichwohl handele es sich für ihn persönlich um einen „sehr schwierigen Kompromiss“.
In den Koalitionsverhandlungen seien aber auch Verbesserungen im Flüchtlingsrecht erreicht worden. „Uneingeschränkt positiv“ und „schon fast sensationell“ sei die Verkürzung des Arbeitsverbotes für Asylbewerber und Geduldete. Damit seien die Betreffenden in der Lage, sich und ihre Familien selbst zu versorgen.
Der CDU-Parlamentarier Thomas Strobl verwies darauf, dass es im Jahr 2009 noch 28.000 Asylbewerber in der Bundesrepublik gegeben habe. 2013 seien es 127.000 gewesen. Innerhalb von fünf Jahren habe sich die Asylbewerberzahl damit verfünffacht. Dabei sei der Anstieg aus den Balkanstaaten besonders groß. Fast jeder fün
Die Koalition unterbreite nun mit dem Gesetzentwurf einen „maßvollen Vorschlag“, fügte Strobl hinzu. Er verwies zudem darauf, dass bei Flüchtlingen aus Syrien, die ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen, die Schutzquote bei 100 Prozent liege, bei Flüchtlingen aus den Westbalkan-Staaten dagegen bei nahezu null Prozent. Man wolle auch sicherstellen, dass man die deutschen Anstrengungen für syrische Flüchtlinge aufrechterhalten und ausbauen könne. Dafür müsse man seine Kräfte bündeln. (sto/06.06.2014)